Technologische Innovation am Arbeitsplatz verändert Strukturen und Werte der Unternehmen kaum
Digitale Technologie prägt inzwischen nahezu jeden Arbeitsplatz und vor allem das Leben mobiler Mitarbeiter. Doch längst nicht immer sind alle Applikationen orts- und geräteunabhängig zugänglich, schon gar nicht mit nur einem Log-in-Vorgang.
Wie sieht der Digital Workplace heute in deutschen Unternehmen aus, und wie wird er von den Betrieben weiterentwickelt? Um solche und ähnliche Fragen ging es in eier im Juni durchgeführten Umfrage des Marktforschungsunternehmens IDC, an der Vertreter von 281 Unternehmen, davon 61 Prozent IT- und 39 Prozent Manager aus dem Fachbereich, teilnahmen. Knapp 60 Prozent der teilnehmenden Firmen hat unter 1000 Mitarbeiter, der Rest ist größer.
Besonders die Fertigungsindustrie (21 Prozent) war gut vertreten, weitere 12 Prozent aus der diskreten Fertigung, 15 Prozent der Befragten kamen aus dem Handel, und je zehn Prozent aus dem Finanz- sowie aus dem Gesundheits-/Sozialbereich. Den Bereichen Öffentliche Verwaltung sowie Verkehr und Transport sind je 8 Prozent zuzurechnen.
Welche IT-Prioritäten nannten die Befragten bei der IDC-Umfrage? Neben mehr Sicherheit (55 Prozent der Nennungen) rangiert die Modernisierung der IT-Arbeitsplätze, besonders, um auch mobiles Arbeiten möglich zu machen, mit 35 Prozent Nennungen auf Platz 2 der Prioritätenliste. Dichtauf die Dauerbrenner “IT-Kosten senken”, “Geschäftsprozesse besser unterstützen” und “Anforderungen von Fachbereichen schneller umsetzen” (33/31/28 Prozent).
Der Drang nach mehr Sicherheit scheint vor allem die IT-Verantwortlichen zu beherrschen (64 Prozent) – kein Wunder, sind sie doch im Zweifel sogar persönlich haftbar, wenn Daten verloren gehen. Möglicherweise sollten Unternehmen, um hier den Druck etwas zu verringern, ihre Mitarbeiter entsprechend versichern. Auch die Kostensenkung ist für IT-Leute wichtiger als für Fachbereichsvertreter, müssen sie sich doch vor der Geschäftsleitung dafür rechtfertigen. Die Fachbereichsvertreter wünschen sich dagegen stärker als die IT-Spezialisten eine bessere Unterstützung der Geschäftsprozesse durch die IT, modernere Abläufe und höhere Verfügbarkeit.
Große Lücken im App-Angebot des Unified Workplace
Innerhalb der Unternehmens-IT ist nur etwa jede zweite Anwendung geräteunabhängig im Rahmen eines digitalen Workplace zugänglich. Das lässt darauf schließen, dass sowohl am festen als auch am mobilen Arbeitsplatz noch immer Effizienz verloren geht, weil Anwender beispielsweise am Mobilsystem andere Applikationen verwenden (müssen), was umständlich ist und die Sicherheit kompliziert oder gar beeinträchtigt.
Großunternehmen gehen voran beim Einsatz von Desktopaas-a-Service. 27 Prozent der befragten Vertreter dieses Firmentyps gaben an, die Technologie bereits einzusetzen. Bei Firmen unter 1000 Mitarbeiter waren es nur 18 Prozent. Dafür wollen letztere zu 32 Prozent diesen Schritt aber in den kommenden 12 Monaten tun.
Zählt man die Unternehmen zusammen, die die Technologie bereits einsetzen und sie in einer Zeitspanne von maximal zwei Jahren umsetzen wollen, kommt man in der größeren Firmengruppe (ab 1000 Mitarbeiter) auf 65 Prozent, in der Gruppe der kleineren Unternehmen auf 62 Prozent. Kurz gesagt: DaaS scheint für alle befragten Unternehmensgrößen mittelfristig ähnlich attraktiv zu sein. Nur 16 Prozent der Mittelständler und sieben Prozent der Großunternehmen haben DaaS nach Evaluierung verworfen.
Die Rolle von Windows 10
Auf dem Weg zum einheitlichen Desktop ist Windows 10 nach Ansicht von IDC ein wichtiger Motor. Rund 38 Prozent der Anwender haben dieses Betriebssystem auf ihren Geräten, bei Convertibles sei das Betriebssystem eindeutig dominant, so IDC-Analyst Mark-Alexander Schulte. Allerdings sieht es bei Smartphones eindeutig anders Haus – hier dominiert bekanntlich Android, und Windows 10 muss sich mit Brosamen begnügen. Doch IDC-Analyst Schulte konnte hinsichtlich Windows-10-Smartphonse auf Nachfrage immerhin von einem steilen Anstieg von einem niedrigem Niveau aus berichten.
IDC sieht das integrierte Zugangsmanagement (IAM, Identity and Access Management) als Kern moderner, einheitlicher Workplace-Lösungen, die zu einer neuen Anwendungsklasse, dem Unified Workplace Management, zusammenfließen. Doch bis das so weit ist, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern. Zumindest mehrfache lästige Log-ins werden wohl die aktuelle Generation der Mitarbeiter noch lange begleiten. Derzeit binden erst 35 Prozent der Großunternehmen und spärliche 19 Prozent der Firmen unter 1000 Mitarbeiter auch Web-Anwendungen, also Cloud-Services, in das Single Sign On ein.
Die Umsetzung schreitet auch in Zukunft langsam voran: Zwar wollen 80 Prozent der Unternehmen aller Größenklassen Cloud-Anwendungen/Services spätestens in zwei Jahren ins Single Sign On integriert haben, doch soll gleichzeitig die Zahl der so zugänglichen Applikationen “nur” von heute 38 auf dann 54 Prozent steigen.
Web-Applikationen bleiben (noch) draußen
Das lässt den Schluss zu, dass Unternehmen, selbst wenn sie Webdienste in ihren einheitlichen Zugang integrieren, wählerisch dahingehend sind, welche Apps sie einbeziehen. Dahinter könnten Sicherheitserwägungen stehen oder schlicht der Wunsch, bestimmte Erscheinungen der Schatten-IT, wie etwa massenweise WhatsApp- oder Dropbox-Nutzung, endlich zurückzustutzen.
Wie man vermuten sollte, sehen die Befragten die wichtigsten Vorteile eines vereinheitlichten Managements der digitalen Arbeitsplätze, egal, welche Geräte genutzt werden, in einer einfacheren Administration. Je 45 Prozent erwarten Vereinfachungen bei Helpdesk und Support sowie vereinfachtes Zugriffs- und Nutzungsmanagement. Als weitere Vorteile nennen die Befragten Kostensenkung (41 Prozent), weniger Komplexität, mehr Compliance und Sicherheit sowie besseres Lizenzmanagement ( je 39 Prozent). Gerade letzteres könnte erheblich dazu beitragen, dass Unternehmen ihre Ausgaben schmerzfrei eindämmen – laut Schulte werden in jedem zweiten Unternehmen Lizenzen verlängert, obwohl sie niemand mehr braucht.
Mit hierarchiefreien Strukturen und innovativen Arbeitskonzepten allerdings scheint ein digitaler Workplace weniger zu tun zu haben als gemeinhin angenommen. Wie oben beschrieben, zeigen sich zwischen den Unternehmensgrößen auf mittlere Sicht kaum signifikante Unterschiede in der Verbreitung moderner digitaler Workplaces. Dadurch werden flexiblere Arbeitszeitkonzepte möglich. Die Arbeitszeit flexibilisieren laut Umfrage Unternehmen aller Größen, wobei der Mittelstand bis 1000 Mitarbeiter beim Einsatz von Vertrauenszeitkonzepten mit 60 Prozent derzeit einen nicht überwältigend großen Vorsprung von vier Prozent vor den kleineren Unternehmen hat.
In Großunternehmen allerdings herrschen, digitaler Workplace hin oder her, weiterhin steile Hierarchien (69 Prozent, Mittelstand: 35 Prozent) und eine konservative Unternehmenskultur (50 Prozent, Mittelstand: 36 Prozent). Die immer wieder geäußerte Vision, dass neue Arbeitsplatzkonzepte quasi automatisch verkrustete Strukturen im Konzern aufbrechen, lässt sich auf dieser Basis jedenfalls nicht bestätigen. Oder ganz banal: Aus dem Sachbearbeiter wird auch durchs Smartphone mit Single Sign On kein Mitarbeiter mit den Kompetenzen eines Abteilungsleiters.