Start-up-Verband fordert Abschaffung des Leistungsschutzrechts
Der Bundesverband Deutsche Startups erklärt das Leistungsschutzrecht “offiziell” für gescheitert. Der Gesetzgeber habe alle damit angestrebten Ziele deutlich verfehlt. Das Gesetz sei lediglich ein “hervorragendes Beispiel dafür, wie Gesetzgebung nicht funktioniert.”
Das 2013 verabschiedete Leistungsschutzrecht, nach dem für das Verweisen auf Presseartikel im Internet Lizenzgebühren zu zahlen sind, stellt für Start-ups eine erhebliche Beschränkung ihrer Tätigkeit dar, torpediert teilweise neue Geschäftsmodelle und ist nach Ansicht des Bundesverband Deutsche Startups e.V. eine Gefahr für Wachstum und Innovation in Deutschland: “Mit dem Leistungsschutzrecht kann niemand arbeiten. Es dient weder den Verlagen noch den Start-ups. Es dient lediglich als hervorragendes Beispiel dafür, wie Gesetzgebung nicht funktioniert”, erklärt Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V., in einer Pressemitteilung.
Der Verband greift in seiner Kritik einen Artikel des Wochenblattes “Die Zeit” auf, in dem über den Rechtsstreit zwischen dem Start-up Ubermetrics und der Süddeutschen Zeitung berichtet wird. UberMetrics bietet den Medienbeobachtungsdienst Delta an. Dessen zahlende Kunden erhalten einen Überblick, wer über für sie relevante Themen berichtet und was berichtet wird. Das lässt sich zum Beispiel von Firmen nutzen, um den Erfolg eigener PR-Maßnahmen einzuschätzen. Teil der Berichte sind auch Verweise auf Online publizierte Artikel und kurze Textausschnitte, sogenannte “Snippets” davon. Wie lang diese sein dürfen, ist vom Gesetzgeber nicht festgelegt worden und nun Inhalt des Streits.
Das Gesetz sollte den in der VG Media organisierten Verlagen einen Ausgleich für die Nutzung ihrer Inhalte durch Google schaffen. Sie verlangten 6 Prozent von Googles Sucheinnahmen in Deutschland beziehungsweise 270 Millionen Euro. Da sich die Regelungen auch auf andere Suchmaschinenbetreiber beziehen, haben die teilweise (Telekom, Web.de und GmX.de) 2014 Verlagsseiten aus ihren Suchmaschinen verbannt.
Bekommen haben die Verlage aufgrund des Gesetzes bislang Einnahmen in Höhe von 714.540 Euro. Allerdings stammt nichts davon von Google. Der US-Konzern lehnt eine Vergütung ab. 2014 erteilten zahlreiche Verlage ihm dann eine Einwilligung zur Gratisnutzung. Hätten die Verlage nicht in die Gratisnutzung eingewilligt, wären von ihren Publikationen in der Google-Suche keine Snippets mehr angezeigt worden, sondern nur ein Link zum Artikel sowie die Überschrift. Diese “deutliche Reduzierung der Textdarstellung und die Auslistung von Bilder-Darstellungen auf allen Google-Suchdiensten setzt die Presseverleger einem erheblichen wirtschaftlichen Druck aus”, kritisierte die VG Media damals.
Sie schimpften: “Der Umgang Googles mit den VG Media Presseverlegern läuft der erklärten Absicht des Gesetzgebers bei der Einführung des Presseleistungsschutzrechts zuwider, wonach ein Ausgleich geschaffen werden sollte für die Übernahme der verlegerischen Leistungen durch Betreiber von Suchmaschinen.” Das Kartellamt konnte einen von der VG Media behaupteten Verstoß von Google gegen das Gesetz allerdings nicht erkennen. Ein anschließendes Schiedsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt scheiterte im vergangenen Jahr. Danach erklärten sich beide Parteien zum Sieger und Google lehnte eine Vergütung der sogenannten Snippets weiterhin ab. Die will die VG Media nun mit einer im Januar eingereichten Zivilklage erzwingen.
Die Auseinandersetzung mit dem Suchmaschinenanbieter hat die Verlage bislang 3,3 Millionen Euro gekostet, berichtet “Die Zeit“. Verbandsvorsitzender Nöll erklärt, dass sich die Rechtskosten der Start-up- und Digitalwirtschaft seiner Ansicht nach “in ähnlichen Dimensionen bewegen”. Nöll weiter: “Es ist, als hätten wir damals in die Zukunft geblickt, als wir uns lautstark gegen die Einführung des Leistungsschutzrecht gewehrt haben. Unsere damaligen Befürchtungen sind heute allesamt in Erfüllung gegangen und es hat Presseverleger nicht im Geringsten weitergebracht.”
Die Pläne der Europäischen Kommission, das deutsche Leistungsschutzrecht bei der Ausgestaltung eines europäischen Leistungsschutzrechts zum Vorbild zu nehmen, beunruhige das europäische Start-up-Ökosystem. Der Start-up-Verband schließt sich daher der ebenfalls heute veröffentlichten Forderung des digitalpolitischen Vereins cnetz e.V. nach Streichung des Leistungsschutzrecht noch in dieser Legislaturperiode an. Zudem müssten die Überlegungen für ein europäisches Leistungsschutzrecht sofort eingestellt werden, “um langfristigen Schaden vom europäischen Start-up-Ökosystem abzuwenden.”
Bereits im März vergangenen Jahres hatte der eco-Verband ebenfalls die Abschaffung des Leistungschutzrechts gefordert. Anlass war damals einer Anhörung im Bundestag zum Thema. Laut Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht beim eco, widerspricht das Leistungsschutzrecht der Grundidee des freien Informationsaustauschs im Internet und bringt auch wirtschaftlich für alle Beteiligten nur Nachteile mit sich. “Das Leistungsschutzrecht wirkt sich vor allem investitions- und innovationshemmend auf neue Geschäftsmodelle und Start-ups aus”, so Süme.
Die Regelung habe sich als „nicht zielführend“ erwiesen. “Wir brauchen kein Refinanzierungsmodell für eine Branche, die die Folgen der Digitalisierung zu spät erkannt hat. Wir brauchen eine Debatte um ein modernes und an die Gegebenheiten der digitalen Welt angepasstes europäisches Urheberrecht, das einen sachgerechten Ausgleich der Interessen von Urhebern, Kreativen, Rechteverwertern, Nutzern und den Unternehmen der Internetbranche schafft“, erklärte der Verbandssprecher. In einem Positionspapier (PDF) begründet der Verband seine Forderungen ausführlich.
Das 2013 verabschiedete Leistungsschutzrecht, nimmt – entgegen der ursprünglichen Fassung – “einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte” aus. Sie bleiben damit lizenzfrei. Um genau diese “Snippets” ging es aber eigentlich bei dem Gesetz. Denn längere oder komplette Texte sind ohnehin durch das Urheberrecht geschützt. Viele Online-Portale wie Focus Online, Handelsblatt.com, FAZ.net, Spiegel Online, Stern.de und Sueddeutsche.de haben sich der Beschwerde der VG Media nicht angeschlossen. Die NetMediaEurope Deutschland GmbH, die unter anderem die IT-Magazine silicon.de, ZDNet.de, ITespresso.de, und Übergizmo.de betreibt, wird von der VG Media ebenfalls nicht vertreten.