Für IBM ist IoT so wichtig, dass das Thema zu einem von sechs Kerngeschäftsfeldern erklärt wurde. Daten aus dem Netzwerk-Edge zu erfassen und auszuwerten, ist für Big Blue an sich nichts Neues.
“Wir transportieren seit 20 Jahren Daten aus Geräten in der Periphere übers Web ins Rechenzentrum”, erklärt Steffen Hartmaier, Architect Internet of Things im Bereich Watson IoT. 2008 wurde das Prinzip der “vernetzten Welt” im Firmenmotto “Smarter Planet – Interconnected, Instrumented, Intelligent” verkörpert.
2015 gründete IBM die Geschäftseinheit IoT, die ihren Hauptstandort in München hat. Das Unternehmen will in den nächsten Jahren drei Milliarden Dollar in das Geschäft mit dem kognitiven Computing und IoT stecken.
München wurde gewählt, weil dort mit den großen Automobilherstellern viele traditionelle Kunden von IBM ihren Sitz haben und Deutschland sich um eine Führungsposition bei intelligent vernetzten industriellen Anlagen und vernetzter Produktion – Industrie 4.0 – bemüht. Dabei kommt man nämlich um IoT kaum herum.
Um für den eigenen Erfolg beste Voraussetzungen zu schaffen, kauft IBM inzwischen auch Firmen hinzu, die man vor einigen Jahren schwerlich im Portfolio eines IT- und Softwarespezialisten vermutet hätte, beispielsweise The Weather Company, eine Wetterprognoseplattform mit 26 Milliarden Anfragen täglich.
Preisangaben machte IBM nicht, doch dürfte sich die Summe im Milliardenbereich bewegen. “Genaue Wetterprognosen spielen bei vielen Anwendungen eine wichtige Rolle, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Verkehr”, sagt Hartmaier.
Auch bei den Partnerschaften, die ja im IoT-Feld sehr wichtig sind, hält sich IBM jede Option offen. “Wir sehen uns auch auf der Berliner Startup-Szene um”, sagt Hartmaier. Auf der Partnerliste befinden sich derzeit Firmen wie Chiphersteller ARM, TI der TK-Provider AT&T, der Netzwerkausrüster Cisco, der beispielsweise Edge Gateways und die IoT-Serviceplattform Jasper liefert. Auch Esri, Spezialist für geospatiale Informationen, also digitale Landkarten und deren Verarbeitung, steht auf IBMs Partnerliste.
Im Industrie-4.0-Umfeld werden Projekte auch zusammen mit Hilscher realisiert, dessen Produkt netIoT Edge Geräte in Industrie-4.0-Umgebungen an die Cloud und Automatisierungsnetze anbindet.
Außerdem ist IBM in diversen Open-Source- und Standardisierungsgremien dabei. Bei OpenWhisk zum Beispiel, wo IBM viel aktiv beiträgt, geht es um Virtualisierung von Verarbeitungskapazitäten während der Laufzeit, also um Dienste, die sich mit Amazon Lambda vergleichen lassen.
Die Vertriebspartner-Landschaft wird so weiträumig wie möglich gestaltet. “Im Prinzip kann jeder IBM-Cloud-Partner unsere IoT-Services anbieten”, erklärt Hartmaier.
Für Einsteiger ist die Nutzung sogar kostenlos – bis zu 20 Endgeräte darf ein entsprechendes System umfassen. Ab 20 Geräte gibt es einen Monat freie Nutzung, dann müssen Anwender sich entscheiden.
Wer am Ende die Verantwortung für eine IoT-Lösung von IBM trägt, wird mit dem Kunden individuell vereinbart. Große Integratoren wie Cap Gemini oder Wipro können solche Umgebungen auch selbst betreiben, viele Kunden wollen allerdings, dass die Verantwortung bei IBM bleibt.
Abgerechnet wird im Basistarif nach übertragenem oder gespeichertem Datenvolumen. “Wir fanden das stringenter”, sagt Hartmaier. “Sonst muss man entscheiden, ob einen Schaufelradbagger mit zig Sensoren genauso behandelt werden soll wie ein einzelnes Thermostat irgendwo im Fabrikgebäude – nämlich als ein Gerät.”
Allerdings ist dies nur der Preis für Anbindung und Informationsmanagement. Wer Analytics, Risikomanagement und weitere Anwendungen nutzt, zahlt zusätzlich Geld. Bei kognitiven Analysediensten á la Watson werden beispielsweise API-Calls abgerechnet.
Als Kunden für die IoT-Lösungen und –Services peilt IBM grundsätzlich Unternehmen aller Größen an. Technisch versierte Kunden können sich selbst ihre Module zusammenstricken, wer weniger Know-how im Haus hat, bekommt auch eine branchenspezifische Gesamtlösung, die nach dem “Prinzip Fertighaus”, wie es Hartmaier umschreibt, funktioniert.
Für einige Branchen gibt es bereits vorintegrierte Lösungen, beispielsweise für die Elektronikindustrie (weiße und braune Ware), für Connected-Car-Anwendungen und bald auch für Versicherungen, wo man zum Beispiel in den USA mit dem Unternehmen Wink zusammenarbeitet, das Wassersensoren, Rauchmelder und andere ähnliche Geräte herstellt.
Eine andere Lösung befasst sich mit Gebäudemanagement. “Wir haben uns zur Paketierung entschlossen, weil wir festgestellt haben, dass beim Zusammenstellen industriespezifischer Lösungen doch häufig die gleichen Module zusammengeschnürt wurden”, berichtet Hartmaier.
Die IoT-Dienste von IBM laufen auf einer über 40 Rechenzentren verteilten Cloud-Infrastruktur. Darübergelegt ist Bluemix, ein Marktplatz für Cloud-Services aller Art, auf dem auch IoT-Dienste angeboten werden. Zur IoT-Plattform im engeren Sinne gehören vier Module: Connect, Information Management, Analytics und Risikomanagement.
Grundlegend ist das Connect-Modul, das die Edge-Systeme oder –Gateways mit der IoT-Plattform über Protokolle wie etwa MQTT oder HTTPS anbindet, die Daten einsammelt und organisiert, die Geräte verwaltet, Sicherheitsdienste für die Verbindungen bereitstellt und die angebundenen Geräte visualisiert. Möglicherweise müssen auf den Edge-Gateways, die mit dem Kernsystem in Verbindung stehen, Agenten installiert werden.
Die Gateways von Partner Cisco etwa funktioniert mit einem Agenten für Filterregeln, andere Gateway-Lieferanten haben andere Lösungen ins Gateway eingebaut.
Die Zahl der verwaltbaren Geräte ist potentiell unbegrenzt. Das Device Management übernimmt Aufgaben wie Firmware-Updates, das Registrieren oder Rücksetzen von Endgeräten. Kommuniziert wird über TLS-gesicherte Verbindungen. Zwei-Faktor-Authentisierung ist möglich, aber kein Standard. Für das Schlüsselmanagement müssen Kunden entweder ein Drittprodukt verwenden oder die Aufgabe manuell lösen.
Beim Informationsmanagement geht um die Auswahl des jeweiligen Speicherorts, die Verwaltung der vorhandenen Metadaten, die Durchsicht und eventuelle Transformation strukturierter sowie die Verwaltung unstrukturierter Daten und schließlich um das Erstellen von Reports, bei denen der Inhalt der Daten in Dashboards visualisiert wird.
Im Analytik-Modul werden verschiedene Analyseverfahren verwendet. Möglich sind Analysen von einströmenden Echtzeitdaten mit Real Time Insight, unter dem heute das Open-Source-Produkt Sparc liegt. Für Prognosen wird SPSS verwendet. Kognitive Analysen, deren Einsatz auf eigenständige, algorithmische Entscheidungen zielt, übernimmt Watson.
Dazu kommt ein Modul für Risikomanagement, das allerdings noch nicht vollständig implementiert ist. Es umfasst Funktionen wie Blockchain, einen Verkettungsmechanismus zwischen verschlüsselten Transaktionen, der spätere Änderungen oder Löschungen ausschließt, sowie Firmware-Updates. Dazu kommen später ein Algorithmus zur Feststellung von Anomalien und einer für proaktiven Schutz.
Das Schutzmodul wird auf eine heute im RZ-Bereich verbreitete Lösung, QRadar, aufbauen. Sie berechnet aus den gespeicherten Daten ein regelmäßiges Verhalten und gibt Alarm, sobald sich dieses Normalverhalten ändert. Über dieser Plattformarchitektur liegen die Branchenlösungen oder Applikationen von Drittherstellern.
Um Kundenbeispiele ist IBM nicht verlegen. Das Unternehmen reklamiert für sich, schon 3000 IoT-Projekte durchgeführt zu haben beziehungsweise durchzuführen. Auf der Kundenliste steht beispielsweise Siemens Building Technologies. IBM trägt Asset Management und Analytics zur Siemens Navigator-Plattform bei, die im Gebäudemanagement angewandt wird.
Für den Aufzughersteller Kone verwaltet Watson IoT tausende Aufzüge und andere Geräte weltweit. Weitere illustre Namen auf der Kundenliste: die Stadt Peking, diverse nationale Energienetzbetreiber oder der Online-Kursanbieter Coursera.
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