IoT-Strategien: Software AG fokussiert sich auf Event-Verarbeitung
Mit der Software AG beansprucht einer der wenigen weltweit aktiven und etablierten hiesigen Software-Player einen Anteil am IoT-Markt. Die Komponenten wurden hauptsächlich zugekauft und mit vorhandenem Prozess-Know-how integriert. silicon.de gibt einen Überblick.
Der Einstieg in den IoT-Markt begann bei der Software AG vor rund zwei Jahren mit Überlegungen zu einer möglichen Strategie und Märkten beziehungsweise Anwendungsfeldern, auf denen man wahrscheinlich punkten könnte, weil dort bereits etablierte Kundenbeziehungen und –lösungen bestanden. “Wir haben damals vier Felder definiert: vorbeugende Wartung, personalisiertes Marketing, intelligente Logistik und Industrie 4.0“, sagt Dr. Jürgen Krämer, Vice President Product Strategy und Product Management IoT und Streaming Analytics bei dem Unternehmen.
Auf allen Sektoren gab es Kunden, wenn auch nicht immer aus dem deutschen Markt. Man hatte also Erfahrungen und wusste, wie eine neuartige IoT-Lösung die dort implementierten Lösungen würde erweitern oder verbessern können. Beispiele sind der Kompressorenhersteller Atlas-Copco, der sein Wartungsmanagement mit Hilfe der Software AG abwickelte, Royal Dirkzwager, zuständig fürs Logistikmanagement im Hafen von Rotterdam oder einige Firmen in den USA, die Smart-Metering-Lösungen für das Energiemanagement verwenden.
Diese Applikationen sollen nun auf allgemeinere Anwendungsgebiete ausgedehnt werden. Auch die Luftfahrtindustrie ist ein interessantes Kundensegment: Auf der Cebit 2016 präsentierte die Software AG zusammen mit T-Systems eine Lösung, bei der Fluggäste je nachdem, ob sie verspätet oder zu früh am Airport auflaufen, entweder einen Gutschein für die beschleunigte Abfertigung oder für Läden am Airport auf´s Smartphone geschickt bekommen.
Nun musste noch das richtige Produktportfolio her, um den neuen Markt zu adressieren. Im Lauf der Zeit und teilweise noch bevor der IoT-Markt konkret ins Auge gefasst wurde, kaufte sich die Software AG Schritt für Schritt alles zusammen, was für eine IoT-Komplettlösung mit angegliederter Analytik und Echtzeit-Integration in Geschäftsprozesse notwendig ist:
- 2012 erwarb der Hersteller den Unified-Messaging-Anbieter My Channels.
- 2013 kaufte die Software AG Terracotta, einen Spezialisten für die analytische Bearbeitung von ruhenden Daten (Data at rest). Sie dient heute in der IoT-Plattform der Software AG als In-Memory-Datenstore.
- Ebenfalls 2013 übernahm der Softwarespezialist Apama, eine Firma, die eine Lösung für die Verarbeitung und Analyse von Echtzeit-Streaming-Daten entwickelt hatte und die heute im Kern der IoT-Plattform der Software AG steht.
Schließlich suchte man sich noch für einige Funktionen OEM-Partner, so für das Thema datenbasierende Prognosen (Predictive Analytics) oder Anbindung und Management von Sensoren. Bei letzterem entschied sich die Software AG für Cumulocity und Pepperl + Fuchs. Die erstgenannte Firma ist spezialisiert auf das Management von IoT-Devices außerhalb von Produktionsumgebungen, letztere übernimmt dieselbe Aufgabe innerhalb der Produktionslandschaft.
Die IoT-Lösungen wurden zu einer Plattform integriert und Verbindungen zu anderen Modulen der Digital-Business-Platform der Software AG geöffnet. Krämer: “Die Stärke dieser Plattform ist, dass sie Anwendern erlaubt, sehr schnell neue Applikationen und Prozesse zu entwickeln und sich so zu differenzieren.” Viele Firmen seien heute auf der Suche nach neuen, digitalen Geschäftsmodellen, wüssten aber nicht wirklich, wie sie es anstellen sollten, sondern wären darauf angewiesen, mit Versuch und Irrtum zu arbeiten. Krämer: “Deshalb sind hier Schnelligkeit und Flexibilität besonders wichtig.”
Schrittweiser Einstieg möglich
Kunden können schrittweise in die Arbeit mit der Digital Business Platform der Software AG und deren IoT-Ausprägung, IoT Foundation, einsteigen. Krämer: “Oft wollen sie zuerst nur die Sensoren anbinden und Daten erfassen, danach diese Daten analysieren und mit anderen Daten und Geschäftsprozessen verbinden und so weiter.”
IoT Foundation wird in drei Varianten angeboten, wobei noch vieles im Fluss ist. Das Pricing zum Beispiel. Angedacht ist zur Preisberechnung eine Kombination der Kriterien “Zahl der angebunden Geräte” und “Volumen der übertragenen Daten”. Details liegen noch nicht fest.
Klar ist dagegen, dass es eine Basis- und zwei Erweiterungsvarianten geben wird. Die Basisvariante soll zunächst Edge-Diensten zur Anbindung der untersten Ebene, zur Sofort-Vor-Ort-Analyse von Sensordaten (Edge Analytics) und einen einfachen Messaging-Service umfassen. Weiter gehören zur Basisausgabe die Datensammlung sowie Analyse, Logik und Prozessintegration auf IoT-Ebene. Die Integration in die Unternehmensanwendungen und -Dienste wird bereits zu einem erweiterten Paket gehören.
Das Programmieren unternehmensspezifischer Applikationen ist von der Software AG nur als zusätzliche Beratungsleistung zu haben. mit der Produktion und Installation von Hardware möchte sich der Softwarespezialist nicht befassen. Als besondere Stärke hebt Krämer die Streaming-Analysen im Allgemeinen und deren Integration mit der Digital-Business-Platform im Besonderen hervor. “Die Digital Business Platform ist von Anfang an Event-orientiert ausgelegt, sie kann also schon durch ihre Architektur bestens mit Ereignissen umgehen.”
Das bedeute, dass sämtliche Module der Plattform Events empfangen und versenden können. Dazu komme die für IoT wichtige und im Streaming-Analyse-Modul ausgeprägte Fähigkeit, bekannte Muster zu erkennen: Die auf dem Apama-Produkt basierende Echtzeitanalytik von IoT Foundation lässt sich mit bereits bekannten Mustern, etwa typischer Störungen, füttern, die dann in den hereinströmenden Datenstreams zuverlässig identifiziert werden.
Eine weitere Komponente für die Batch-Verarbeitung kann durch Offline-Datenanalyse jederzeit neue Muster generieren. Diese kann wiederum das Modul für die Echtzeit-Streaminganalyse mit Hilfe der Production Model Markup Language laden und sofort verwenden. Durch die Verbindung mit auf WebMethods beruhenden Modulen für Prozessautomatisierung ist es möglich, bei auffälligen Situationen sofort und automatisch vordefinierte Prozesse anzustoßen. Auch das Modellieren neuer Prozesse mit dem ARIS-Toolset kann auf solchen Analyseergebnissen aufbauen. “Dafür müssen allerdings Menschen aktiv werden”, betont Krämer.
Fokus Event-Verarbeitung
Wegen der Event-Ausrichtung der gesamten Digital-Business-Platform und der Eventorientierung der Streaming-Analytik von Apama sind Prozessketten wie die folgende denkbar: Ein Servicetechniker, der mit einem mobilen Endgerät mit der entsprechenden App ausgerüstet ist und der vom System über einen Bauteilfehler informiert wurde, kreuzt in der App an, dass das Bauteil ausgewechselt wurde. Apama erkennt das als Event und schickt das Event weiter an das Dashboard, wo das Kontrollfeld für dieses Bauteil rot leuchtet. Das Dashboard erkennt das ihm zugeschickte Event, schaltet das entsprechende Feld wieder grün und signalisiert somit auch dem Administrator, dass das Problem gelöst ist.
In Deutschland bietet die Software AG ihr IoT-Portfolio einerseits über Partner wie Cap Gemini oder den Dienstleister Wipro an. Weiter gibt es einen Direktvertrieb, und für vertikale Lösungen werden auch kleinere Partner mit spezifischem Branchen-Know-how eingebunden. Der Support obliegt der Software AG, befasst sich aber nicht mit IoT im Allgemeinen, sondern beispielsweise mit dem Thema Messaging oder anderen Spezialthemen.
Dazu, welchen Umsatzanteil IoT bei der Software AG erwirtschaften soll, möchte sich Krämer nicht äußern. Aber er betont: „Das ist für uns auf jeden Fall ein strategisch wichtiges Feld.”