Atos und Siemens arbeiten bei IoT intensiv zusammen
Der Integrator Atos blickt bei IoT bereits auf eine lange Geschichte zurück. Gemeinsam mit Siemens ist man seit sieben Jahren mit dem Thema beschäftigt. Heute ist IoT für Atos im Rahmen des Geschäftsfeldes Digitale Transformation ein Teil des Kern-Business.
Als sich Siemens vor einigen Jahren darüber Gedanken machte, wie es gelingen könnte, die Kernspin-Geräte des Siemens-Bereichs Healthcare aus den Hintergrund übers Web möglichst weitgehend automatisiert zu überwachen, schlug die Geburtsstunde des IoT-Engagements von Atos und Siemens. Wie bei den derzeit publizierten Projekten aus dem Bereich Predictive Maintenance ging es um Fehlerdiagnose, Fehlerbeseitigung, das Aufspielen von Updates und allgemeine Überwachung. Als Lösung für diese Aufgabe entstand die Common Remote Service Platform, die vor rund zwei Jahren in Core Communication Platform umbenannt wurde und inzwischen unter dem Namen Industrial IoT Platform angeboten wird.
Den gemeinsamen Anstrengungen kam zugute, dass Atos Origin das Siemens-Tochterunternehmen SIS (Siemens IT Solutions and Services), vorher unter dem Namen SBS (Siemens Business Services) am Markt, übernommen hatte. Sowohl Siemens als auch Atos Origin investierten im Rahmen des Aufkaufs 50 Millionen Euro in einen Innovationstopf, der 2015 um weitere 50 Millionen Euro aufgestockt wurde. Aus diesem Kapital floss auch ein zweistelliger Millionenbetrag an die Core Communication Platform, die, wie oben dargestellt, später zur Industrial IT Platform wurde.
Bei der Entwicklung der Plattform hat sich Atos vor allem auf die Technologien fokussiert, mit denen Daten zusammengebracht und so vorbereitet werden, dass sie anschließend in die analytischen Tools einfließen. Die Analytik selbst lässt Atos in der IoT-Plattform außen vor, genau wie die Sensortechnik, obwohl das Unternehmen mit Codex eine eigene Analysesoftware hat. Siemens nutzt diese heute unter dem Namen Sinalytics.
Kunden sollen frei bleiben, hier auf Wunsch auch andere Lösungen zu implementieren. “Im Grunde ist unsere Plattform eine reine Datendrehscheibe. Die Intelligenz bietet unsere Analytics Plattform Atos Codex”, sagt Ulrich Ahle, der bei Atos Deutschland unter anderem für das Thema Industrie 4.0 zuständig ist.
Das heißt im Detail, dass die Plattform mittels geeigneter Software-Agenten, die Atos als Service Agent bezeichnet, die Daten aus den Sensoren ausliest. Gegebenenfalls werden sie mittels oberhalb der Ebene der Cyber-physikalischen Systeme installierter Edge-Gateways gefiltert oder vorverarbeitet und dann an die nächsthöhere Ebene weiterreicht. Die Gateways für diesen Zweck bezieht Atos von marktgängigen Zulieferern, deren Namen nicht verraten werden. Ob ein Service Agent erforderlich ist, entscheidet die Schnittstellenausstattung des zu überwachenden Geräts.
Ein gängiger Schnittstellenstandard, der solche Agenten überflüssig macht, ist etwa OPC-OA. Er kann die Daten ohne Agent an die nächst höhere Systemebene weitergeben. Reicht ein Service Agent nicht, beispielsweise, weil es sich um sehr alte Einrichtungen ohne jede Intelligenz handelt, implementiert Atos auch kundenspezifische Lösungen. Sie bestehen aus Hard- und Software, etwa einem industrietauglichen Kleincomputer ähnlich dem Raspberry Pie mit entsprechender Software.
Die Daten der Endgeräte wie etwa Events, werden geloggt, dann mit Daten aus betrieblichen Kernapplikationen, sozialen Medien, geografischen Informationssystemen und anderen Quellen angereichert und schließlich analysiert. Bei Wartungsthemen können zum Beispiel Wetterdaten eine große Rolle spielen.
Analyse gehört bei Atos nicht unmittelbar zur IoT-Plattform
Die Analyse spielt sich bereits außerhalb der eigentliche Industrial IoT Platform von Atos ab, gehört aber natürlich zum IoT-Gesamtsystem. Außerdem können umgekehrt auch aus den Analysen abgeleitete Aktionen zurück auf die Cyber-physikalischen Systeme fließen, um von ihnen ausgeführt zu werden. Zur Plattform gehören logischerweise Module für den Remote-Zugriff, Collaboration und sichere Datenübertragung.
Haben Kunden nicht bereits eigene Software implementiert, die zusätzlich gewünschte Daten erzeugt, freut sich Atos, wenn sie dafür Produkte des Integrators nutzen, beispielsweise das hauseigene Enterprise Social Network BlueKiwi oder die GIS-Lösung des Partners ESRI. Ahle geht davon aus, dass auch die Anbindung an 3D-Drucksysteme, Atos spricht hier von Additive Manufacturing, schon bald eine große Rolle spielen werde.
Abgerechnet wird die Nutzung der Industrial IoT Platform bei Atos flexibel. Meist sind Transaktionen die Basis der Preisberechnung, bezogen entweder auf die Zahl der angeschlossenen Maschinen oder das Datenvolumen: Handele es sich um eine Fülle von Sensoren, die nur selten kleine Datenmengen übertragen, empfehle sich das Modell “Datenvolumen”, habe der Kunde dagegen weniger Maschinen, aber mehr Daten zu übertragen, eher der Parameter “Maschinenzahl” als Grundlage, erklärt Ahle.
Kunden, die sich dafür interessieren, ein IoT-Projekt mit Atos umzusetzen, bietet Atos als Einstieg einen zweitägigen Workshop an, der 25.000 Euro kostet und neben den beiden Arbeitstagen im Abstand von etwa zwei Wochen auch eine ausführliche Dokumentation umfasst. 10 bis 15 Mitarbeiter des Kunden können daran neben zwei bis vier Atos-Vertretern teilnehmen. Hier entstehen die potenziellen Anwendungsszenarien und erste Umsetzungspläne.
Durch Forschungsbeteiligung zu neuen Geschäftsmodellen
Letzten Endes sollen für die Kunden neue, intelligente und servicebetonte Geschäftsmodelle entstehen, sogenannte Smart Services. In einigen Bereichen könnten sie zukünftig das Produktgeschäft ablösen oder zumindest wesentlich ergänzen. Dabei ist die Phantasie von Kunde und Integrator gefordert, weshalb Atos beim Projekt Gemini (Gemeinschaftsinitiative zur Verbesserung von Wertschöpfung und Arbeitsfähigkeit) mitwirkt, einem Versuch, wissenschaftlich an der Entwicklung neuer Ideen für Geschäftsmodelle und eine übergreifende Vernetzung kleiner und mittlerer Unternehmen zu entwickeln, die dann analog zu den integrierten Produktionssystemen der Großindustrie funktionieren soll.
Auch in andere übergreifende Forschungsprojekte ist Atos eng eingebunden. So gehört das Unternehmen zur übergreifenden Industrie-4.0-Plattform. Unter Federführung des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) arbeitet Atos an der Entwicklung eines sicheren Industrial Data Space. Damit sollen wichtige Daten auch IoT-Plattform-übergreifend zwischen Unternehmen ausgetauscht werden können.
Ein wichtiges Thema ist in diesem Zusammenhang Datensouveränität. Technologien für DRM (Digital Rights Management) fügt Daten Informationen darüber hinzugefügt, wer mit welchen Rechten auf sie zugreifen darf. Im professionellen Bereich, so Ahle, hätten alle Beteiligten daran Interesse, den Datenzugriff so zu regeln. Mit der Universität Wien entsteht gerade eine Industrie-4.0-Modellfabrik, deren IT-Ausstattung mit IoT Atos übernimmt.
In der Scientific Community teilen 120 Atos-Mitarbeiter ihre Arbeitszeit jeweils zur Hälfte zwischen wissenschaftlichen und kommerziellen Aktivitäten, um Atos bei solchen innovativen Projekten voranzubringen. Dabei hilft sicher auch, dass Atos schon viel Erfahrung gesammelt hat. Die Atos-Plattform wird vielerorts von der Industrie genutzt. Sie verwaltet bereits rund 1,5 Millionen Geräte, davon 300.000 von Siemens.
Auch B/S/H (Bosch Siemens Hausgeräte) verwendet sie, hat allerdings inzwischen zusätzlich die eigene Bosch IoT-Plattform entwickelt. Michelin baut seine Servicekonzept der sensorgestützten Reifenwartung auf Atos` Lösung auf, und auch Renaults Service Airlink ist mit Atos-Technologie unterlegt – der Autohersteller stattet seine Fahrzeuge inzwischen mit TomTom-Navigationsgeräten, Kommunikationstechnik und zusätzlichen Apps aus.