In einer Rede zur Lage der Europäischen Union hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestern auch Vorschläge für eine Neuordnung des Urheberrechts vorgelegt. Die Kommission will damit die “kulturelle Vielfalt in Europa und die Verfügbarkeit von Inhalten über das Internet” fördern. Als Mittel dazu ist ein europäisches Leistungsschutzrecht vorgesehen. Mit ihm sollen Verleger Filmproduzenten und Tonträgerhersteller gleichgestellt werden.
“Die Verleger werden nun zum ersten Mal rechtlich als Rechteinhaber anerkannt und so besser in der Lage sein, über die Verwendung ihrer Inhalte mit Online-Diensten zu verhandeln, die diese Inhalte nutzen oder Zugang zu ihnen gewähren”, erklärt die EU-Kommission in einer Pressemitteilung an. “Dieses Konzept liefert allen Akteuren einen klaren Rechtsrahmen für die Lizenzierung von Inhalten für die digitale Nutzung und unterstützt die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle zum Nutzen der Verbraucher.”
Dieses europäische Leistungsschutzrecht soll laut EU für Verleger durch den Übergang von gedruckten zu digitalen Medien entstandene Einnahmeverluste ausgleichen. Außerdem soll es Nachteile bei der Lizenzierung und der Durchsetzung der Rechte an digitalen Veröffentlichungen beseitigen. Dazu sollen beispielsweise Suchmaschinen oder andere Websites, die bei der Verlinkung auf journalistische Texte auch kurze Textausschnitte (sogenannte Snippets) anzeigen, diese lizenzieren und die Verleger dafür vergüten.
Ähnliche Pläne in Deutschland hatten dazu geführt, dass Google diese nur noch anzeigen wollte, wenn es die Genehmigung dazu erhielt, das kostenfrei zu tun. Dem stimmten die Verleger schließlich zu, weil sie fürchteten, ansonsten Leser und deutlich höhere Einnahmen zu verlieren.
Der Bitkom stuft das als “kontraproduktiv und innovationsfeindlich” ein. Durch die Gleichstellung mit Herausgebern von Filmen und Musik verlängere sich zudem die Schutzdauer für journalistische Texte von derzeit einem Jahr auf 20 Jahre. Und selbst das Erfassen frei verfügbarer Textn für den Index einer Suchmaschine würde eine lizenzieren Kopie voraussetzen. “Es besteht die Gefahr, dass Suchmaschinen journalistische Texte aus ihrer Suche komplett entfernen. Das Web würde ärmer”, warnt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Der Verband fordert daher, diese Punkte im Rahmen der Beratungen des EU-Parlaments zu korrigieren.
Auch der eco Verband der Internetwirtschaft äußert am derzeitigen Entwurf scharfe Kritik. Angesichts der technologischen Entwicklung sei eine Reform des europäische Urheberrecht zwar erforderlich, die EU-Kommission habe aber die Chance verpasst, einen zukunftstauglichen Entwurf vorzulegen: “Das neue Urheberrecht verfehlt seinen Sinn und Zweck. Es soll Schutzlücken schließen, die nicht existieren und Probleme lösen, die Rechteinhaber durch ihre träge Reaktion auf die digitale Revolution selbst verursacht haben”, so Oliver Süme, Eco-Vorstand für den Bereich Politik und Recht.
Laut Süme hat sich das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Deutschland in den vergangenen drei Jahren nicht bewährt. Daher sei es unverständlich, warum die Regelungen trotzdem nun für ganz Europa übernommen werden sollen. Aufgrund der Erfahrungen in Deutschland befürchtet Süme zudem eine “dauerhafte massive Rechtsunsicherheit”.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sehen das naturgemäß anders, würden ihre Mitgliedsunternehmen doch von den Regelungen profitieren. In einer gemeinsamen Presseerklärung der beiden Verbände heißt es: “Die geplante Einführung eines europäischen Verlegerrechts ist ein historisch wichtiger und notwendiger Schritt, die Pressevielfalt als wesentliche Grundlage für freie Meinungsbildung und Demokratie auch in der digitalen Welt zu gewährleisten.”
Weiter wird dort erklärt: “Die EU-Kommission trägt mit ihrem Vorschlag der unbefriedigenden Situation Rechnung, dass die Presseverlage mit der Herstellung qualitätsvoller Inhalte zum wirtschaftlichen Erfolg zahlreicher Online-Plattformen einen wesentlichen Beitrag leisten, ohne jedoch an der hierdurch entstehenden Wertschöpfung angemessen zu partizipieren. Die EU-Kommission liegt richtig mit ihrer Einschätzung, dass es bald keine privatwirtschaftlich finanzierte freie Presse in der heutigen Vielfalt mehr geben wird, wenn diejenigen, die am Beginn der Wertschöpfungskette stehen, mangels Rechtsgrundlage nicht in der Lage sind, angemessen von der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Inhalte durch Dritte zu profitieren.”
In Deutschland beschäftigen sich aktuell die Gerichte mit dem vor drei Jahren eingeführten Leistungsschutzrecht. Von der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt konnte im vergangenen Jahr der Streit um die Höhe der Vergütung beispielsweise für Auszüge, die Suchmaschinen in ihren Ergebnislisten neben den Links zu journalistischen Texten anzeigen, nicht beigelegt werden. Den von den Presseverlegern geforderten Tarif stufte die Schiedsstelle am Ende des Schiedsverfahrens als unangemessen hoch ein. Daraufhin reichte deren Vertretung, die VG Media, im Januar Zivilklage ein. Wann darüber entscheiden wird, ist noch nicht bekannt. Ob die EU im Rahmen der Urheberrechtsreform Vorgaben zur Höhe einer Vergütung machen wird oder ob die Beteiligten diesen Punkt in jedem Mitgliedstaat separat klären müssen, ist ebenfalls noch unklar.
Durch das in Deutschland 2013 verabschiedete Leistungsschutzrecht, sind “einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte” ausgenommen, die somit lizenzfrei bleiben. Um diese “Snippets” ging es aber bei dem Gesetz ursprünglich. Längere oder komplette Texte sind ja ohnehin durch das Urheberrecht geschützt. Online-Portale wie Focus Online, Handelsblatt.com, FAZ.net, Spiegel Online, Stern.de und Sueddeutsche.de hatten sich der Beschwerde der VG Media daher auch nicht angeschlossen. Die NetMediaEurope Deutschland GmbH, die unter anderem die IT-Magazine silicon.de, ZDNet.de, ITespresso.de, und Übergizmo.de betreibt, wird von der VG Media ebenfalls nicht vertreten.
[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]
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