IT-Branche: Angst vor China?
Hightech-Produkte aus China haben mit Imageproblemen zu kämpfen. Hightech-Produkte aus den USA gelten als Verkörperung des Digital Lifestyle. Manche Leute denken da ganz anders. silicon.de hat einen IT-Stammtisch belauscht.
Wenn Hightech-Fans unter sich sind, kann das Gesprächsniveau schon mal etwas sinken. Vor einigen Tagen saß ich mit zwei Freunden, nennen wir sie Ralf und Dieter, bei einem Bier beisammen. Wir alberten so dahin, vertrieben uns die Zeit mit schlechten Scherzen, der typische Herrenabend. Hat trotzdem Spaß gemacht.
Dieter will sich ein neues Smartphone kaufen und wollte einen Tipp haben. Es sollte nur kein Samsung sein. Beim ökologisch korrekten Fairtrade-Handy Fairphone war ihm die Wartezeit zu lang. Ich sagte: “Nimm´ doch ein Huawei, das Spitzenmodell P9 hat sogar eine Leica-Kamera drin.”
“Und die Hintertür zum chinesischen Geheimdienst ist auch schon eingebaut”, meinte Ralf. Aber das störte Dieter nicht. “Den chinesischen Geheimdienst muss man als Kunde unterstützen. Dann hat man ein Gegengewicht zum NSA der Amerikaner. Und die neutralisieren sich gegenseitig.”
Hartnäckige Anti-China-Klischees
Wir sprachen dann darüber, dass so ein Huawei-Smartphone technisch zwar sehr gut sei, aber vom Image her einfach nicht punkten könne. “Es gibt nicht hartnäckigeres als alte Klischees. Wenn China draufsteht, sind die Leute auch heute noch misstrauisch”, sagte Dieter.
Ralf erzählte dann eine kleine Geschichte. Es ging um einen deutschen Hightech-Hersteller, der – ich weiß nicht mehr wo – eine Solarzellen-Fabrik baute und viele chinesische Mitarbeiter hatte. Irgendwann merkte das Management, dass in nur zwei Kilometer Entfernung eine chinesische Fabrik entstand, die ebenfalls Solarzellen baute.
Die Mitarbeiter waren nach Arbeitsschluss einfach rüber gegangen und hatten beschrieben, was sie gesehen hatten. So konnten sie eine exakte Kopie der deutschen Hightech-Fertigung bauen. Eine dieser Geschichten, die immer auftauchen, wenn es um China geht. Und jetzt wollen die auch noch Osram kaufen.
Warum US-Produkte so beliebt sind
Wir kamen dann darauf, dass im Gegensatz zu China die Hightech-Produkte aus den USA hierzulande sehr beliebt seien. “Die Amis können uns verkaufen, was sie wollen. Wir Deutschen lieben es”, schimpfte Ralf. “Wenn es um IT geht, sind wir eine amerikanische Kolonie.”
“Yup, sehe ich auch so”, meinte Dieter. “Praktisch jedes IT-Ding und praktisch jede Software kommt aus den USA. Microsoft Word, PowerPoint, Excel, Intel-Prozessoren, Internet, E-Mail, Smartphones, Cloud Computing, alles aus den USA, und wir greifen begeistert zu.”
“Naja, so krass ist das auch wieder nicht”, versuchte ich gegenzuhalten, “viele Erfindungen sind ursprünglich aus Deutschland oder Europa. Denkt nur an MP3, das war der Karlheinz Brandenburg vom Fraunhofer Institut oder die erste Workstation, die war von Andreas von Bechtolsheim. Oder Tim Berners-Lee, ohne den gäbe es bis heute kein Internet …”
Ralf unterbrach mich: “Die Amerikaner haben es vielleicht nicht erfunden, aber sie haben es vermarktet. Das ist klassisches Kolonialisten-Verhalten. Nimm die Rohstoffe der Eingeborenen – in dem Fall ihre guten Ideen – mach` ein Produkt daraus und verkaufe es den Eingeborenen wieder.”
Dieter grinste: “Und dann mach ein zweites Produkt, das man nur nutzen kann, wenn man das erste Produkt hat und verkaufe es wieder. Unvergessen die Zeit, wo Intel, Microsoft, Seagate und Software-Hersteller wie Adobe sich gegenseitig gepusht haben. Microsoft brachte ein neues Windows, für das man einen neuen Prozessor brauchte. Also kauften die Leute einen neuen PC, damit ihr neues Windows läuft. Und dann gleich neue Software, mit neuen Features, die nur dieser Intel-Chip mit den neuen Multimedia-Befehlen berechnen kann.”
Dicke Profite, wenig Steuern
Ralf begann sich in Rage zu reden: “Und mit dem Steuer zahlen haben’s die Amis ja auch nicht so. 0,005 Prozent Steuern hat Apple bezahlt. Haben die das nötig?”
“Und trotzdem sind hunderttausende restlos begeistert vom neuen iPhone und grinsen beglückt, wenn sie so ein Ding für acht oder neunhundert Euro aus dem Laden schleppen,” sekundierte Dieter. “Die US-Hersteller sind so clever, dass sie sogar Rebellen wie Linus Torvalds am Ende gekauft haben. Linux war mal eine Gefahr für Microsoft und Co, das ist lange vorbei. Gegen die Business-Tricks der Amerikaner sind die Chinesen doch wahre Chorknaben.”
Wie schon eingangs angedeutet, das Niveau unserer Fachdiskussion begann bedenklich zu sinken.
“Und die NSA haben die auch nicht wegen der Terrorbekämpfung, Terrorbekämpfung ist nur ein Nebenprodukt. Die haben die NSA wegen der Wirtschaftsspionage. Da können die Europäer erfinden, was die wollen, sobald einer das irgendwo in eine E-Mail schreibt oder mit einem Android-Smartphone durchtelefoniert, wissen die Amis Bescheid.”
Hightech und Lebensgefühl
Ich versuchte, auch etwas Schlaues beizutragen und wies darauf hin, dass die Hightech-Produkte unser Alltagsleben und unser Denken prägen und damit eine ideologische Komponente haben. “Powerpoint hat die Welt der Informationsvermittlung über Jahrzehnte geprägt. Früher musste man sich in Texte vertiefen oder auf Vorträge konzentrieren, heute kriegen wir einen leichten Info-Salat aus Schlagworten, Bildchen und Infografiken serviert. Sogar die TV-Nachrichten sind heute zu geistigem Fastfood geworden, garniert mit Infografiken und Videoclips.”
Facebook und das deutsche Recht
Die Bemerkung war Wasser auf Dieters anti-amerikanischen Mühlen. “Fastfood, das passt. Wir sollten die Tageschau umbenennen in McInfo. Aber, was mich besonders auf die Palme bringt, ist Facebook. Was fällt diesem Zuckerberg eigentlich ein, seine kalifornischen Community-Standards den Deutschen aufzudrücken. Da bleiben Hass-Kommentare wochenlang online. Beschwert man sich darüber, passiert nichts. Der Minister Heiko Maas hat gerade gesagt, dass Facebook jetzt etwas besser reagiert, aber immer noch viel zu langsam ist. Die geben sich einfach keine Mühe.”
Ich sagte: “Klar, die machen was sie wollen. Und wenn wir meckern, klopfen die uns auf die Schulter und sagen: Stay cool, braver Michel, das kriegen wir schon, wir arbeiten daran. Und dann ändert sich wieder mal nichts.”
In diesem Stil ging diese Diskussion weiter, wir suchten und fanden immer neue Beispiele für das kolonialistische Verhalten der bösen US-Imperialisten. Und kamen zu dem Schluss, dass wir Europäer und Deutsche auch geistig schon völlig unterwandert sein vom “Heile-Welt-mit-IT-Mantra” aus Silicon Valley.
Also eine Menge guter Argumente für den Kauf eines Smartphones aus China. Um den Amis mal eins auszuwischen. Und als Zweitgerät vielleicht ein Xiaomi-Handy. Auch aus China. Um Apple zu ärgern. Andererseits, bei den Chinesen-Handys konnte man ja nie wissen, die Chinesen sollte man nicht zu mächtig werden lassen. Vielleicht am Ende dann doch ein Samsung?
Irgendwie endete der Austausch von Klischees, Vorurteilen und Beleidigungen fremder Völker in Ratlosigkeit. Aber wie gesagt, hat Spaß gemacht.