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Für SAP-“Add-Ons” zweimal abkassiert?

“SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications”. So heißt das aktuelle Reizwort für viele CIOs in Anwenderunternehmen. Es geht dabei um eine spezielle Ausprägung zweifelhafter SAP-Umsatzquellen, die ähnlich übergriffig empfunden wird wie das Prinzip “indirekte Nutzung”. Damit fühlen sich Anwender angesichts einer hochkomplexen und undurchsichtigen SAP-Lizenzpolitik zunehmend unter Druck gesetzt, insbesondere in Audit-Situationen. Es folgen überraschende Vorwürfe, angebliche Lizenzverstöße und teure Nachlizenzierungen.

Typisches Anwender-Szenario

Typischerweise fällt eine Beschaffungsentscheidung unter anderem deshalb für SAP, weil für die Standard-Software Individualisierungen möglich und üblich sind, um die Unternehmensanforderungen zu erfüllen. Daher darf der Anwender Umarbeitungen am ausgelieferten Quellcode vornehmen beziehungsweise durch einen Dritten für sich vornehmen lassen, etwa durch ein Systemhaus als zertifizierter SAP-Partner. Das bezeichnen die Lizenzverträge in ihrem AGB-Part als “Modifikation”.

Der Autor dieses Gastbeitrages Dr. Robert Fleuter ist Rechtsanwalt und auf Lizenzfragen spezialisiert. (Bild: BLC)

Als “Add-On” wird ein erstelltes Coding bezeichnet, das über SAP-Schnittstellen mit der SAP Software kommuniziert und in Bezug auf SAP Software individuell gewünschte Funktionen hinzufügt oder ergänzt.

Die AGB definieren im Detail die Voraussetzungen, unter denen SAP die beiden Varianten der Individualisierung erlaubt. Der aktuelle Ärger betrifft die zusätzliche finanzielle Belastung für die Nutzung von zulässigerweise erstellten Add-Ons.

Was den CIO ärgert

Der CEO verfügt mit der Lizenzierung von SAP-Software zwar automatisch über die technische Funktionalität zur Add-On-Nutzung in Form der sogenannten SAP NetWeaver Foundation, die mit den Produkten als Runtime Lizenz ausgeliefert wird. Er soll aber für den Einsatz eines Add-On – auch nach der neuesten PKL (Preis- und Konditionenliste) – zusätzlich Lizenzen ohne funktionalen Mehrwert erwerben für “SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications”.

Damit erlaubt SAP, dass die Add-Ons direkt auf die Datenbank der SAP-Anwendungen zugreifen. Das heißt, wenn der Anwender mit dem Add-On auf die SAP-Datenhaltung (zum Beispiel auf einer Oracle- oder Microsoft-Datenbank) zugreift, so sieht SAP dies als zusätzlich lizenzpflichtig an.

Als besonders ärgerlich und überzogen wird empfunden, dass die PKL eine Lizenzpflicht auch dann vorsieht, wenn der Anwender zwar gar nicht auf die Datenbank zugreift, sondern (nur) “… auf die darin enthaltenen Informationen …”.

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Ein Beispiel: Der Anwender erstellt eigene Extrakte seiner betriebswirtschaftlichen Inhalte und stellt diese in eigenen Datasets (etwa Excel Sheet) einem Drittsystem zur Verfügung. Gleichermaßen wie Add-Ons ist gemäß PKL auch “… Drittanbieter-Software …” von den hochumstrittenen Vertriebsansätzen betroffen.

Die Sache wurde im zweiten Halbjahr 2016 vom SAP-Vertrieb forciert angegangen. Das Unternehmen kann und muss die Wahl der Metrik treffen und entweder Core-basiert oder User-basiert zahlen. Ein späterer Wechsel der Metrik ist danach nicht möglich.

Die finanzielle Implikation einer Core-Lizenzierung wird hier deutlich: Angenommen, eine kleinere SAP-Installation mit einigen Datenbank- und Applikations-Servern umfasst 50 Cores. Bei einem Listenpreis von 30k pro Core bedeutet das ein Investment von 1,5 Millionen Euro.

Lizenzregelung rechtswirksam?

Der Anwender soll also dafür zahlen, seine eigenen Daten / Informationen in einem SAP-fremden Kontext zu nutzen? Ist das denn überhaupt eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung, etwa eine Vervielfältigung, die SAP vergütungspflichtig machen darf?

Dem unbedingten Umsatzinteresse von SAP setzt das Urheberrechtsgesetz aber zurecht Schranken. Der Anwender ist nicht vollständig der erfinderischen Gebührenwillkür des Vendors ausgesetzt. Zu seinen Gunsten gibt es einen absolut geschützten Bereich, einen abredefesten Kern seines Nutzungsrechts an der angeschafften Software, der auch entgegen dem Willen des Vendors und entgegen dessen AGB-Text Bestand hat.

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Denn im Rahmen der sogenannten bestimmungsgemäßen Nutzung darf der Anwender bestimmte Handlungen vornehmen, ohne von SAP eine Erlaubnis dafür zu benötigen. Eine individuelle Betrachtung dieser Aspekte dürfte für etliche Unternehmen Entlastungen durch die Feststellung bringen, dass eine Reihe konkreter Nutzungshandlungen im Zusammenhang mit Add-Ons – entgegen der Position von SAP – zulässig und vergütungsfrei sind.

Zudem sind Lizenzbedingungen – auch in Form der PKL – von der Rechtsnatur her Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die der Wirksamkeitskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB unterliegen. Nachfolgende Unwirksamkeitsgründe kommen für die SAP-Regelungen in Betracht: Unzulässige überraschende Klausel, unangemessene Benachteiligung, Verstoß gegen das Transparenzgebot.

Wettbewerbliche Wirkungen

SAP behält sich in den AGB das Recht vor, die Verwertungsrechte an Add-Ons an sich zu ziehen, die anwenderseitig erstellt wurden. Solche Add-Ons vertreibt SAP selbst, sie werden Gegenstand der PKL. Die Abnehmer solcher Add-Ons belastet SAP jedoch nicht mit zusätzlichen Lizenzforderungen. Falls aber das technisch identische Add-On nicht von SAP, sondern zum Beispiel von einem Systemhaus als SAP-Partner an das Anwender-Unternehmen vertrieben würde, so sähe SAP darin eine “Third Party Application”. Das hat zur Folge, dass für die Benutzung Lizenzgebühren verlangt werden, und zwar auf der umstrittenen Basis von “SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications”.

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Für den Anwender würde sich die Anschaffung der technisch identischen Komponente also erheblich verteuern, wenn er über einen SAP-Partner kauft, anstatt von SAP selbst. So bootet SAP mit seinem Vergütungsverlangen auf Basis “SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications” also ihre eigenen zertifizierten Partner im Markt aus – die übrigens für die Zertifizierung an SAP gezahlt haben.

Man könnte darüber nachdenken, mit welchen postulierten Prinzipien und “Values” dieses Marktverhalten von SAP kollidiert. Viele Betroffene fühlen sich im Lizenzdickicht von SAP im Unklaren gelassen. Schließlich werden sie dann in einem überraschenden Ausmaß von SAP zur Kasse gebeten. Man könnte aber auch zusätzlich darüber nachdenken, ob angesichts der Marktmacht von SAP kartellrechtliche Belange zu überprüfen sind, um ein überzogenes Abkassieren auszuschließen.

Verhalten des CIO

Die schmerzhaften Auswirkungen der “SAP NetWeaver Foundation for Third Party Applications” erscheinen mit den oben angerissenen Instrumenten begrenzbar. Individuelle Möglichkeiten der Konfliktlösung sind auch in Form von Einzelabsprachen mit SAP denkbar. Schließlich dürfen auch völlig eigenständige Modelle, Pauschalierungen und alternative Metriken angedacht werden. Auch Umgehungen oder Vermeidungsmaßnahmen etwa durch alternative Architekturen können eine Option sein.

Gezielte Zuwiderhandlungen und gut begründeter Widerstand können den Weg für eine beschleunigte vernünftige Erledigung bereiten. Erste Indizien für ein Zurückrudern des SAP-Vertriebs scheinen sich aktuell abzuzeichnen, [Update: 7. Februar 9.18] jedoch steht eine endgültige Lösung nach wie vor aus. CIOs sollten sich auch weiterhin der scheinbar grenzenlosen SAP-Forderungsphantasie entgegenstellen.

Update Redaktion silicon.de vom 6. Februar 2017 12 Uhr 45: Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) hatte sich Anfang November bei dem Konzern über das Vorgehen beschwert. Nach mehreren Gesprächen hat SAP kürzlich eingelenkt. Demnach sollen “bis zur abschließenden Klärung des Themas” die Vertriebsaktivitäten in dem Zusammenhang eingestellt. Außerdem wurde zugesichert, eine Eskalationsstelle einzurichten. Als Ansprechpartner in der DSAG-Geschäftsstelle steht bereits jetzt Thilo Keller (thilo.keller@dsag.de) für Fragen zur Verfügung.

Lesen Sie auch : Angriffsziel ERP
Redaktion

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    • Hallo,
      danke für den Kommentar und den Hinweis. Der Beitrag wurde um einen Hinweis auf die erfolgreiche Beschwerde der DSAG ergänzt. Die rechtliche Einordnung als solche bleibt ja aber weiterhin gültig und aus unserer Sicht daher auch interessant. Schließlich ist das Thema noch nicht abschließend geklärt.

      Peter Marwan
      Redaktion silicon.de

  • In der Tat ist die rechtliche Einordnung nicht veraltet, weil die in der DSAG diskutierte Vorgehensweise noch nicht flächendeckend greift und mir offene Praxisfälle aus meiner Praxis bekannt sind. Wie Herr Marwan richtig bemerkt, gibt es bisher nur vage Zusagen und keine rechtsverbindliche Abschaffung der betreffenden Lizenzierung.

    Peter Wesche
    Lizenzberater

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