BND findet keine Beweise für Fake-News und hält Untersuchungsbericht zurück

Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) haben im Zuge einer ein fast ein Jahr lang andauernden Untersuchung keine eindeutigen Beweise dafür gefunden, dass es eine gezielte, von staatlichen Stellen in Russland gesteuerte Kampagne zur Desinformation in Deutschland gegeben hat. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung, die sich dabei auf gemeinsame Recherchen mit NDR und WDR beruft. Die als geheime Verschlusssache eingestufte Untersuchung soll demnach nicht publiziert werden.

Dem Blatt zufolge war zunächst angedacht, sie zumindest teilweise zu veröffentlichen. Aus Regierungskreisen heiße es nun jedoch, dass es keinen “schlagenden Beweis für politische Einmischung Russlands” gebe. “Wir hätten gerne die gelbe Karte gezogen”, zitiert die SZ einen Sicherheitsexperten. Angesichts fehlender Beweise hält er die Veröffentlichung des 50-seitigen Geheimdienstpapiers aber nun “nicht für sinnvoll”, sie würde nur das “ohnehin angespannte Verhältnis zu Russland” noch weiter belasten.

Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) finden auch in einer ein Jahr lang andauernden Untersuchung keine eindeutigen Belege für gezielte Desinformation durch russische Troll-Fabriken in Deutschland (Grafik: silicon.de mit Material von Shutterstock)

Die Untersuchung war von Kanzlerin Angela Merkel persönlich in Auftrag geben worden. Anlass war der “Fall Lisa”. Dabei hatten Berichte über eine – wie sich letztlich herausstellte durch sie selbst erfundene Vergewaltigung einer 13-Jährigen – für erhebliches Aufsehen insbesondere unter aus Russland stammenden Bevölkerungsgruppen in Deutschland gesorgt.

Wie ein Untersuchungsbericht Russland verärgern könnte, der Verdachtsmomente gegen das Land ausräumt, bleibt dabei das Geheimnis des zitierten Sicherheitsexperten und der Süddeutschen Zeitung, da der Öffentlichkeit die gewonnenen Erkenntnisse vorenthalten werden. Wahrscheinlicher scheint eher, dass die bereits vorab definierten Ziele der Untersuchung nicht erreicht werden konnten und die nicht in die Strategie passenden Erkenntnisse daher nach dem Pipi-Langstrumpf-Prinzip unterdrückt werden.

In diese Richtung deutet auch, dass laut SZ das Kanzleramt angeordnet hat, den Sachverhalt trotz der Ergebnislosigkeit der bisherigen Bemühungen weiter zu untersuchen. Laut SZ soll der Arbeitskreis “Psychologische Operationen” des BND den seit 2014 “konfrontativeren Kurs” Russlands gegenüber Deutschland weiterhin analysieren. Ihm zufolge ist die Berichterstattung russischer Medien und deren deutscher Ableger “feindselig”.

Bereits im November hatte BND-Präsident Bruno Kahl davor gewarnt, dass russische Troll-Fabriken auch mit staatlicher Unterstützung im Vorfeld der Bundestagswahl versuchen könnten, für Verwirrung zu sorgen. Damals sagte Kahl gegenüber der SZ, “das deutschsprachige Internet” sei seit Beginn des Ukraine-Konflikts ins Blickfeld sogenannter “Troll-Fabriken” geraten. Deren Aufgabe sei es, falsche Informationen zu verbreiten. Ziel sei es allerdings nicht, bestimmten Parteien oder Kandidaten zu schaden oder zu helfen. “Die Täter haben ein Interesse, den demokratischen Prozess als solchen zu delegitimieren. Egal, wem das nachher hilft”, so Kahl.

Angst vor Beeinflussung der Wähler durch Fake-News

In den USA hatte kurz zuvor ein Artikel der Washington Post über angeblich aus Russland gesteuerte Fake-News-Kampagnen für Aufregung gesorgt. Der Artikel ließ jedoch einige Fragen offen, wie das Magazin Fortune dann dargelegt hat. Das hindert die deutschen Geheimdienste nicht, die Verantwortung für solche Beeinflussungsversuche nach wie vor direkt im Umfeld des russischen Präsidenten zu suchen.

Wahrnehmung von Fake-News bei deutschen Internetnutzern (Grafik: Bitkom)

Hintergrund der fortgesetzten Untersuchungen ist laut SZ die Sorge, dass russische Hacker zumindest mit staatlicher Unterstützung Russland in die Wahlen eingreifen, indem sie etwa geheime Dokumente veröffentlichen. In den USA sollen auf diese Weise Unterlagen über zweifelhafte Beziehungen der Kandidatin Hillary Clinton zur Finanzwirtschaft und Spenden aus arabischen Staaten an die Öffentlichkeit gelangt sein. Sie wurden dann nach und nach bei Wikileaks veröffentlicht.

Hillary Clinton lehnte es damals ab, die Echtheit der E-Mails zu bestätigen. Sie bezeichnete die Veröffentlichung als Werk der “russischen Regierung, die Spionage gegen Amerikaner betreibt”. Ihre Sprecher bestätigten dagegen die Authentizität indirekt, indem sie erklärten, die von Wikileaks veröffentlichten Finanzbeziehungen seien nicht neu, sondern bereits in den veröffentlichten Steuererklärungen der Familie Clinton nachzulesen. Sie wiesen also nicht den Inhalt als solchen zurück, sondern bezweifelten lediglich den Nachrichtenwert der Veröffentlichung.

In Deutschland hat Facebook im Zuge der auch vom Bundesinnenministerium verschärften Diskussion um Fake-News im Januar angekündigt, Meldungen in dem Sozialen Netzwerk durch das Recherchenetzwerk Correctiv überprüfen und bewerten zu lassen. Stufen dessen Mitarbeiter einen von Nutzern als “verdächtigt” gemeldeten Beitrag als Falschmeldung ein, wird er allerdings nicht gelöscht, sondern lediglich als dubios markiert.

Fake-News und Glaubwürdigkeit sozialer Medien (Grafik: Statista)

In Frankreichm, wo dieses Jahr Präsidentschaftswahlen anstehen, haben Facebook und Google am Montag eine gemeinsame Initiative vorgestellt, um gegen gefälschte Nachrichten vorzugehen. An dem CrossCheck genannten Projekt wollen sich neben der Nachrichtenagentur Agence France-Presse auch Buzzfeed Frankreich und die Zeitungen Le Monde und L’Express beteiligen. Es soll der Öffentlichkeit eine Entscheidungshilfe bieten, “was und wem sie in den kommenden Monaten in ihren Social-Media-Feeds, bei Internetsuchen und dem generellen Konsum von Online-Nachrichten trauen können”, erklärt Google.

Der Bitkom hat angesichts der jüngsten Entwicklungen mehr Medienkompetenzen statt mehr staatlicher Regulierung gefordert. Er mahnt an, dass rechtsstaatliche Prinzipien und “das hohe Gut der Meinungsfreiheit” nicht unter die Räder kommen dürften. Mit einer Umfrage, deren Ergebnisse nahelegen, dass die Bedeutung sozialer Netzwerke als Informationsquelle überschätzt wird, untermauert der Bitkom seine Argumentation.

“Die Sorge der Politik ist verständlich, dass Falschmeldungen die öffentliche Meinung im Wahljahr beeinflussen könnten”, räumt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder ein. Er fordert aber auch: “In der aktuellen Diskussion werden Themen wie Fake Follower, Fake News, Hatespeech oder Social Bots wild durcheinander geworfen. Die Diskussion muss versachlicht und differenziert geführt werden.”

Ähnlich äußerte sich vergangene Woche auch Dieter Janecek, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die grünen im Bundestag: “Prozesse der politischen Meinungsbildung und Wahlentscheidungen haben sich noch nie frei von äußeren Einflüssen vollzogen, sie sind im Gegenteil auf externe Informationen, fremde Ideen und den Austausch mit anderen angewiesen. Je mehr wir uns allerdings im Internet informieren, Meinungen im digitalen Raum erzeugt und diskutiert werden, desto mehr sollten wir über die dort wirkenden Mechanismen und Phänomene Bescheid wissen”, so der Bundestagsabgeordnete. “Von zunehmender Unsicherheit zeugt, dass Begriffe wie Hate Speech, Fake News, Social Bots, Hacks und Cyberangriffe aktuell ebenso durcheinander geworfen werden wie halb ausgegorene und undifferenzierte Regulierungsvorschläge.”

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Redaktion

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