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Ein Blick in IBMs IoT-Werkstatt

Schon 300 Mitarbeiter arbeiten auf den Etagen, die IBM in München gemietet hat, um dort das weltweite Zentrum für Watson IoT einzurichten. Sie sollen helfen, mit wissensbasierten Algorithmen neuartige Lösungen zu entwickeln. Denn, so zitierte Niklaus Waser, Vice President Watson IoT Center, eine Untersuchung: “80 Prozent der Lieferanten glauben den Kunden zu liefern, was sie brauchen, aber nur 8 Prozent der Kunden finden, dass sie von den Lieferanten bekommen, was sie eigentlich brauchen.”

Ulrich Sendler, Buchautor in Sachen Industrie 4.0, erklärte dem Publikum zunächst, warum jetzt zum ersten Mal in der an Enttäuschungen nicht armen Geschichte der KI die Chance bestehe, zu greifbaren Ergebnissen auf breiter Front zu kommen. Besonders wichtig sind dafür neuronale Netze, die mit ihren lernfähigen Strukturen im Grundsatz das Funktionieren des Gehirns nachbilden.

Ihr erstes Konzept stammt schon aus den späten 40-er Jahren. Von KI wurde zum ersten Mal 1953 gesprochen, allerdings konnten die ersten 20 Jahre technische Entwicklung die hochgesteckten Ziele in keiner Weile erfüllen, und auch die zweite Welle der Entwicklung, in der hauptsächlich Expertensysteme entwickelt wurden, enttäuschte. Sendler: “Das war alles zu aufwändig und zu komplex.”

Erst jetzt, wo Sensoren Unmengen von Daten und damit Lernmaterial für neuronale Netze produzierten, gleichzeitig Rechenleistung und Speicherkapazität sich um Dimensionen verbilligt habe und moderne Software für den Aufbau moderner neuronaler Netzwerke verfügbar sei, schlage die Stunde der KI.

Trotz freundlicher Ansprache durch Lab-Mitarbeiterin Heike Kammerer zeigte sich “Pepper” unwillig, die gewünschten Auskünfte zu erteilen – womöglich war die Akustik schuld (Bild: Ariane Rüdiger)

Nun also will IBM die Möglichkeiten der Verdichtung massenweiser einlaufender Sensordaten zu Handlungswissen in Echtzeit via Watson IoT in die verschiedenen Industrien implementieren. Dazu braucht man, wie IBM-CTO Andrea Martin erklärte, heute nicht mehr unbedingt speziell gebaute Maschinen. “Unsere Watson-Projekte laufen in der Regel auf Power 7 oder 8”, sagte sie. Andere Systeme könnten kundenspezifisch dazukommen, müssen aber nicht.

Viel wichtiger als die Frage der Hardware – hier brauche man mittelfristig wegen der Datenmassen gänzlich neue Chiparchitekturen – sei aber der Weg zum Cognitive Computing, verstanden als aktives Verstehen beispielsweise von Sprache oder Bildern und die Fähigkeit, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und aus den gesammelten Erfahrungen zu lernen. “Praktisch bedeutet das den Schritt vom Monitoring zur Fehlervermeidung, von der Mensch-Maschine-Schnittstelle zur Konversation, von der Kollaboration zur selbstlernenden Maschine” und so weiter.

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Bei IBM dreht sich das gesamte IoT-Geschäft um die kognitive Plattform Watson IoT. Sie soll zusammen mit Bluemix, einer Art Cloud-Service-Baukasten, die unterschiedlichsten analytischen Dienste und Anwendungen ermöglichen.

Wie weit der Weg dahin noch ist, bewies gleich darauf beim Besuch des IBM-IoT-Labs der humanoide Roboter “Pepper”, der von Heike Kammerer vom Watson IoT Lab befragt wurde. Das Gerät nickte zwar eindrucksvoll mit dem Kopf und bewegte die Arme, brachte aber außer einer kurzen Begrüßung kein Wort hervor. Die Journalistenhorde hatte sich wohl zu laut geräuspert. “Auf Geräusche reagiert Pepper etwas empfindlich”, erklärte Kammerer.

erste Anwendungsfälle für Watson IoT

Im Lab, wo Ideen in Zusammenhang mit Kundenanfragen zu Proofs of Concept gebaut werden, konnte man diverse Anwendungsfälle besichtigen, in denen wissensbasierte Technologien bereits eingesetzt werden oder in Zukunft eingesetzt werden sollen. Dazu gehört die intelligenzbasierte Unterstützung bei der Steuerung großer Produktionsmaschinen. IBM realisierte beispielsweise eine Lösung für den Zementhersteller Holcim, bei der es darum ging, erhebliche Schwankungen des Energieverbrauchs bei der Zementherstellung zu egalisieren. Sie betrugen bis zu 60 Prozent und waren vor allem auf die Steuerungsaktivitäten des Bedienpersonals zurückzuführen. Mit entsprechender intelligenter Assistenz soll nun erreicht werden, dass der Bediener sich möglichst dem optimalen Pfad annähert.

IBM-CTO Andrea Martin erklärt den Prozess der kognitiven Produktion (Bild: Ariane Rüdiger)

Ein Modell einer Produktionsstraße wurde in Kooperation mit der TU München (TUM Fortiss) für den Sportartikelhersteller Adidas erstellt. Sein Ziel: Das Produktionssystem soll automatisch diverse Module erkennen, wissen, was sie können und was man damit tun kann. Es soll sich am Ende möglichst autonom auf individualisierte Fertigungsaufträge einstellen und zum Beispiel “verstehen”, welche Sohlentypen zu welchem Schuhtyp passen, um dieses dann automoatisch zu montieren.

Ein besonders zukunftsträchtiges Anwendungsfeld ist die kognitive Analyse von Bildern, zum Beispiel aus der Inspektion von Systemen. Zur Gewinnung der Daten werden heute auch Drohnen eingesetzt, etwa bei der Überwachung von Windturbinen, Gleisen oder Stromleitungen, die sonst sehr zeit- und personalaufwändig ist. Ähnliche Mechanismen, allerdings mit stationären Kameras und Sensoren, verwendet man, um die Fehler an gefertigten Produkten zu prüfen und einem bestimmten Schritt in der Fertigung zuzuordnen.

“Solche Analysen dauern, wenn sie von Menschen geleistet werden, fünf Jahre“, erklärt Sebastian Chaumiole, der ebenfalls im Watson IoT Industry Lab tätig ist. In Zusammenarbeit mit einem chinesischen Pilotkunden habe man bereits innerhalb von sechs Monaten sehr gute Ergebnisse erzielt.

Manchmal reicht im IoT-Lab schon Fischertechnik, um das Modell einer intelligenten Fabrikautomatisierung aufzubauen (Bild: Ariane Rüdiger)

Ein weiteres Beispiel, das Chaumiole vorführt, ist ein Roboter, der Befehle versteht, in eine Fremdsprache übersetzt und so ausgibt, dass sie der lokale Partner, der mit einem fremdsprachigen Menschen zusammenarbeitet, versteht. Der Roboter kann in der Demonstration beispielsweise englischsprachige Befehle als Mandarin-Schriftzeichen ausgeben.

Das Konzept des digitalen Zwillings”

Wie Renate Stuecka, Marketing Manager IBM Watson IoT erklärte, gehe es in der Fertigung derzeit darum, sich Schritt für Schritt zu einem “digitalen Zwilling” der gefertigten Produkte vorzutasten. Damit ist eine durchgängige Spiegelung der realen Welt von der Entwicklung bis zur Ausmusterung in Form digitaler Daten gemeint, die modifiziert werden, sobald die Realität neue Erkenntnisse bietet. Legen also Produktionsprobleme oder Gebrauchserfahrungen nahe, das Design zu verändern, wird das sofort in die digitalen Entwurfsdaten integriert und sorgt dort für Optimierungen bei der nächsten Produktgeneration.

Das Konzept ist nicht allein bei IBM zu Hause. Gerade Industriefirmen wie Siemens oder GE mit praktischem Wissen über diverse Arten physischer Systeme aus jahrzehntelanger Erfahrung versuchen es sich nun zunutze zu machen, um ihren Kunden neuartige Dienstleistungen zu verkaufen. Ihr Vorteil besteht darin, die nötigen Daten quasi im Hause zu haben. Allenfalls müssen sie ihre Kunden dazu bringen, ihnen das Datenmaterial, wenn nötig, anonymisiert, zur Verfügung zu stellen, während IT-Player wie IBM es bezüglich der Datenhoheit mehreren Playern recht machen müssen.

IBM sieht sich diesen Unternehmen gegenüber dennoch nicht im Nachteil. “Wir haben aus unserem Beratungsgeschäft viel Wissen aus unterschiedlichen Industrien”, betont Renate Stuecka, Marketing Manager IBM Watson IoT. Auf der Hannover Messe wird IBM Ansätze wie den digitalen Zwilling und wissensbasierte Fertigung im Rahmen der Digital Factory präsentieren, die in diesem Jahr insgesamt 11.000 Quadratmeter groß sein wird, wie Arno Reich von der Hannover Messe berichtete.

Redaktion

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