EU-Richtlinie 2014/95: Chance für nachhaltige Lieferketten

Supply Chain (Grafik: Shutterstock)

Die Richtlinie zum Non-Financial Reporting sieht vor, dass Organisationen mit mehr als 500 Beschäftigten ab dem Geschäftsjahr 2017/18 darüber informieren, wie sie mit Themen wie Vielfalt, Menschenrechten, Korruptionsbekämpfung und Umweltauswirkungen umgehen. Es ist also höchste Zeit, sich Gedanken zur Umsetzung zu machen.

Selbst für die progressivsten Unternehmen ist es eine Herkulesaufgabe, die Herkunft von Rohstoffen und Zutaten für ihre Produkte sowie deren Herstellung zurückzuverfolgen. Dies gilt vor allem für Unternehmen mit komplexen und dynamischen Liefernetzwerken. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Kampagnengruppen setzen darauf, dass gesetzliche Maßnahmen wie eine verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung für mehr Transparenz sorgen werden und so dazu beitragen, moderne Sklaverei und Menschenrechtsverletzungen einzudämmen.

In Europa wird die Richtlinie zum Non-Financial Reporting (nichtfinanzielle Berichterstattung, NFR)-Richtlinie, die zum Jahreswechsel in Kraft getreten ist, als zentraler Meilenstein dieser Entwicklung gesehen. Die Richtlinie 2014/95 / EU (welche die vorherige Richtlinie 2013/34 / EU erweitert) fordert, dass öffentliche und private Organisationen, die mehr als 500 Personen beschäftigen, eine Fülle von Informationen darüber bereitstellen, wie sie mit Themen wie Vielfalt, Menschenrechten, Korruptionsbekämpfung und Umweltauswirkungen umgehen. Das Geschäftsjahr 2017/18 wird das erste Jahr sein, in dem die NFR-Berichterstattung verpflichtend ist.

Tom Bley, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de, ist Senior Sales Executive bei UL EHS Sustainability (Bild: UL)
Tom Bley, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de, ist Senior Sales Executive bei UL EHS Sustainability (Bild: UL)

Anforderungen und Chancen für die Zukunft

Betroffene Unternehmen müssen eine Beschreibung ihres Geschäftsmodells vorlegen, Einzelheiten über ihre Strategien zu den oben genannten Themen sowie Informationen zu den vorhandenen Due-Diligence-Prozessen. Dabei müssen Details über Ergebnisse der Umsetzung und eine Bewertung der relevanten Risiken geliefert werden. Falls keine Informationen vorhanden sind oder Fortschritte berichtet werden können, ist die Abgabe einer rechtfertigenden Erklärung erforderlich.

Die Richtlinie ist die Antwort der Europäischen Kommission auf die Notwendigkeit, die Qualität der von Unternehmen übermittelten nichtfinanziellen Daten zu verbessern. Bisher wurden diese Daten in allen EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich in Form und Umfang übermittelt. Die Erläuterungen zur Richtlinie lassen zudem darauf schließen, dass zukünftig weitere Anpassungen vorgenommen werden können, um Transparenz und Datenqualität zu erhöhen.

Die gute Nachricht ist, dass es viele Vorteile und Chancen gibt, die mit der Einhaltung der neuen NFR-Gesetzgebung verbunden sind. Gemäß einer Analyse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte werden Unternehmen in die Lage versetzt, die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeiter langfristig zu sichern. Durch die Ermittlung von Risiken und die Verbesserung des Prozessmanagements können Ressourcen gespart und Betriebskosten gesenkt werden.

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Effektive Meeting-und Kollaboration-Lösungen

Mitarbeiter sind heute mit Konnektivität, Mobilität und Video aufgewachsen oder vertraut. Sie nutzen die dazu erforderlichen Technologien privat und auch für die Arbeit bereits jetzt intensiv. Nun gilt es, diese Technologien und ihre Möglichkeiten in Unternehmen strategisch einzusetzen.

Außerdem wird eine Steigerung der Firmenreputation erwartet, welche sowohl die Kundenbindung als auch die Beziehungen zu Lieferanten und Stakeholdern verbessern kann. In diesem Zusammenhang spricht die Non-Profit-Organisation Carbon Disclosure Project (CDP) davon, dass die Offenlegung von nichtfinanziellen Informationen “strategisch genauso wichtig für Investoren ist wie Finanzinformationen”. CDP wurde im Jahr 2000 in London gegründet und verfolgt das Ziel, dass Unternehmen und auch Kommunen ihre Umweltdaten veröffentlichen, etwa zu klimaschädlichen Treibhausgasemissionen und den Wasserverbrauch.

Welche Unternehmen werden von der überarbeiteten Gesetzgebung betroffen sein? Schätzungen gehen von rund 6000 Unternehmen aus. Darüber hinaus sind indirekt unzählige weitere Unternehmen wie zum Beispiel EU-Tochtergesellschaften von Nicht-EU-Hauptsitzgesellschaften in der Pflicht.

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Es ist noch nicht in allen EU-Mitgliedsländer entschieden, wie die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden wird. Für Unternehmen, die sich bereits mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung der Global Reporting Initiative (GRI) und CDP oder mit Bedingungen eines Managementsystems wie ISO 2600 für soziale Verantwortung befassen, ist die Erfüllung der Anforderungen der neuen Richtlinie recht einfach. Generell gilt: Unternehmen, die bereits national oder international anerkannte Rahmenbedingungen bei Ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung einhalten, sind auf dem Weg zur Konformität.

Datenmanagement für den Aufbau nachhaltiger Lieferketten

Für Organisationen, die erst jetzt mit der Offenlegung von Daten über ihren ökologischen und sozialen Fußabdruck beginnen, ist es nun an der Zeit, mit effektivem Datenmanagement ihre Nachhaltigkeitsleistung zu messen sowie zu verstehen, wo ihre Auswirkungen und Risiken sind – nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch im Lieferantennetzwerk. Denn die neue Richtlinie verlangt auch die Offenlegung von Daten für die Lieferkette. Die Verantwortung für Risiken innerhalb der Lieferkette sowie für potenzielle Verstöße gegen die eigenen Nachhaltigkeitsziele liegt bei den Unternehmen selbst.

Die EU-Richtlinie 2014/95 verlangt auch die Offenlegung von Daten für die Lieferkette. (Grafik: Shutterstock)
Die EU-Richtlinie 2014/95 verlangt auch die Offenlegung von Daten für die Lieferkette.

Die größten Auswirkungen auf die Umwelt hat die Tätigkeit von Unternehmen oft entlang der Lieferkette. Häufig lassen sich 80 Prozent der gesamten CO2-Emissionen großer Unternehmen auf die Lieferantenbetriebe zurückführen. Wenn ein Unternehmen seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren will, muss es seine Lieferanten und deren Umweltfußabdruck kennen. Dies ist nur mithilfe einer großen Menge an relevanten Daten und Informationen möglich.

Viele Unternehmen fangen gerade erst an, diese Daten systematisch zu sammeln, zu verarbeiten, zu analysieren und zu nutzen, um Kosten zu sparen, widerstandsfähige Lieferketten aufzubauen und so letztendlich nachhaltiger zu werden. Immer mehr Unternehmen setzen dazu integrierte Software-Lösungen ein, um die großen Datenmengen in den Griff zu bekommen. Der Einsatz solcher Software ermöglicht es, ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele durchzusetzen – unter Einbeziehung des Lieferantennetzes. Vorreiter ist hier die Textilindustrie, gefolgt von der Nahrungsmittelindustrie.

Die Technologie bietet zentralen Zugriff auf Daten, so dass sich die Nachhaltigkeitsperformance der Lieferanten effizient verfolgen lässt. Regelmäßige Umfragen geben Aufschluss über die firmeneigenen Richtlinien der Lieferanten sowie über ihre Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen. Das Unternehmen ist auf Grund der Informationen in der Lage, Risiken entlang der Lieferkette zu identifizieren und in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Lieferanten an Lösungen zu arbeiten.

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Geeignete Software hilft Unternehmen ihr Lieferantennetzwerk zu ermutigen, die Umweltbelastung zu reduzieren, indem Lieferanten Daten für CO2-Ausstoß, Energie- und Wasserverbrauch sowie Abfallmanagement erfassen und Verbesserungspotenzial identifizieren können (Bild: Shutterstock)

Mit leistungsfähiger Software können Unternehmen ihr Lieferantennetzwerk dazu ermutigen, die Umweltbelastung zu reduzieren. Die Lieferanten können Daten für CO2-Ausstoß, Energie- und Wasserverbrauch sowie Abfallmanagement erfassen, auf deren Grundlage sich die Bereiche identifizieren lassen, in denen Verbesserungen und Kosteneinsparungen möglich sind.

Die Basis für erfolgreiches Lieferantenmanagement

Erfolgreiches Lieferantenmanagement besteht jedoch aus mehr als Compliance-Umfragen und Audits. Der Aufbau einer langfristigen guten Zusammenarbeit erfordert regelmäßigen Kontakt sowie eine strukturierte Methode, um Fortschritte zwischen den periodischen Evaluierungen zu erreichen. Integrierte Projektmanagement-Tools sind hier hilfreich, um den Fortschritt spezifischer Initiativen der Lieferanten kontinuierlich zu verfolgen.

Wie bei jedem Gesetz werden auch im Falle dieser neuen Richtlinie Kritiker bemängeln, dass sie Geschäftsmodelle und Rentabilität negativ beeinflussen könnte. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Die Richtlinie wird Unternehmen dazu zwingen, die vielen Risiken aufzudecken, die mit der Herstellung, der Entwicklung und dem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen verbunden sind. Es liegt in ihrem Interesse, Korruption, moderne Sklaverei und Umweltverschmutzung aus ihrer geschäftlichen Tätigkeit zu verbannen – alles samt Verstöße, die von Verbrauchern, Stakeholdern und Investoren zunehmend nicht mehr toleriert werden. Letztendlich bietet die neue EU-Richtlinie Unternehmen die Chance, mit Hilfe von qualitativen Daten Risiken zu minimieren und ihre Geschäftspraktiken und Lieferantennetzwerke langfristig nachhaltiger zu gestalten.