Anwender kritisieren SAP für Lizenzpolitik bei der indirekten Nutzung
SAP hat in einer Stellungnahme in groben Umrissen seine Pläne, Absichten und Beweggründe für die Änderung der Lizenzpolitik in Bezug auf die sogenannte “indirekte Nutzung” erläutert. Auslöser ist wohl die Aufregung um ein Urteil zur Frage der indirekten Nutzung in Großbritannien im Februar. Demnach müssen Anwenderunternehmen auch für Nutzer, die nur indirekt auf SAP zugreifen, also über die Applikation eines Drittherstellers, voll bezahlen.
In dem vor Gericht verhandelten Fall hatte sich SAP gegen den Getränkehersteller Diageo durchgesetzt. Dem Unternehmen, zu dem Marken wie Smirnoff Vodka und Guinness gehören, drohen dadurch nun Mehrkosten von bis zu 55 Millionen Pfund, weil es Nutzern von Salesforce erlaubt hatte, auf Daten zuzugreifen, die in SAP gespeichert waren.
Doch das ist nur die Spitze eines Eisbergs. Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG) berichtet in ihrer Stellungnahme zu den aktuellen Aussagen von SAP von einer Brauereigruppe, die Rückstellungen in Höhe von rund 564 Millionen Euro gebildet habe, um Risiken abzusichern, die ihr bei einer Klage des Software-Anbieters drohen. Angesichts solcher Beträge und der großen Anzahl der SAP-Anwender dürfte es also alleine in Deutschland für SAP mindestens um einen hohen, zweistelligen, wenn nicht gar einen dreistelligen Milliardenbetrag gehen.
Die Entscheidung des britischen Gerichts lasse sich zwar nicht unmittelbar auf Anwender in Deutschland, Österreich und der Schweiz übertragen, sie sorge unter den Mitgliedern dennoch “für Gesprächsstoff”, habe doch die indirekte Nutzung von SAP-Software hohe Relevanz. Die DSAG, die sich bereits seit Langem mit der indirekten Nutzung beschäftigt, versichert, sie stehe dazu “in engem Austausch” mit SAP.
Vernünftige Ergebnisse haben diese Gespräch aber offenbar noch nicht gebracht. Die stets diplomatische DSAG “begrüßt” zwar immerhin, dass sich “SAP mit diesem Thema auseinandersetzt”, hält aber “die Stellungnahme für unzureichend”. Sie begründet das unter anderem damit, dass es innerhalb der SAP “keine klare Definition beziehungsweise Regelung zur indirekten Nutzung” gebe.
Nach Ansicht von Andreas Oczko, DSAG-Vorstand Operations/Service & Support, ist das “von SAP erarbeitete Dokument zur Preisgestaltung bei indirekter Nutzung derzeit noch unausgereift, da essentielle Fragen ungeklärt und viele Aspekte unberücksichtigt bleiben”. Die DSAG habe deshalb von einer Veröffentlichung abgeraten. Beispielsweise würden vor allem bereits bekannte Fälle behandelt, einige juristische Aspekte jedoch außen vor gelassen. “So wird die Unsicherheit bei den Kunden nur noch größer und notwendige Investitionen in die Zukunft bleiben weiter blockiert”, so Oczko weiter.
SAP-Kunden empfiehlt er die Kontaktaufnahme zur DSAG-Geschäftsstelle über die eigens dafür eingerichtete E-Mail-Adresse lizenzen@dsag.de. Dadurch könne man relevante Themen gemeinsam diskutieren, anschließend gebündelt an SAP kommunizieren und eine gemeinsame, “adäquate Regelung” erarbeiten. Das klingt doch sehr nach der Organsiation des Widerstands.
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Einige Aussagen von Hala Zeine, Corporate Development Officer bei SAP, in der aktuellen Stellungnahme des Konzerns, lassen aber auf wenig Verhandlungsbereitschaft schließen. So sei man “entschlossen, den Ansatz für die Preisgestaltung zu modernisieren” (soll wohl heißen: für indirekte Nutzung Lizenzkosten zu verlangen). Außerdem bezeichnet die SAP-Managerin die “indirekte Nutzung” allgemein als einen “von Anwendervereinigungen geprägten Begriff”. Und sie verteidigt die jetzt vorgestellten Regelungen als vorteilhaft für rund 80 Prozent der derzeitigen Nutzer von SAP-ERP-Systemen.
Die indirekte Nutzung kann Beobachtern und Lizenzexperten zufolge aber recht weitgehend ausgelegt werden. Beispielsweise könnten darunter auch Anwender fallen, “die Daten aus einer SAP-Anwendung herausgezogen und in eine Excel-Datei eingebaut haben” und möglicherweise sogar User, die diese Excel-Tabelle per E-Mail erhalten.
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Allen, die noch nicht überzeugt sind, droht Zeine dann unterschwellig: “SAP versichert allen Kunden, die von sich aus auf SAP zugehen um Unterlizenzierung abzustellen, dass SAP keine rückwirkenden Wartungsgebühren für eine derartige Unterlizenzierung einfordern wird. Wir werden bei der Rücksetzung Ihrer Lizenzvereinbarung Ihre spezifischen Umstände berücksichtigen und dabei auch die Möglichkeit bieten, bestimmte, möglicherweise bereits derart lizenzierte Produkte zu berücksichtigen, so dass Sie auf die neuen Metriken umstellen können.”
Die beabsichtigte Wirkung ist leicht durchschaubar: Mit dem britischen Urteil im Rücken und der Angst vor Nachforderungen in Millionenhöhe sollen Anwenderunternehmen dazu gebracht werden, sich möglichst schnell und von sich aus dem neuen Preismodell zu unterwerfen, um so die Front der Gegner in den Anwendervereinigungen auszuhöhlen. Es ist die altbekannte Taktik des Löwenrudels, das die schwächsten Zebras zuerst frisst – nur dass hier am Ende irgendwann die gesamte Herde verspeist werden soll.
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Zeine ist allerdings bereits seit 2001 bei SAP. Sie sollte sich daher eigentlich noch an die Auseinandersetzungen um das neue Wartungsmodell Enterprise Support und die damit einhergehende Preiserhöhung sowie die Hartnäckigkeit insbesondere der DSAG beim Kampf um Verbesserungen im Interesse der Anwender erinnern können. Derzeit gibt es keinen Anlass anzunehmen, die DSAG werde bei den Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die indirekte Nutzung schneller nachgeben oder sich weniger vehement einsetzen.
Festzuhalten ist allerdings, dass nicht nur SAP ein Problem mit der “indirekten Nutzung” seiner Software hat. Auch zwischen Oracle und dessen Anwender ist das hierzulande ein heißes Thema. Nach Ansicht von silicon.de-Gastautor Robert Fleuter in einem die indirekte Nutzung bei Oracle eine zusätzliche Möglichkeit, die Nutzer zur Kasse zu bitten. Laut Fleuter müsse aber im Fall von Oracle “genau geprüft werden”, ob Oracle überhaupt Anspruch auf zusätzliche Lizenzen hat.