Oracles Lizenzpolitik: Europäischen Großkunden platzt der Kragen

Die französische Anwendervereinigung Cigref und ihr europaweit tätiges Pendant EuroCIO, in dem auch die deutsche Anwendervereinigung VOICE vertreten ist, haben sich in einer gemeinsamen Stellungnahme bitterlich über Oracle beschwert. Nach zehn Jahren als Vermittler zwischen Anwendern und Oracle komme man nun nicht mehr umhin, eine deutliche Verschlechterung der Qualität des Austauschs und er vom Hersteller angebotenen Services zu konstatieren. Damit spreche man nicht nur für Enterprise-Kunden in Frankreich, sondern in ganz Europa.

Ärger hat sich bei der von Air France über Danone, Europcar und Renault bis zu Société Général und Total namhafte Großkunden vertretenden Cigref vor allem darüber angestaut, dass Oracle auf ein Schreiben vom 25. Februar einfach nicht geantwortet hat. Darin wurde um eine Einigung zwischen Oracle und VMware gebeten, um die seit Jahren bestehenden Unklarheiten bei der Nutzung von Oracle-Lizenzen in virtualisierten Umgebungen zu beseitigen.

50 Prozent der Großkunden denken über Abkehr von Oracle nach

Oracles Verhalten gegenüber seinen Kunden und Geschäftspartnern könne man inzwischen nur noch als “untragbar” bezeichnen, so die erboste Cigref. Dass man damit keine Minderheitenmeinung vertritt, will die Cigref durch einen Verweis auf die “Supplier Satisfaction Survey” der Partnerorganisation EuroCIO von Ende 2016 belegen.

Von den befragten europäischen Großfirmen sind demnach 80 Prozent unzufrieden mit der mangelnden Flexibilität der von Oracle angebotenen Verträge, 75 Prozent halten die Lizenzbedingungen für zu unflexibel und 60 Prozent würden für die aktuell von ihnen genutzten Produkte lieber auf einen anderen Lieferanten zurückgreifen. 50 Prozent entwickeln demnach derzeit sogar eine Exit-Strategie für ihre Beziehung zu Oracle.

Angesichts der Stimmung unter den Mitgliedern und des unakzeptablen Verhaltens von Oracle habe zumindest die Cigref bereits Schritte eingeleitet, um diejenigen, die Oracle den Rücken kehren wollen, bei der Ausarbeitung einer geeigneten Strategie aktiv zu unterstützen und zu beraten. Nichtsdestotrotz würde man sich bei den Anwendern wünschen, dass Oracle an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Eine gewisse Hoffnung setzen sie darauf, dass es offenbar zumindest EuroCIO gelungen ist mit Tino Scholman, Vice-Président Cloud bei Oracle Europa, ins Gespräch zu kommen.

Besonders dringenden Klärungsbedarf besteht offenbar darüber, wie Oracle bereits 2014 mit vSphere 5.1 eingeführten Funktionen auszulegen gedenkt. Durch die drohen den Anwendern offenbar ähnlich horrende Lizenzforderungen wie durch das Konzept der “indirekten Nutzung” bei SAP. Auch das ist für Oracle-Anwender kein unbekanntes Thema.

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Mit Version 5.1 von vSphere hatte VMware die Möglichkeit eingeführt, virtuelle Maschinen zwischen Clustern zu verschieben. Nach Ansicht von Oracle ist seitdem nicht mehr nur das Cluster zu lizenzieren, sondern das gesamte vCenter, in dem Oracle-Software installiert ist oder läuft. Oder anders gesagt: Statt Lizenzen zum Beispiel für eine Datenbank pro Cluster zu erwerben, muss für die gesamte Server-Farm unter ESX und alle Cluster bezahlt werden. Das ist ein bisschen so, als ob man im Kino eine Eintrittskarte kauft und dann für jeden Sitz, auf den man sich möglicherwiese setzen könnte, noch einmal ein Gebühr entrichten muss.

Oracle setzte damit eigentlich nur seine zuvor geübte Lizenzpolitik konsequent fort. Für die Anwender könnte das aber unter Umständen eine Erhöhung der Lizenzkosten im Bereich von mehreren zehn Millionen Euro mit sich bringen – ohne dass sie im Gegenzug Oracle-Software intensiver nutzen.

Streit zwischen Oracle und Anwendern schwelt schon seit 2014

Die DOAG hatte auf den Sachverhalt bereits vor drei Jahren hingewiesen und sich gut ein halbes Jahr später einem offenen Brief der Campaign for Clear Licensing angeschlossen. Bereits darin wurde Mitte 2015 Oracles Kommunikation und Informationspolitik als “verbesserungswürdig“ bezeichnet. Außerdem wünschte sich die DOAG bereits damals mehr Engagement von Oracle und forderte “mehr Kundenorientierung, ein stärkeres Eingehen auf die Wünsche und Probleme der Kunden und ein Anpassen von Oracles Lizenzpolitik an Marktgegebenheiten.”

Kurz darauf verschärfte sich die Problematik mit der Version 6.0 von vSphere noch weiter. Denn damit wurde auch ein Verschieben von laufenden VMs über vCenter-Grenzen hinweg möglich. Nach Auffassung von Oracle müssen damit sämtliche vCenter, auf die sich die Software potenziell verschieben lässt, lizenziert werden.

VMare hat inzwischen für seine Nutzer Tipps gegeben (PDF), wie sie die Lizenzkosten durch geschickte Nutzung der VMware-Produkte reduzieren können. Offenbar ist das dort beschriebene Verfahren – ein vCenter speziell für Oracle aufzusetzen – aber nicht für alle Oracle-Kunden machbar oder es bleiben Zweifel, ob es den Oracle-Lizenzbedingungen genügt. Und anstatt seinen Kunden einen gangbaren Weg zu vernünftigen Kosten aufzuzeigen, scheint Oracle sie einzuschüchtern und mit Fehlinformationen oder unvollständigen Informationen zu verwirren, wie das Beratungsunternehmen License Consulting schreibt.

Doch möglicherweise hat der US-Konzern den Bogen nun doch überspannt. Wenn keine schnelle Einigung erfolgt und die 50 Prozent der angeblich wechselwilligen Oracle-Anwender tatsächlich Ernst machen, dann dürfte das zu erheblichen Einbußen führen – und möglicherweise einen Teufelskreis auslösen. Denn um die sinkenden Lizenzeinnahmen zu kompensieren, bleibt Oracle dann wohl nur, noch aggressivere Audits durchzuführen, was im Gegenzug noch mehr Kunden vergraulen dürfte.

Redaktion

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