Wieviel Cloud darf es im Self-Service sein?
Cloud-Infrastrukturen wollen Firmen gerne standardisiert und automatisiert vom Provider erhalten. Doch beim Betrieb greifen Automatisierung und Self-Service nur eingeschränkt. Der IT-Administrator muss entscheiden, was er in der Cloud abbildet und was er besser als Managed Service bezieht.
In den vergangenen Jahren brachen die Zahlen zur Cloud-Nutzung in deutschen Unternehmen einen Rekord nach dem anderen. Mit dem wachsenden Reifegrad, zunehmender Automatisierung der Cloud und der Diversifizierung potenzieller Anbieter, setzen Unternehmen immer häufiger mehrere, verschiedene Cloud-Ressourcen ein. Dem entsprechend sehen sich immer mehr Administratoren in den IT-Abteilungen der Aufgabe gegenüber, nicht nur eine, sondern gleich zwei oder noch mehr Clouds unter einen Hut zu bringen.
Dabei stapeln sich verschiedene Workloads und die Komplexität steigt mit jedem neuen Service. Daher ist es wichtig zu überlegen, ob die IT-Abteilung in der Lage ist, alles im Self-Service abzudecken oder nicht. Das hängt mit ihrem Know-how und verfügbaren Ressourcen wie Kostenbudgets und Manpower zusammen.
Darüber hinaus kommt es auch darauf an, welcher Provider hinter der Cloud-Infrastruktur steht. Wer beispielsweise Infrastruktur-Ressourcen von den großen Playern wie Amazon Web Services (AWS), Azure oder Google bezieht, steht nach dem Deployment der Services allein da: Alle Aufgaben, die über die reine Infrastruktur hinausgehen, sind vom Nutzer im Self-Service zu erbringen. Zwar ist die Bereitstellung der Ressourcen hochgradig automatisiert und standardisiert, doch die nachfolgenden Aufgaben zum Aufbau der Cloud sowie Anbindung an das eigene Netzwerk bleiben vollständig der IT-Abteilung überlassen.
Was kann die IT-Abteilung leisten?
Zu diesen Aufgaben gehört beispielsweise, sich in das Frontend des Service einzuarbeiten, relevante Systemkomponenten wie Firewall, Backup oder einen HA-Proxy als Loadbalancer einzurichten sowie das OS-Management. Fehlen im Unternehmen dazu Wissen oder Zeit, kommt es schnell zu Problemen mit der Cloud. Anvisierte Vorteile wie eine größere Geschwindigkeit oder geringere Infrastrukturkosten gehen verloren.
Zwar hat AWS erst kürzlich einen Managed Service gestartet, doch ist dieser einer exklusiven Zielgruppe der 1000 größten US-amerikanischen und den 2000 größten Unternehmen weltweit vorbehalten. Unternehmen, die nicht in diese Kategorie fallen, sind auf die Unterstützung von anderen Anbietern und Managed Service Providern angewiesen.
Wer diesen Schritt gehen muss oder will, sollte bei der Provider-Wahl genauer hinschauen: In einigen Fällen kombinieren Provider Angebote von AWS und eigenen Managed Services. Daher ist zu prüfen, ob das Gesamtangebot preislich dann immer noch so attraktiv ist? Oft lohnt sich der direkte Vergleich mit Cloud Providern, die von Grund auf eigene Clouds und Managed Services anbieten. Hier haben sich in den vergangenen Jahren deutsche Anbieter etabliert, die sogar die großen Player preislich unterbieten und zusätzliche Mehrwerte mitliefern.
Relevanz von Managed Services steigt
Zu den klassischen Aufgaben, die Managed Service Provider neben dem Betrieb der Lösungen übernehmen, gehören das Monitoring und Reporting der Cloud Services. Dies hängt vor allem mit den abgeschlossenen Service Level Agreements (SLAs) zusammen. Der Anbieter prüft die Verfügbarkeit und Sicherheit der bereitgestellten Infrastruktur und darauf laufender Services. Ob Unternehmen Software als Self-Service oder Managed Service einsetzen, hängt davon ab, wie sensibel die darin verarbeiteten Informationen sind. Selbst entwickelte oder direkt mit dem produzierenden Geschäft verbundene Anwendungen verantworten Unternehmen in der Regel meist in Eigenregie.
Eine noch relative junge Thematik sind Container-Technologien, die verstärkt als Managed Service nachgefragt sind. Dies liegt zum einen an den sehr speziellen Kenntnissen, die für den Container-Einsatz notwendig sind, zum anderen auch an dem Tempo, mit dem sich die daran gekoppelten Plattformen und Tools weiterentwickeln. Setzen sich Container in Unternehmen weiter durch, wird hier der Anteil an Self-Service mit zunehmender Standardisierung der Technologien und dem Enablement der IT-Abteilungen wachsen.
Dies wiederum hängt auch mit der steigenden Zahl an Applikationen in Unternehmen zusammen, die in naher Zukunft einen Hauptschwerpunkt der eigenen IT ausmachen. Stehen dann Aufgaben zu Softwareentwicklung, Integration und Betrieb von Anwendungen im Fokus, bietet es sich an, alle grundlegenden Aufgaben zu Infrastruktur, Netzwerk, und Plattform einem Provider anzuvertrauen.
Ob Managed Services grundsätzlich in Frage kommen, hängt neben den Aspekten wie Know-how, Manpower und Kosten also ebenso von den strategischen Handlungsfeldern der IT-Abteilung ab. Insgesamt steigt die Bereitschaft, einige Tasks der IT-Abteilung auszulagern. Die Studie “Disruption im Datacenter” des Analystenhauses Crisp Research und des IT-Spezialisten Nexinto hat gezeigt, dass die Relevanz von Managed Services sowohl auf Basis einer Private als auch Public Cloud für die Hälfte der IT-Entscheider stark oder sehr stark steigt. Fünf Prozent sehen bereits die Managed Public Cloud als primäres IT-Sourcing-Konzept der Zukunft. Hier ist in den nächsten Jahren von einem deutlichen Anstieg auszugehen.
Knackpunkt Multi Cloud
In den seltensten Fällen ist ein Unternehmen im Stande, ausschließlich in der Public Cloud mit “reinem” Self Service oder komplett in der Private Cloud per Managed Service zu agieren. Eine Lösung wäre die Kopplung beider Welten zu einer Multi Cloud. Doch dabei ist Vorsicht geboten: Die Ankopplung unterschiedlicher Stacks und deren Management ist komplex und wirkt sich zusätzlich auf andere Aufgabenbereiche wie Firewall und Loadbalancer aus.
Hier punkten Multi Cloud Provider, die Public und Private Cloud komplett gemanagt miteinander in Interaktion bringen und als eine Multi Cloud nach außen darstellen. Die Krux der meisten Multi-Cloud-Angeboten istallerdings die eingeschränkte Entscheidungsfreiheit für Unternehmen, welche Aufgaben sie in diesem Cloud-Geflecht selbst erbringen. Hinzu kommt, dass die Kunden dieser Provider etwa für die Nutzung von Managed Applications immer auf eine Private-Cloud-Lösung wechseln.
Entsprechende Prozesse sind bei fast allen Providern ausschließlich auf Private-Cloud-Modelle ausgelegt. Das ist für Unternehmen unter Umständen mit deutlich höheren Infrastrukturkosten verbunden. Darüber hinaus entstehen gegebenenfalls neue Compliance-Risiken. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Anbieter als Reseller Cloud-Infrastrukturen von AWS in seinem Angebot integriert hat, das Anwenderunternehmen US-amerikanische Anbieter aber grundsätzlich ausschließt.
Oft heißt es bei der Cloud im Hinblick auf das Service-Modell: entweder ganz oder gar nicht. Nur wenige Provider bieten hier noch eine dritte Möglichkeit. Um einen einfacheren Mix aus Self-und Managed Services zu ermöglichen, bieten sie konfigurierbare Cloud-Services basierend auf einer zur Verfügung gestellten Infrastruktur an. Sogenannte “One Clouds” kommen ohne die komplizierten Kopplungen zu einer Multi Cloud aus, da sie modulare Möglichkeiten des Service-Modells bereits enthalten.
In einem Frontend wählt der Administrator aus, welche Aufgaben wie OS-Management, Firewall oder Backup er selbst leistet oder als Managed Service beziehen will. Möchten Unternehmen an diese One Cloud zusätzlich noch Services anderer Cloud Provider anbinden, ist diese als Teil einer Multi Cloud integrierbar.
Fazit
Entsprechend ihrer vorhanden Ressourcen haben Unternehmen heute die Möglichkeit, nahezu alle relevanten Aufgaben zu Security, Storage oder Applikationen als Managed Services zu beziehen. Unternehmen wünschen sich allerdings flexiblere Möglichkeiten, zwischen Self- und Managed Service zu entscheiden. Hier gibt es zwar Wege, dies über Multi-Cloud-Strukturen zu erreichen, doch entstehen dort neue Anforderungen in Hinblick auf Management und Interoperabilität.
Darüber hinaus bietet ein Großteil der Provider keinen Mittelweg zwischen den Service-Modellen. Noch relativ neu sind hybride Strukturen, die als One Cloud die Modularität der Services bereits enthalten und von der IT-Abteilung selbst zu konfigurieren sind.
Über den Autor
Peter-André Still ist Chief Business Cloud Officer bei Nexinto. Das Unternehmen beschäftigt rund 200 erfahrene IT-Experten und positioniert sich als Lösungsanbieter für das Management geschäftskritischer IT-Systeme. Über die zwei eigenen Rechenzentren managt Nexinto über 20 Prozent des gesamten deutschen E-Commerce-Marktes. Außerdem begleitet Nexinto Unternehmen bei der digitalen Transformation. Dazu liefert eszukunftsfähige IT-Konzepte, Entwicklung und Betrieb von Multi-Cloud-Infrastrukturen, Lösungen für Digital Workplace, Data Intelligence und Internet of Things sowie IT Security Services und Application Management.