Auch wenn oftmals der Eindruck entsteht, dass die Veränderungen, die das “Internet der Dinge” mit sich bringen, unser Leben als Verbraucher völlig umkrempeln, so machen sich die größten Auswirkungen doch eher in den Werkshallen der Unternehmen bemerkbar.
Industrieprodukte werden zunehmend mit Sensoren und kabellosen Verbindungen ausgestattet und das bei sinkenden Kosten: Von Flugzeugen, die während des Flugs einen konstanten Datenstrom zur Absturzprävention senden, bis hin zu Kränen und Hebezeugen, die Daten über den Grad ihrer Beanspruchung liefern, ermöglicht das industrielle Internet Herstellern, den Einsatz ihrer Produkte zunehmend komplexer zu erfassen. Sie erhalten damit wertvolle Erkenntnisse sowohl für die Entwicklung neuer Produkte und einen besseren und effizienteren Service, als auch Informationen für die Prognose möglicher, zukünftig auftretender Fehler. Denn erst so können Kunden den optimalen Mehrwert abschöpfen.
Was jedoch bei der großen Fülle an Möglichkeiten offen bleibt, ist die Verknüpfung der gelieferten Daten mit den Auswertungen, die Kunden angeboten werden. Sensoren an Maschinen können beträchtliche Informationsmengen überwachen. Deshalb stellt sich nicht die Frage, was man überwachen kann, sondern was man überwachen sollte. Anders gesagt: In welchen Bereichen gibt es einen sinnvollen und für den Kunden nützlichen, direkten Zusammenhang zwischen der Sammlung von Daten und einer Wertschöpfung für den Kunden?
Kunden schätzen praktische Erkenntnisse, die ihnen bei der Verwaltung ihrer Maschinen und Anlagen helfen. In der Hebebranche z.B. lässt sich aufzeigen, wie sich die Lebensdauer eines Krans signifikant verkürzt, wenn er bei voller Geschwindigkeit abgebremst wird, statt schrittweise zu verlangsamen. Erhält der Kunde diese Information mit genauer Datums- und Zeitangabe, lässt sich präzise feststellen, in welcher Schicht der Kran falsch bedient wurde. Der Kunde kann dann ermitteln, welche Angestellten eine Schulung benötigen, um ihre Fähigkeiten bei der Maschinenbedienung zu optimieren. So lässt sich die Einsatzdauer eines Krans um bis zu 30 Prozent verlängern.
Und hier wird auch das Dilemma der Hersteller deutlich: Warum sollte ein Anlagen- oder Maschinenbauer die Lebensdauer der Geräte um 30 Prozent verlängern wollen? Die Antwort lautet: Weil die erfolgreichen Unternehmen der Zukunft nicht einfach die besten Produkte herstellen, sondern die wertvollsten Daten erfassen und sie den Kunden möglichst nutzbringend zur Verfügung stellen. Auf Produktveralterung basierende Geschäftsmodelle sind zukünftig nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber Anbietern, die detaillierte Informationen bereitstellen, um kostenintensive Kapitalgüter über eine lange Lebensdauer hinweg zu verwalten (und zu verbessern).
Michael Porter von der Harvard Business School prognostiziert, dass die Zunahme kabellos verbundener Produkte und der daraus resultierende Einstieg der Hersteller in den Kampf um Kundenbindung ein „neues Zeitalter des Konkurrenzkampfes“ hervorbringen wird. Und, wie die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) in einem aktuellen Bericht feststellt, werden Unternehmen, die derartige Dienste nicht bieten können, „unter Umständen schnell ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren“.
Ein Hersteller, der über eine jahrelange Zusammenarbeit aus dem Einsatz seiner Maschinen oder Anlagen beim Kunden eine effiziente Datensammlung und -auswertung erstellt, baut eine starke Bindung zu seinen Kunden auf. Und das nicht auf der Basis einer einzelnen Transaktion, wie der Lieferung eines Ersatzteils oder eines Geräteaustausches, sondern auf Grund einer beständigen Kooperation. Je wichtiger ein Dienstleister ist, desto eher wird er vom Kunden höhere Margen erlangen können.
Einige Unternehmen gehen dies gerade an. So verkauft zum Beispiel John Deere, Hersteller von Landtechnik, nicht einfach Gerätschaften. Mit der Konstruktion von Maschinen, die Daten über Wetter und Bodenkonditionen empfangen können, erleichtert das Unternehmen Landwirten die Entscheidungsfindung über Zeit und Ort von Aussaat und Ackerbearbeitung, um so den Ertrag zu steigern.
Um smarte Produkte in vollem Umfang profitabel zu nutzen, werden sich auch etablierte Hersteller neu aufstellen müssen. Eine aktuelle Studie der Economist Intelligence Unit (EIU) stellt fest, dass in den Vereinigten Staaten nur 19 Prozent der Unternehmen Veränderungen planten, um das Potenzial von Industrie 4.0 auszuschöpfen. Und lediglich 39 Prozent hatten Weiterbildungen für Qualifikationen im Bereich Digitalisierung eingeführt. Doch jene Hersteller, die derartige Schritte unternommen haben, können bereits jetzt einen Nutzen erkennen. Die EIU-Studie zeigt, dass vier von fünf Unternehmen über Umsatzzuwachs, eine verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation sowie Kostenreduzierung und eine höhere Kundenzufriedenheit berichten.
Deutschland gibt bereits jetzt das Tempo bei der Digitalisierung von Arbeitsplätzen vor – doch nun muss auch der Sprung von der reinen Digitalisierung hin zur Monetarisierung dieser Technologie erfolgen: Der Mehrwert von Industrie 4.0 muss tatsächlich bei den Kunden ankommen.
Auch die Regierung versucht, dies voranzutreiben, indem sie Arbeitsgruppen einrichtet, die Handelsorganisationen und Ministerien für Arbeitgeber und Wissenschaft erschließen. Möglicherweise müssen ganze Unternehmensstrategien neu gedacht werden, das heißt Verkaufsmentalitäten müssen durch langfristige Kooperationsmodelle ersetzt werden. Fest steht jedoch, dass diese Überlegungen für jeden Hersteller, der im digitalen Zeitalter Erfolg haben will, unumgänglich sind.
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