Welche Vorteile Gaia-X für Cloud Computing bringen kann
Mit Gaia-X entwickeln Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf europäischer Ebene einen Vorschlag zur Gestaltung der nächsten Generation einer europäischen Dateninfrastruktur. Jutta Rößner, Geschäftsleitungsmitglied mit Zuständigkeit für das Ökosystem und Enterprise Architecture Management bei DATEV, erklärt, warum die DATEV eG als IT-Dienstleister für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie deren zumeist mittelständische Mandanten sich bei Gaia-X engagiert.
Wie engagiert sich DATEV bei Gaia-X?
DATEV ist Day-1-member in der Gaia-X AISBL (Europäische Vereinigung für Daten und Cloud). Ziel der Initiative ist es, gemeinsame Standards und Regeln zu entwickeln und damit die Grundlage für eine leistungs- und wettbewerbsfähige, sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur für Europa zu schaffen – ein Anliegen das DATEV unterstützt. Wir engagieren uns bei Gaia-X mit dem Ziel, die Anforderungen des steuerberatenden Berufsstands und des Mittelstands im Standardisierungsprozess zu vertreten. So soll sichergestellt werden, dass diese sich als Anwender von IT digital souverän sowie rechtssicher bewegen können, auch im Rahmen der in Gaia-X relevant werdenden regulatorischen Rahmenbedingungen. Dabei bringt sich DATEV dafür sowohl in der Rolle des Nutzers als auch des Anbieters von Lösungen und Infrastruktur in unterschiedlichen Arbeitsgruppen ein. In diesem Kontext haben wir beispielsweise erste Dokumente zu Policy Rules und Architektur kommentiert und mitbearbeitet, sowie gemeinsam mit Partnern Überlegungen zu möglichen Anwendungsszenarien gestartet.
Welche Vorteile sehen Sie für Unternehmen und den steuerberatenden Berufsstand, gerade im Vergleich zu bestehenden Dateninfrastrukturen?
Bei Gaia-X sollen Normen und Standards erarbeitet werden, die die digitale Welt im Sinne europäischer Werte gestalten. Wer Daten erzeugt, soll auch bestimmen können, wer was mit diesen Daten macht. Diese Überzeugung leben wir bei DATEV seit unserer Gründung. Trotz höchster Ansprüche an Sicherheit und Datenschutz steht auch die Kundenfreundlichkeit (etwa Interoperabilität) im Fokus. All diese Ziele decken sich mit denen von DATEV: Letztlich sollen sie den Unternehmen und ihren steuerlichen Beratern medienbruchfreie und effiziente Geschäftsprozesse und Zusammenarbeit ermöglichen. Übergreifende Standards sind dafür der Schlüssel.
Welche Vorzüge in den Bereichen Sicherheit, Datenschutz und Compliance stehen aus Ihrer Sicht im Vordergrund?
Ein Engagement bei Gaia-X garantiert, dass Nutzerinnen und Nutzer von DATEV-Lösungen ebenso wie DATEV selbst frühzeitig und weiterhin sicher sein können, in allen notwendigen Bereichen rechtssicher und regeltreu zu arbeiten. Im besten Fall ermöglicht Gaia-X unseren Nutzern eine einfachere, aber noch sicherere Anwendung nicht nur von DATEV-Software. Hintergrund ist, dass schon heute zahlreiche regulatorische Rahmenbedingungen (Berufsrecht, Steuergeheimnis…) das Handeln der Steuerberaterinnen und Steuerberater bestimmen – und damit auch das der DATEV als deren Genossenschaft. Zudem müssen wir uns noch an zahlreiche regulatorische Vorschriften in verschiedenen Bereichen der IT (IT-Sicherheitsgesetze, Datenschutz etc.) halten, um z.B. den Anspruch eines besonders sicheren Rechenzentrums erfüllen zu können. Diese Vorschriften sollen in Gaia-X bearbeitet und vorgedacht werden.
Sehen Sie die Möglichkeit für neue, cloudbasierte Lösungen mit Gaia-X, die bislang nicht aus der Cloud zu beziehen sind, zum Beispiel aus Compliance-Gründen?
So oder so werden wir neue, cloudbasierte Lösungen bereitstellen. Innovative Angebote für unsere Kunden zu schaffen und sich dabei vielversprechende neuartige bzw. State-of-the-Art Technologien zu Nutzen zu machen, ist schon immer unser Anliegen. Mit Gaia-X aber werden, so die Hoffnung, die Reibungsverluste bei der Entwicklung, Bereitstellung und Skalierung geringer, und wir können unser Angebot gemeinsam mit Partnern für unsere Kunden ausbauen und noch besser synchronisieren, um ihnen die bestmöglichen Lösungen für ihre Herausforderungen bieten zu können.
Wie sehen die zeitlichen Planungen aus für DATEV-Kunden, die von Lösungen auf Basis von Gaia-X profitieren wollen?
Wenn wir Gaia-X als das große Standard- und Interoperabilitätsprojekt ansehen, das ich eben beschrieben habe, dann kann man hier nicht einfach ein Datum für eine Fertigstellung nennen. Es geht vielmehr um einen kontinuierlichen, vertrauensvollen Prozess, in dem wir die Standardisierung immer weiter vorantreiben. Für Innovationen, wettbewerbsfähige Lösungen und smarte Angebote bleibt ja weiterhin jedes Unternehmen selbst zuständig. Denn dieser gesunde Wettbewerb ist ja genau das, was Europa innovativ macht. Das Regelwerk, das Gaia-X uns bringt, definiert ja nur einen gemeinsamen, sicheren Rahmen für die Angebote und ihre Interoperabilität.
Wie kann man bestehende Cloud-Lösungen zu GAIA-X migrieren?
GAIA-X ist ja nicht selbst die Infrastruktur. Es geht also nicht um das Migrieren von Lösungen, sondern vielmehr darum, dass wir uns auf gemeinsame Regeln und Standards einigen, im Rahmen derer wir Angebote bereitstellen. Jeder Anbieter muss dann eben seine bestehenden oder neu zu erstellenden Lösungen Gaia-X-fähig machen, indem er Datenformate oder -beschreibungen anpasst oder entsprechende Schnittstellen einbaut.
Gibt es bei Gaia-X einen Lock-In?
Es geht bei Gaia-X nicht darum, eine Lösung zu schaffen, die alle nutzen sollen, sondern einen Rahmen, über den sich unterschiedliche Lösungen vieler Anbieter vernetzen lassen und Daten austauschen können. Insofern stellt sich die Frage nach dem Aussteigen nicht – jede Nutzungsentscheidung wird immer in der Freiheit der Anwender liegen. GAIA-X will sich vor allem auf gemeinsame Regeln und gemeinsame Standards einigen. Dazu gehört ja gerade die DSGVO-Compliance und dass das Übertragen von Daten einfach möglich ist. Gaia-X wird keine eigene Infrastruktur betreiben.