Oracle hatte gegen einen Anbieter von gebrauchten Software-Lizenzen geklagt und verloren. Die Richter stellten klar: Das ausschließliche Recht zur Verbreitung einer lizenzierten Programmkopie erschöpft sich mit dem Erstverkauf. In einer Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs heißt es weiter: “Der Grundsatz der Erschöpfung des Verbreitungsrechts gilt nicht nur dann, wenn der Urheberrechtsinhaber die Kopien seiner Software auf einem Datentrage – CD-ROM oder DVD – vermarktet, sondern auch dann, wenn er sie durch Herunterladen von einer Internetseite verbreitet.”
Trotz dieses Urteils tun sich Unternehmen schwer, gebrauchte Software-Lizenzen zu kaufen. Obwohl sie laut verschiedenen Anbietern von Gebrauchtsoftware bis zu 70 Prozent gegenüber dem Neukauf einer Lizenz sparen können. Womit ist die Zurückhaltung zu erklären? Auf was sollten Unternehmen achten, wenn sie gebrauchte Software-Lizenzen kaufen wollen? Und gibt es überhaupt genügend Lizenzen auf dem Markt? Darüber haben wir mit Michael Vilain, Director International Sales bei Capefoxx gesprochen. Das Schweizer Unternehmen verkauft gebrauchte Microsoft-Lizenzen in allen Ländern, in denen das Gesetz es erlaubt.
Trotz der „offiziellen“ Sicherheiten scheint sich der Markt für Gebrauchtlizenzen immer noch schwer zu tun. Woran liegt das?
Michael Vilain: Der Markt wurde sogar schon einige Mal für Tod erklärt. Insbesondere dann, wenn Microsoft sagt, sie würden keine weiteren Versionen von Office auf den Markt bringen. Dann dauert es vielleicht drei oder vier Jahre, bis man sie wieder als gebrauchte Lizenz verkaufen kann. Ein anderes Thema ist die Cloud. Wenn tatsächlich nur noch alles aus der Cloud kommt, dann wird das Geschäft mit gebrauchten Lizenzen schnell aussterben, weil wir dann keine Lizenz mehr kaufen können. Aber davon sind wir noch weit entfernt. Es gibt trotz Digitalisierung und Cloud noch immer viele Kunden, die nicht in die Cloud gehen wollen und eine unbefristete Lizenz wollen. Daher wird es in den nächsten 5 bis 7 Jahren weiterhin einen großen Bedarf an gebrauchten Lizenzen geben.
Wie hoch schätzen Sie das Marktpotenzial für gebrauchte Microsoft-Lizenzen ein? Irgendwo zwischen 1 und 250 Millionen Euro. Das ist wenig im Vergleich zu den Gesamteinnahmen von Microsoft in Europa, die wahrscheinlich bei etwa fünf Milliarden Euro liegen. Der Grund, warum es nicht mehr ist: Microsoft hat einen sehr starken und vertrauenswürdigen Resellerkanal.
Ist der Markt für gebrauchte Lizenzen denn ein weltweiter Markt?
Nein, denn das hängt von den jeweiligen Rechtsvorschriften ab. In der EU gilt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, also darf in der EU auch überall mit Lizenzen gehandelt werden. In der Türkei oder der Schweiz zum Beispiel dürfen auch gebrauchte Lizenzen verkauft werden, aber nur innerhalb dieser Länder. Bei britischen Lizenzen ist der Handel innerhalb der EU erlaubt, wenn die Lizenzen vor dem Brexit gekauft wurden. Nach dem Brexit gekaufte Lizenzen dagegen, lassen sich auch nur in Großbritannien verkaufen.
Was ist mit Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland, aber mit Niederlassungen außerhalb der EU. Dürfen Lizenzen auch in diesen Niederlassungen genutzt werden
Das geht nur innerhalb der EU. Außer ein Land erlaubt den Einsatz gebrauchter Lizenzen. Die jeweiligen Bedingungen schauen wir uns genau an, da es hier einige Fallen gibt. Wir bekommen Anfragen aus Indien oder aus afrikanischen Ländern. Aber oftmals ist das Gesetz nicht existent oder der Lizenzhandel ist verboten, zum Beispiel in den USA.
Gibt es denn trotz rechtlicher Klarstellung durch den EU-Gerichtshof Risiken für den Käufer von gebrauchten Lizenzen?
Man sollte schon wissen, woher die Lizenzen kommen. Ansonsten geht man das Risiko ein, nicht verifizierte Lizenzen zu kaufen, die dann gesperrt werden. Dies ist besonders wichtig für Unternehmen, die Gefahr laufen, von Microsoft überprüft zu werden. Wenn die Lizenzen nicht rechtskonform sind, erhalten sie eine Geldstrafe für die Verwendung gefälschter Software. Wie empfehlen ihnen, nicht allein auf den Preis einer Lizenz zu schauen. Es werden im Internet Office-Lizenzschlüssel für 5 Euro angeboten, von denen nicht bekannt ist, woher sie kommen und wie oft sie vielleicht verkauft wurden. Privat kann man das Risiko vielleicht noch eingehen. Wird eine Lizenz gesperrt, kaufen manche sich die nächste für ein paar Euro. Aber wer Lizenzen für mehrere tausend Geräte kauft, geht ein großes finanzielles und rechtliches Risiko ein. Das Geld ist weg und Microsoft geht vielleicht auch noch zurecht dagegen vor.
Wie setzen sie die Expertise von Deloitte ein?
Es besteht bei den Unternehmen nach wie vor viel Rechtsunsicherheit, ob sie gebrauchte Lizenzen erwerben dürfen. Daher arbeiten wir mit Deloitte zusammen, wenn Kunden dies wünschen. Sie validieren dann als externe Prüfer die Lizenzvergabekette und stellen sicher, dass es keine Ungereimtheiten bei den Lizenzen gibt. Sie überprüfen zum Beispiel, woher die Lizenzen stammen. Dank Deloitte können wir sicherstellen, dass große Unternehmen diese Lizenzen auch wirklich nutzen können. So können wir garantieren, dass der Lizenzankauf und der Verkauf so abgelaufen sind, wie der Europäische Gerichtshof es verlangt.
Es gibt Anbieter von gebrauchten Lizenzen, die zertifiziert sind. Reicht eine solche Zertifizierung nicht aus?
Wir haben uns bewusst für einen anderen Weg entschieden, da eine Zertifizierung einmal gemacht wird, aber der Kauf von Lizenzen jedes Mal neu bewertet werden muss. Wirtschaftsprüfer prüfen aber bei Bedarf jedes Geschäft und müssen mit Geldstrafen rechnen, wenn sie ihre Arbeit nicht richtig machen. Wir sind davon überzeugt, dass das unseren Kunden noch mehr Sicherheit bringt.
Sie sagen, ein Unternehmen kann bis zu 70 Prozent durch den Kauf von gebrauchten Lizenzen einsparen. Wie soll das gehen?
Es hängt natürlich vom Alter der Lizenzen ab. Aber diese Zahl ist absolut realistisch. Wenn Sie heute ein neues Office 2021 zum niedrigsten Pries kaufen, kostet eine Lizenz etwa 470 Euro. Wenn Sie aber feststellen, dass für ihre Arbeit eine 2016er Version ausreicht, bezahlen Sie dafür nur etwa 80 Euro. Das ist ein großer Unterschied. Und wenn Sie die 2019er haben wollen, zahlen Sie vielleicht 200 Euro. Das sind immer noch mehr als 200 Prozent Ersparnis gegenüber einer neuen 2021er Lizenz.
Aber Sie bekommen nicht die neuesten Software-Versionen?
Das stimmt. Die Frage ist aber, brauchen Sie immer die neueste Version einer Software? Wenn ja, dann kommen Sie nicht an neuen Lizenzen vorbei. Manchmal reicht es aber, ein paar Monate zu warten, bis die neuesten Versionen schon als gebrauchte Lizenzen auf den Markt kommen.
Und nicht jede neue Version enthält neue Features, die wirklich gebraucht werden.
Daher sollten Unternehmen den tatsächlichen Bedarf genau analysieren. Was wird tatsächlich von wie vielen Mitarbeiter*innen genutzt? Ein aktuelles Beispiel ist Teams. Weil jeder jetzt von New Work und hybridem Arbeiten spricht, heißt dies noch lange nicht, dass wirklich alle Teams brauchen. An dieser Stelle kommt dann unsere Hybridlösung ins Spiel. Vielleicht macht Teams nur für ein Drittel Sinn. Für die anderen würde eine Lizenz ohne Teams vollkommen ausreichen. Ich bin mir auch sicher, dass die wenigsten die Unterschiede zwischen Office 2016 und Office 2019 erkennen würden. 95 Prozent sind identisch.
Wie nutzen die Unternehmen denn ihre vorhandenen Lizenzen?
Es ist teilweise absurd, welches Geld quasi verschleudert wird. Wir haben zum Beispiel einer großen Bank in Großbritannien Lizenzen von 200.000 Benutzern abgekauft. Diese Desktop-Lizenzen hat die Bank nie eingesetzt. Das heißt: Die Bank hat über viele Jahre Microsoft für Produkte bezahlt, die sie nie installiert hat. Sie können sich ausrechnen, wie viele Millionen Euro das sind. Dies ist kein Einzelfall. Solche Unternehmen gibt es in ganz Europa. Und niemand hinterfragt in diesen Unternehmen, wenn Lizenzverträge verlängert werden, obwohl niemand diese Lizenzen nutzt.
Im 2. Teil des Interviews geht es um die Zahl der verfügbaren Lizenzen, ob Volumenlizenzen auch als Einzellizenzen verkauft werden dürfen und wie es mit dem Support von gebrauchten Software-Lizenzen aussieht.
Weitere Infos in diesem Whitepaper über die Vorteile von gebrauchter Software
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