Industrie 4.0 Barometer: China und USA an der Digitalisierungsspitze, DACH stagniert

Professor Kranz, LMU München: “Unternehmen, die ihre Hausaufgaben in puncto Digitalisierung erledigt haben, manövrieren besser durch aktuelle Krisen.“

Im internationalen Vergleich sind chinesische und US-amerikanische Unternehmen die Spitzenreiter bei der Nutzung von digitalen Technologien im Industrie-4.0-Umfeld. Dagegen stagniert der Digitalisierungsfortschritt in der DACH-Region. Das sind zentrale Erkenntnisse des Industrie 4.0 Barometers 2021, das die Management- und IT-Beratung MHP in Kooperation mit den BWL-Experten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erstellt hat.  

Unternehmen im deutschsprachigen Raum schneiden insgesamt schlechter ab als im Jahr 2020. Auch im internationalen Vergleich werden Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zunehmend abgehängt. Chinesische Unternehmen weisen beispielsweise einen um 20 Prozent höheren Einsatz von Digital Twins, eine doppelt so hohe Supply-Chain-Transparenz und eine doppelt so hohe Automatisierungs- und Fernsteuerungsrate von Anlagen auf.

Auch US-Unternehmen erreichen Spitzenwerte – mehr als die Hälfte verfügt über eine fortschrittliche technologische Infrastruktur, die künstliche Intelligenz ermöglicht. Allerdings: In den USA können nicht alle bei dem rasanten Tempo mithalten. Insbesondere die KMU und etablierten Unternehmen drohen den Anschluss zu verlieren. In Großbritannien hat die Hälfte der Unternehmen unter 100 Mitarbeiter*innen additive Fertigungsverfahren realisiert. Bei 75 Prozent finden sensorausgestattete Anlagen und autonome Roboter keine Anwendung.

Länderübergreifend: Hohe Kosten und fehlendes Know-how

Johann Kranz, Professor für Digitale Services und Nachhaltigkeit an der LMU München: „Unternehmen stehen global unter einem enormen Digitalisierungsdruck, nachdem sich die Kundenanforderungen an Produkte und Dienstleistungen durch die Digitalisierung massiv und kontinuierlich wandeln. In den zögerlichen Unternehmen werden die ökonomischen Potentiale dieses Wandels zu wenig genutzt und erscheinen so im Vergleich zu den Investitionskosten zu gering. Jedoch zeigen gerade die aktuellen Herausforderungen wie die Corona-Pandemie oder die Lieferkettenproblematik, dass Unternehmen, die ihre Hausaufgaben in puncto Digitalisierung erledigt haben, bedeutend besser durch diese Krisen manövrieren.“

Hinzu kommt mit der Ausnahme von China, dass qualifizierte Mitarbeiter*innen mit Digitalisierungskompetenz fehlen. „Es mangelt oft schlicht an der Zahl von Mitarbeiter*innen mit Know-how, um Industrie 4.0 erfolgreich und zügig umzusetzen“, ergänzt Kranz. Zu den fehlenden Fachkräften kommen insbesondere im deutschsprachigen Raum interne Abstimmungsschwierigkeiten und Bürokratie, die das Voranschreiten von Digitalisierungsprojekten bremsen.

„Die DACH-Unternehmen müssen zeitnah den Rückstand in der Digitalisierung aufholen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. International erweist sich ein CIO in der Geschäftsführung, eine Kundenfokussierung und Kollaboration als universeller Erfolgsgarant“, sagt Tom Huber von MHP.

Automobilbranche im DACH-Raum Vorreiter 

Ausnahmen sind lediglich Unternehmen aus der Automobilindustrie, die sich klar von anderen Industrien abheben: 64 Prozent der Befragten von Automotive-Unternehmen gaben an, leistungsfähige Kommunikationsarchitekturen wie 5G implementiert zu haben. Das sind 13 Prozentpunkte mehr als bei den Referenzindustrien. Ein Grund dafür ist nach eigenen Angaben der starke Digitalisierungsdruck, der bei den Herstellern und Zulieferern ausgeprägter ist als in anderen Branchen. Innerhalb der DACH-Region könnte also die Automobilindustrie das Zugpferd sein, um die Digitalisierung auch hier maßgeblich zu beschleunigen. 

 

 

 

 

 

 

An der Befragung, die im vergangenen Jahr zum vierten Mal durchgeführt wurde, nahmen 776 Expert*innen aus Industrieunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, China, UK und den USA teil.