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Influencer-Marketing: Ist „Bullshit” gleich „B******t”?

Was dürfen Influencer*innen in Social-Media-Kanälen sagen? Ob und in welcher Form müssen Instagram-Posts als Werbung gekennzeichnet werden? Aber nicht nur das Thema der Kennzeichnungspflicht bringt für Unternehmer und Influencer Unwägbarkeiten. Risikopotential für Abmahnungen und Schadensersatzansprüche besteht im Grunde schon immer dann, wenn sich Influencer – vor allem bei einer entsprechenden Reichweite – über andere Personen, Unternehmen oder deren Produkte äußern.

Einstweilige Verfügung durch Landgericht Frankfurt/M

Einer solchen Frage ging 2021 das Landgericht Frankfurt am Main nach. Eine Influencerin hatte auf ihrem eigenen Instagram-Account ein Unternehmen und dessen Produkte mit „Mehr Bullshit“ bezeichnet. Das betroffene Unternehmen hat eine einstweilige Verfügung beantragt mit dem Ziel, der Influencerin unter anderem zu untersagen, Aussagen über das Unternehmen, dessen Influencer oder Produkte mit „Mehr Bullshit“ zu bezeichnen. Das Landgericht verbot der Influencerin mit einer einstweiligen Verfügung Mitte März 2021 diese Aussage. Daraufhin titelte sie ihre Beiträge rund um Produkte des anklagenden Unternehmens mit „Mehr B******t“. Dagegen ging das Unternehmen wiederum vor, und das Landgericht verhängte ein Ordnungsgeld. Die Influencerin legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, worauf hin sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit dem Thema befasste und Ende September 2021 die Entscheidung des Landgerichts bestätigte.

Auf Juristendeutsch heißt es in der Entscheidung: „Der Verkehr wird erkennen, dass auch mit der durch Sterne verfremdeten Aussage „Mehr Bullshit“ artikuliert werden sollte. Hinzu kommt, dass das menschliche Gehirn, wie von der Antragstellerin unbestritten vorgetragen, beim Lesevorgang insbesondere die Anfangs- und Endbuchstaben eines jeden Wortes erfasst. So vorgeprägt, wird der Verkehr bei der Suche nach einem inkriminierten (Schimpf-)Wort nur auf das Wort „Bullshit“ kommen können.“

Weckruf für Unternehmen

„Dieser gerichtliche Beschluss bringt keine Rechtsänderung mit sich oder führt zu einer besonderen neuen Rechtslage. Die Entscheidung ist deshalb interessant, weil es ein sehr anschauliches Beispiel für Marketingabteilungen von Unternehmen oder Agenturen ist, die Influencer beschäftigen“, sagt Rechtsanwältin Anna Vogl von Rödl & Partner. „Es ist einfach ein Weckruf. Unternehmen sollten aufpassen, wie sich von ihnen beauftragte Influencer äußern. Selbstverständlich sind zunächst einmal die Influencer selbst dafür verantwortlich, dass sie im Rahmen ihrer Beiträge rechtliche Regeln einhalten. Sie können sich als Unternehmen dennoch nicht davon freimachen, was gesagt wird, unabhängig davon, ob das ein Angestellter oder ein vertraglich Beauftragter ist.“

Was aber das Thema auf jeden Fall für Unternehmen relevant macht: Es kann negativ auf das eigene Image zurückfallen, wenn sich Influencer*innen negativ über Mitbewerber äußern. Unternehmen sollten sich daher zu Beginn einer Zusammenarbeit beraten lassen und ein gutes Vertragswerk mit dem Influencer aufsetzen, rät Anna Vogl: „Damit lassen sich Weichen aufstellen, gegebenenfalls eine Haftungsfreistellung oder Begriffe definieren, was ein Influencer nicht sagen darf.“ Auftraggeber sollten auch darauf achten, Influencer zu sensibilisieren und zu schulen, dass sie sich nicht im privaten Raum bewegen, obwohl dies gerade den Charme des Influencer-Marketings ausmache.

Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Noch ist die Rechtslage nicht eindeutig und entwickelt sich erst seit ein paar Jahren. Es bestehen rechtliche Grauzonen. Es ist schwierig, scharfe Abgrenzungen zu definieren, was es wiederum schwierig macht zu sagen, wann die Haftung greift und wann nicht. Laut Anna Vogl ist die Rechtsprechung in Bewegung, vor allem in Bezug auf die Kennzeichnungspflicht. „Hier hat der Bundesgesetzhof Ende 2021 einige Grundsatzentscheidungen getroffen und im Mai tritt eine Novelle des UWG in Kraft. Letztlich wird hiernach jeder Beitrag kennzeichnungspflichtig sein, wenn ein Influencer hierfür eine Gegenleistung gleich welcher Art erlangt hat. Dies können Preisnachlässe auf das besprochene Produkt sein oder ein Unternehmen hat für die Werbung bezahlt.“

Zu beachten sei aber, dass sich laut jüngster BGH-Rechtsprechung eine Pflicht zur Kennzeichnung auch dann ergeben könne, wenn der Influencer für einen Beitrag mit Bezug zu einem Drittunternehmen keine Gegenleistung erhalte. Es genüge, wenn der Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich sei. „Mit der UWG-Novelle werden in einem neuen Umfeld Dinge gesetzlich geregelt, für die es bisher nur Regeln auf Basis von Richterrecht gab. Dies wird die Rechtsunsicherheit ein Stück weit verringern“, hofft Anna Vogl und zieht ein Fazit der Frankfurter OLG-Entscheidung: „Letztendlich stellt das OLG in seinem Urteil klar, dass ein Unterlassungsgebot nicht so einfach umgangen werden kann – und das gilt nicht nur für Influencer.“

Anna Vogl, Rechtsanwältin für Marken- und Wettbewerbsrecht bei der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner

Roger Homrich

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