ISG bewertet Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf IT-Services und IT-Markt

Der Krieg in der Ukraine hinterlässt auch Spuren auf dem IT-Markt, da das Land ein Schwergewicht für IT-Services in Osteuropa ist: mit vor dem Krieg über 50.000 Angestellten und deutlich mehr als 200.000 Freelancern, die für mehr als 5.000 Kunden arbeiten. Insgesamt sind mehr als 1.000 IT-Services- und Product-Engineering-Firmen in der Ukraine vertreten. Zudem ist die IT-Wirtschaft des Landes sehr exportorientiert: Etwa 50 Prozent des Umsatzes der ukrainischen IT-Industrie werden mit Unternehmen aus den USA und weitere 35 Prozent mit westeuropäischen Unternehmen erwirtschaftet. Der IT-Dienstleistungssektor in der Ukraine erwirtschaftete zuletzt jährliche Exporteinnahmen in Höhe von fast 7 Mrd. US-Dollar. Das entspricht etwa 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Hohe Investitionen in IT-Ausbildung und in Diversifizierung

Die Ukraine verfügt vor allem über eine große Zahl hochqualifizierter IT-Arbeitskräfte. Das Land hat zuletzt stark in die technologische Ausbildung und Qualifizierung investiert, was sie zu einem attraktiven Ziel für Outsourcing gemacht hat, insbesondere für Softwareentwicklung. Darüber hinaus haben führende IT-Dienstleistungsunternehmen in der Ukraine nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 ihren Personalbestand über verschiedene Länder hinweg verteilt. Dieser Ansatz hat in den letzten Jahren zu einem starken Wachstum des ukrainischen Technologiesektors beigetragen, da er das Risiko für Kunden im Ausland deutlich verringert hat.

Folge des Angriffs auf die Ukraine

Einige IT-Spezialisten haben das Land verlassen, die meisten haben einen sicheren Platz vor Ort gesucht. Dies beeinträchtigt die Lieferfähigkeit in einigen Fällen. Aus den westlichen Teilen der Ukraine erfolgen weiterhin Lieferungen. Bislang hat sich der IT-Sektor in der Ukraine nach Einschätzung von ISG als unglaublich widerstandsfähig erwiesen. Zudem bieten die IT-Firmen ihren Mitarbeitern und deren Familien weiterhin ein außerordentliches Maß an Unterstützung und Hilfe. Zugleich wurde ein Teil der Arbeit nach Polen, Rumänien usw. verlagert. Allerdings sind kurzfristige Ressourcen-Verlagerungen aus dem Land heraus bereits schwierig geworden. Zwar stellt sich ISG zufolge die Verlagerung von Engineering-Services weitgehend unproblematisch dar. Doch erbringen etwa 25 Prozent der IT-Unternehmen in der Ukraine auch Datenmanagement-Dienste. Deren Verlagerung gestaltet sich komplexer.

Mehr Investitionen in Cyber-Sicherheit sind ein Muss

Die meisten großen Unternehmen verfügen über mehrere, weltweit verteilte Entwicklungszentren und sind deshalb nicht allein auf Teams und Lieferanten in der Ukraine angewiesen. Auch ist die Ukraine nicht das einzige Land, in dem Unternehmen wegen politischer Instabilität das Risiko und den Nutzen von Lieferbeziehungen abwägen müssen. Auf jeden Fall sollten ISG zufolge alle Unternehmen ihre Business-Continuity-Pläne ständig überprüfen. Außerdem sollten sie die Risikobewertung und -überwachung durch externe Dritte ausweiten. Nicht zuletzt sei es unabdingbar, dass die Maßnahmen und das Bewusstsein für Cybersicherheit felsenfest sind, was oft zusätzliche Investitionen bedeutet.

Verlagerung an alternative Standorte

Für Kunden ukrainischer IT-Services-Anbieter liegt der Schwerpunkt im Moment vor allem auf operativen Überlegungen und der engen Zusammenarbeit mit den Anbietern, um sicherzustellen, dass die Arbeit schnell an alternative Standorte in Osteuropa verlagert werden kann. Für den Fall, dass sich der Konflikt über Monate oder länger hinzieht, geht ISG davon aus, dass einige Unternehmen gezwungen sein werden, auch langfristiger alternative Lieferstandorte zu finden – wobei vor allem Indien in den Fokus rückt. Daher liegt das Hauptaugenmerk bei Beschaffungsentscheidungen derzeit auf der Bewertung des geopolitischen/standortbezogenen Risikos.

Roger Homrich

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