High-Tech im Stall, KI auf dem Acker
Bitkom und DLG stellen neue Studie zur Digitalisierung der Landwirtschaft vor. 8 von 10 Höfen in Deutschland nutzen digitale Technologien.
Nicht nur für die Höfe in Deutschland stellt sich die Frage, wie sie ihre Produktion effizienter gestalten und gleichzeitig Umwelt und Klima schützen können. Die Digitalisierung kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten, wie eine aktuelle repräsentative Befragung unter 500 Landwirt*innen in Deutschland zeigt. So stimmen 92 Prozent der Aussage zu, dass digitale Technologien helfen, Dünger, Pflanzenschutzmittel und andere Ressourcen einzusparen. Fast zwei Drittel betonen, dass die Höfe mit Hilfe der Digitalisierung langfristig ihre Kosten senken können. Auch eine Steigerung des Tierwohls ist für 62 Prozent ein wichtiger Aspekt der Digitalisierung.
Wie Digitalisierung in der Agrarwirtschaft hilft, ist schon heute sichtbar. Insgesamt nutzen 79 Prozent der Betriebe digitale Technologien oder Verfahren. Am weitesten verbreitet sind GPS-gesteuerte Landmaschinen, mit denen große Felder sehr effizient bestellt werden können und die schon auf mehr als der Hälfte aller deutschen Höfe eingesetzt werden (58 Prozent). 39 Prozent arbeiten mit Agrar-Apps, die etwa den Pflanzenbau dokumentieren oder Echtzeitanalysen von Feldern erstellen können. Ebenfalls ein Drittel hat Systeme zum Farm- oder Herdenmanagement im Einsatz und ein Viertel (24 Prozent) intelligente Fütterungssysteme, die zum Teil das Futter für einzelne Tiere so zusammenstellen können, dass diese weniger klimaschädliches Methan ausstoßen.
Landwirtschaft ist Vorreiter bei der Digitalisierung
Besonders großes Potenzial liegt in Anwendungen für die teilflächenspezifische Ausbringung von Dünger (30 Prozent) und Pflanzenschutzmitteln (23 Prozent): So werten etwa Algorithmen Satellitenbilder von Feldern aus, erstellen Ernteprognosen und berechnen den spezifischen Düngeraufwand, damit die Nährstoffe bei der Pflanze und nicht im Grundwasser ankommen. In anderen Fällen analysieren Sensoren oder Künstliche Intelligenz Pflanzen auf dem Feld und können Unkraut von Nutzpflanzen unterscheiden. Eine großflächige Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ist damit nicht mehr nötig.
„Die Landwirtschaft ist Vorreiter bei der Digitalisierung. Wichtig ist, dass die vorhandenen Möglichkeiten noch stärker genutzt werden“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Fast jeder fünfte Betrieb (19 Prozent) lässt bereits Drohnen fliegen. Sie helfen bei der Erkennung des Pflanzenzustandes oder entdecken vor der Ernte Wildtiere im Feld und bewahren sie damit vor dem Tod. Schon jeder siebte Betrieb (14 Prozent) hat Künstliche Intelligenz oder die Verarbeitung großer Daten – Big Data – im Einsatz. „Landwirtschaftliche Produktionsprozesse sind von vielen Umwelt- und Klimafaktoren beeinflusst und haben immer mit Naturstoffen zu tun. Dies prädestiniert sie zum Einsatz digitaler Methoden auf der Basis von Künstlicher Intelligenz und Big Data“, hebt DLG-Vizepräsident Professor Till Meinel hervor.
Mangelnde Digitalkompetenz
Die Digitalisierung empfindet die Hälfte als Herausforderung. 41 Prozent haben Probleme, Mitarbeitende mit digitalem Fachwissen zu finden. Insgesamt sehen jedoch mehr als drei Viertel der Betriebe die Digitalisierung als Chance für sich. Immerhin fast jeder sechste Hof (17 Prozent) hat fest geplant, in den kommenden 12 Monaten in digitale Technologien und Anwendungen zu investieren.
Gleichwohl empfindet die große Mehrheit der Betriebe (83 Prozent) die aus ihrer Sicht hohen Investitionskosten als Hemmnis, das die Digitalisierung der Landwirtschaft mit am stärksten bremst. 65 Prozent sorgen sich beim Einsatz digitaler Tools und Anwendungen auch um mehr Bürokratie, 58 Prozent bemängeln fehlende standardisierte Schnittstellen und 54 Prozent eine unzureichende Internetversorgung. 46 Prozent sehen insgesamt auch die mangelnde Digitalkompetenz auf den Höfen als Hemmnis für die Digitalisierung. Den in ihrem Betrieb Beschäftigten haben die Befragten im Durchschnitt die Schulnote 2,8 für ihre Digitalkompetenz ausgestellt. „Nötig ist eine stärkere Förderung von Weiterbildungs- und Beratungsangeboten zur Digitalisierung landwirtschaftlicher Betriebe – und die Beschäftigten in der Landwirtschaft sollten sie dann auch wahrnehmen“, fordert Rohleder. Tatsächlich wünschen sich auch 90 Prozent der Befragten von der Politik eine Förderung digitaler Kompetenzen bei der Aus- und Weiterbildung.
Unter den Vorteilen, die die Befragten in der Digitalisierung sehen, rangieren solche ganz oben, die den Landwirt*innen persönlich helfen: 64 Prozent loben vor allem die dadurch erzielte Zeitersparnis, 63 Prozent die körperliche Entlastung. 47 Prozent profitieren von einer flexibleren Arbeitsorganisation und 3 von 10 von einer insgesamt besseren Work-Life-Balance dank Digitalisierung. 44 Prozent betonen auch, der Beruf werde durch die Digitalisierung insgesamt attraktiver gemacht. „Digitale Technologien setzen sich relativ schnell durch, wenn ihr Nutzen für den Anwender unmittelbar messbar ist. Beispiele hierfür sind Parallelfahrsysteme oder Ackerschlagkarteien. Für die Einführung und Nutzung komplexerer digitaler Systeme benötigen die Landwirt*innen entsprechende Beratungsangebote sowie wissenschaftlich fundierte, unabhängige Testergebnisse“, fordert DLG-Vizepräsident Prof. Dr. Meinel
Offen für Data-Sharing
Ein Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe (87 Prozent) ist unter bestimmten Voraussetzungen dazu bereit, Daten aus der landwirtschaftlichen Produktion, zum Beispiel aus dem Melkroboter, der GPS-Steuerung oder digitalen Bodenkarten mit anderen zu teilen. Etwa wenn sich dafür bürokratischer Aufwand reduzieren ließe (70 Prozent), Schäden an Betriebsmitteln frühzeitig erkannt und behoben werden könnten (57 Prozent) oder wenn sich durch die so geschaffene Transparenz höhere Preise erzielen ließen (56 Prozent). Ein Drittel würde mit den eigenen Betriebsdaten wissenschaftliche Forschungsprojekte zu Gunsten der Landwirtschaft unterstützen (36 Prozent). „Sensoren, Drohnen, Melkroboter – beim Einsatz digitaler Technologien im Stall und auf dem Acker fallen Daten an. Werden diese zusammengeführt und anderen zugänglich gemacht, können am Ende alle davon profitieren, in dem sie bessere Entscheidungen fällen und ihre Produktion effizienter wird“, sagt Rohleder.