KI-Lösung zur Überwachung von Papageientauchern
SSE Renewables aus Schottland analysiert Auswirkungen von Windparks auf die lokale Papageientaucherpopulation mit Künstlicher Intelligenz.
SSE Renewables betreibt Windparks an der schottischen Küste, in Yorkshire und auf den Shetland-Inseln. Das Unternehmen beauftragte Avanade mit der Überwachung einer 80.000 Tiere zählenden Kolonie von Papageientauchern auf der Isle of May, die auf der Suche nach Nahrung zu ihren Höhlen zurückkehren. Das von Avanade, Microsoft und Nature Scotland unterstützte Projekt hat das Potenzial, die Auswertung der Entwicklung von Tierkolonien grundlegend zu verändern: Unternehmen, die Projekte für erneuerbare Energien in Angriff nehmen, könnten auf diese Weise die Auswirkungen auf die lokale Tierwelt umfassend auswerten und entsprechende Maßnahmen ableiten. Bisher war Datenmangel eine große Herausforderung, um zum Beispiel die Auswirkungen von Projekten wie Windkraftanlagen auf die lokale Umwelt und die Tierwelt bewerten zu können. Das führt zu erheblichen Verzögerungen bei weiteren Initiativen für erneuerbare Energien. Mit dem KI-System von Avanade sind Umweltinformationen in einem Bruchteil der bisher benötigten Zeit verfügbar. Das könnte die Genehmigung neuer Projekte – gerade in Deutschland eine viel diskutierte Herausforderung – deutlich beschleunigen. Dadurch ließen sich der Ausbau regenerativer Energie und der Schutz der heimischen Tierwelt in Einklang bringen.
Mess-Stationen liefern Daten in die Cloud
Bei diesem Projekt brachten SSE Renewables und Avanade auf der Insel vier Kameras in Edelstahlkästen an. Diese fertigten Live-Aufnahmen von den Papageientauchern an, als sie im Frühjahr nach acht Monaten auf See zum Brüten an Land zurückkehrten. Jede der Boxen verfügte über ein Heizsystem sowie Scheibenwischer, um bei allen Wetterbedingungen einsatzbereit zu sein; zudem war eine Notstromversorgung integriert. Die von den Kameras aufgezeichneten Daten wurden in Microsoft Azure in einem sogenannten Data Lake gespeichert – grob vergleichbar mit einem Data Warehouse. Dort werden die Daten unstrukturiert und ohne vorab definierte Auswertungsmethode gespeichert; das erhöht die späteren Verwendungsmöglichkeiten. Anschließend erfolgte eine Verarbeitung mit dem Kubernetes-Dienst von Azure.
Das KI-System wurde mithilfe eines Bilderkennungsmodells trainiert: Den Beginn machten hier einfache Bilder. Die Lösung lernte einfache Strukturen wie Linien, Quadrate und Kreise zu erfassen. Nachfolgende Inhalte wurden komplexer, so dass das KI-Modell definierte Objekte erkennen konnte. Im dritten Schritt wurden dem Modell Bilder von Papageientauchern zusammen mit anderen zufälligen Bildern vorgelegt – die Lösung konnte so schnell begreifen, welche Bilder Papageientaucher waren und welche nicht. Auf diese Weise war die KI in der Lage, über die Kameras Papageientaucher einzeln zu identifizieren, sie von Hintergrundbildern wie Felsen zu trennen und sie Bild für Bild auch bei Bewegung zu verfolgen.KI für Nachhaltigkeit nutzen
„Angesichts steigender Investitionen in erneuerbare Energien wird es immer wichtiger, dass zugehörige Projekte auch im Einklang mit den jeweiligen Ökosystemen sind“, erläutert Tobias Hartmann, CTIO bei Avanade in Deutschland. „Die Kolonie auf der Isle of May zieht jedes Jahr zehntausende Papageientaucher zum Brüten an. Mithilfe von KI-fähigen Kameras kann SSE nun ununterbrochen die Papageientaucher zählen und ihre Nester überwachen, ohne diese in der sensiblen Phase der Aufzucht der Jungvögel zu stören. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse sind wichtig, um etwaig negative Auswirkungen neuer Windparks auf den Vogelzug zu erkennen, wie auch die grundsätzliche Population zu analysieren. Erweiterungen und Neuerrichtungen von windenergetischen Anlagen in diesem Kontext können durch entsprechende Einbeziehung der analytischen KI frühzeitig in Planungen einbezogen werden um derartige Projekte nachhaltig zu ermöglichen.“
Der Fortschritt wird besonders deutlich im Vergleich zur bisherigen Vorgehensweise: Um die Papageientaucherpopulation auf der Insel zu überwachen, schickte NatureScot Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Klemmbrettern in die Region. Diese mussten stundenlang vor Ort sitzen und notieren, wie viele Papageientaucher sie gesehen hatten. In Zusammenarbeit mit SSE Renewables sahen die Projektpartner eine Möglichkeit, diesen Prozess mit Hilfe von Technologie genauer, effizienter und zudem für die Papageientaucher weniger invasiv zu gestalten.