Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit inzwischen bei Cloud-Kunden? Ist sie genauso wichtig wie zum Beispiel der Datenschutz?
Falk Weinreich: Cloud Computing wird für Unternehmen zunehmend zu einem Schlüsselelement für die Verfolgung ihrer eigenen Nachhaltigkeitsstrategien. Das liegt zum einen daran, dass der Wachstumstrend im Cloud Computing ungebrochen ist und weiter anhalten dürfte. Damit wächst auch der Stromverbrauch von Rechenzentren.
Laut Bitkom belief sich dieser im Jahr 2020 bereits auf 16 Milliarden Kilowattstunden, was 0,6 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland entspricht. Bis 2030 könnte der Bedarf auf 23 bis 29 Milliarden kWh anwachsen. Damit wird der nachhaltige Betrieb von Rechenzentren zu einem immer wichtigeren Faktor in der CO2-Bilanz von Unternehmen und zu einer wesentlichen Stellschraube, um diese zu verbessern.
Die meisten Großunternehmen haben dies bereits erkannt – nicht nur, weil ihre Kunden und Investoren es von ihnen erwarten oder sie entsprechenden Berichtspflichten unterliegen. Gerade in Zeiten hoher Energiepreise liegt es für Unternehmen in ihrem ureigensten wirtschaftlichen Interesse, so energieeffizient wie möglich zu operieren. Dieser Trend breitet sich derzeit auch auf mittelständische und kleinere Unternehmen aus.
Gibt es da Unterschiede bei der Bedeutung der Nachhaltigkeit zwischen Cloud-Nutzern in den USA und in der EU?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Thema Nachhaltigkeit aus den genannten Gründen bei Cloud-Nutzern in den USA inzwischen ebenso hoch auf der Agenda steht wie in Europa. Die meisten US-amerikanischen Großunternehmen berichten bereits über ihr ESG-Engagement – schon im Jahr 2019 veröffentlichten 90 Prozent aller im S&P 500 Index gelisteten Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht. Die Nutzung effizienter Cloud-Infrastrukturen wird für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks immer attraktiver, um ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Was genau macht eine Cloud eigentlich nachhaltig? Im Datenschutz haben wir die EU-DSGVO. Was ist der Maßstab für die Nachhaltigkeit?
Um die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Rechenzentren zu bemessen, haben sich in der Branche eine Reihe von Kennzahlen etabliert. Die am häufigsten verwendete ist dabei die sogenannte Power Usage Effectiveness, auch PUE-Wert genannt. Er gibt an, wie effektiv die zugeführte Energie in einem Rechenzentrum verbraucht wird. Je näher sich der Wert an 1,0 annähert, desto energieeffizenter arbeitet das Rechenzentrum und desto besser ist seine Energiebilanz.
In der Theorie kann der PUE-Wert bei 1,0 liegen – das würde bedeuten, dass 100 Prozent der Energie auf das Betreiben der IT aufgewandt würde, was in der Praxis jedoch nicht zu erreichen ist. Im Branchendurchschnitt liegt der PUE-Wert derzeit bei 1,67, bei OVHcloud liegt er zwischen 1,10 und 1,30.
Eine weitere wichtige Kennzahl ist die Water Usage Effectiveness (WUE). Dieser Wert misst den Wasserverbrauch eines Rechenzentrums in Liter pro Kilowattstunde Energieverbrauch der IT und liegt im Branchendurchschnitt bei 1,8 L / kWh IT. Der WUE-Wert lässt sich erheblich reduzieren, indem die Server durch eine Wasserkühlung mit geschlossenem Kreislauf gekühlt werden. Bei OVHcloud erreichen wir durch ein solches geschlossenes System einen WUE-Wert von 0,24 – 0,29 L / kWh IT, was einem Glas Wasser pro 10 Stunden Betrieb pro Server entspricht.
Weitere gängige Kennzahlen sind die Carbon Usage Effectiveness (CUE), die den CO2-Verbrauch für die Ebenen Scope 1 & 2 (d.h. durch direkte Emissionen sowie durch Energieverbrauch) in Tonnen CO2 -Äquivalent pro Megawattstunde Energieverbrauch der IT misst, der Renewable Energy Factor, der den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch misst, sowie die Reused Components Ratio, die den prozentualen Anteil wiederverwendeter Komponenten an allen verwendeten Server-Komponenten in einem Rechenzentrum angibt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass kaum ein anderer Sektor über so viele und aussagekräftige KPIs für Nachhaltigkeit verfügt, wie die Cloud- bzw. Datacenter-Branche – die Anbieter müssen sie eben nur öffentlich machen!
Können denn auch kleinere Anbieter die Anforderungen an Nachhaltigkeit erfüllen oder nur die großen aus den USA oder aber aus der EU?
Grundsätzlich sollten heute alle professionellen Cloud-Anbieter in der Lage sein, grundlegende Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen, unabhängig davon, ob sie aus der EU oder den USA kommen oder zu den „großen“ Hyperscalern zählen oder nicht. Auch vermeintlich „kleine“ Anbieter können in dieser Hinsicht ebenso gut, wenn nicht sogar besser aufgestellt sein als viele der Branchengrößen.
Wo allerdings tatsächlich ein erhebliches Gefälle besteht, ist zwischen den Cloud-Anbietern und Unternehmen, die ihre IT nach wie vor on-premise in ihren eigenen Rechenzentren betreiben.
Diese Unternehmen haben in aller Regel nicht die technischen Voraussetzungen und Ressourcen, um ihre Rechenzentren wirklich energieeffizient und emissionsarm zu gestalten und zu betrieben. Ebenso wie bei der IT-Sicherheit ist es daher auch in puncto Nachhaltigkeit sinnvoll, den Betrieb an einen professionellen Dienstleister auszulagern, bei dem man sicher sein kann, dass er seine Rechenzentren stets auf dem aktuellen Stand der Technik betreibt.
Steht der Datenschutz manchmal der Nachhaltigkeit im Weg? Verzichtet man aus Datenschutzgründen zum Beispiel auf Standorte, die vielleicht nachhaltiger wären, da es dort z.B. besseren Zugang zu Kühlungsverfahren gibt?
Unserer Ansicht nach handelt es sich bei den Themen Datenschutz und Nachhaltigkeit nicht um ein „entweder-oder“, sondern ein „sowohl-als-auch“ – sie stehen nicht im Widerspruch zueinander und lassen sich beide ohne Abstriche an Standorten innerhalb der EU verwirklichen.
Zum einen ist hier durch die DSGVO der Datenschutz gewährleistet, zum anderen lassen sich hier Rechenzentren schon heute klimaneutral betreiben. Dies ist weniger eine Frage des Standortes als der Technik, die im Datacenter zum Einsatz kommt.
Unternehmen, die bei der Wahl ihres Cloud Providers sowohl Datenschutz als auch Nachhaltigkeit gewährleistet haben wollen, sollten sich daher folgende Fragen stellen:
Handelt es sich um einen europäischen Anbieter, der seine Datacenter in der EU betreibt und damit keinen Gesetzgebungen wie dem US Cloud Act unterliegt?
Ist das der Fall, lohnt ein Blick auf die Nachhaltigkeitskriterien:
Veröffentlicht der Anbieter seine PUE-, WUE- und CUE-Werte und liegen diese über dem Branchendurchschnitt? Bezieht er seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen? Recycelt er seine gebrauchten Serverkomponenten? Verfügt er über die entsprechenden ISO-Zertifizierungen sowohl für Datenschutz als auch für Energie- und Umweltmanagement?
Lassen sich diese Fragen alle mit Ja beantworten, können Sie sicher sein, sowohl in Sachen Datenschutz als auch Nachhaltigkeit in guten Händen zu sein.
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