Intelligenz auf der letzten Meile

Wie Unternehmen mit KI ihre Workflows optimieren können, erklärt Andreas Weber von ServiceNow ins einem Gastbeitrag.

Funktionierende Lieferketten, egal in welchem Bereich, sind wichtiger denn je. Um die Routenplanung zu optimieren, den Kraftstoffverbrauch zu senken und Lieferzuverlässigkeit zu gewährleisten, setzen Transportunternehmen wie UPS verstärkt auf Künstliche Intelligenz – und sie sind nicht die Einzigen. KI-Anwendungen kommen inzwischen etwa auch bei Flugzeugherstellern zur Ausfall-Vorhersage von Bauteilen zum Einsatz oder im Finanzwesen, um betrügerische Vorgänge schnell aufzudecken. Die Liste der Anwendungsfälle wird länger und die Ausgaben für KI steigen deutlich.

In drei Bereichen wenden moderne Unternehmen KI schwerpunktmäßig an: Bei der Prozessautomatisierung analysiert ein KI-System historische Daten, um wiederkehrende Merkmale eines Entscheidungsprozesses zu identifizieren und auf dieser Basis zukünftige Entscheidungen zu automatisieren. KI hilft so beispielsweise dabei, Anfragen direkt an den richtigen Sachbearbeiter weiterzuleiten. Assistierende KI nimmt Mitarbeitenden Aufgaben im Tagesgeschäft ab und sorgt so für Entlastung – so übernehmen KI-Systeme etwa in Rechenzentren die Analyse großer Mengen an Fehlerdaten und ermitteln deren Ursachen, die von verantwortlichen Mitarbeitenden anschließend nur noch „behandelt“ werden müssen. Im Rahmen von Automation Discovery liefert KI die Antworten auf die Frage, welche Prozesse sich automatisieren lassen. Ein Algorithmus nimmt alle an einer Aufgabe beteiligten Vorgänge unter die Lupe, analysiert die Abfolge und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Workflow-Optimierung.

KI ist nicht gleich KI

Anhand der beschriebenen drei Anwendungsbereiche wird deutlich, dass sich KI in Unternehmen – die sogenannte Enterprise KI – sehr deutlich von verbraucherorientierten KI-Anwendungen unterscheidet. Diese arbeiten mit komplexen, oft intransparenten Algorithmen, die auf sehr große Datensätze von teilweise Hunderten von Millionen Nutzern trainiert werden. Nach diesem Prinzip funktionieren unter anderem Netflix und Amazon, wenn es um Film- oder Produktempfehlungen für Kunden geht. Netflix nutzt Künstliche Intelligenz sogar, um auf Basis von Informationen zu Nutzerverhalten und -vorlieben komplette Serien neu zu produzieren.

Im Fall von Enterprise KI dagegen geht es darum, sehr spezifische Probleme zu lösen, die meist nur ein einzelnes Unternehmen oder eine bestimmte Branche betreffen. Entsprechend stehen dann die Datensätze, mithilfe derer Algorithmen trainiert werden, in wesentlich eingeschränkterem Umfang zur Verfügung und Enterprise KI-Lösungen vor der Herausforderung, auf Basis dieser kleinen Datenmengen die Besonderheiten eines bestimmten Anwendungsfalls zu erkennen und zu verstehen. Sie müssen schnell und auf den Einzelfall zugeschnitten lernen, robust und interpretationssicher sein. Hinzu kommen oft strenge Anforderungen, wenn es um das Thema Datenschutz oder sensible Branchen geht, wie das Gesundheits- oder Finanzwesen. Enterprise KI-Algorithmen sollen außerdem auch möglichst transparent für diejenigen sein, die sie anwenden, damit sie die Entstehung von Entscheidungen und Prognosen nachvollziehen können.

Auf Empfehlungen müssen Taten folgen

All diese Umstände führen dazu, dass KI in Unternehmen derzeit noch am Anfang steht. Eine Studie des Digitalverbands Bitkom aus dem vergangenen Jahr ergab, dass KI-Anwendungen nur in acht Prozent der Unternehmen genutzt werden. Doch sie erkennen zunehmend den Mehrwert, den KI ihnen liefern kann: Mehr als zwei Drittel der Befragten halten KI für die wichtigste Zukunftstechnologie, knapp zwei Drittel sehen in KI Chancen für das eigene Geschäft und 30 Prozent planen einen zukünftigen Einsatz von KI. Diejenigen Unternehmen, die sich aktuell nicht mit dem Thema KI befassen, führen dafür unter anderem die folgenden Gründe an: fehlendes Personal, fehlende Zeit und fehlende finanzielle Mittel.

An Anwendungsfällen mangelt es jedoch meist nicht – auch das ergab die Bitkom-Umfrage. Und Fakt ist, dass sich KI und Maschinelles Lernen positiv auf die Unternehmensergebnisse auswirkt und sich durch sie ein echter geschäftlicher Mehrwert erzielen lässt. Unternehmen, die bereit sind, in KI zu investieren, müssen zunächst geeignete Anwendungsfälle in ihrem Betrieb identifizieren und anschließend dazu passende KI-Lösungen entwickeln. Vor allem aber müssen sie die durch KI ausgesprochenen Empfehlungen und Entscheidungen auch in Aktionen umsetzen – und genau an diesem Punkt, an der „letzten Meile“, tun sich Unternehmen häufig noch schwer. Erst wenn sie es schaffen, hier die Brücke zu schlagen, KI-Funktionen in die eigentliche Arbeit und in ihre Workflows zu integrieren und tatsächliche Maßnahmen abzuleiten, können sie das volle Potenzial von KI ausschöpfen und einen relevanten Mehrwert erzielen.

Enterprise KI unterstützt den IT-Betrieb

Enterprise-KI muss dazu in Unternehmen zur obersten Priorität werden und so in Arbeitsabläufe und IT-Plattformen verankert werden, dass sie die menschliche Arbeit auf natürliche Weise unterstützt. Mithilfe von AIOps, also der Einbindung von Maschinellem Lernen in den IT-Betrieb, können etwa IT- und Serviceabteilungen deutlich entlastet werden, da die immer größer werdenden Datenmengen besser zu bewältigten sind. AIOps-Plattformen erfassen und analysieren IT-Betriebsdaten auf intelligente Weise und lassen sich so für eine Vielzahl an Anwendungen einsetzen, etwa zur Anomalie-Erkennung, Predictive Analytics oder Ursachenanalyse. AIOps hilft dadurch, den IT-Betrieb zu optimieren, Kosten zu senken und sowohl Produktivität als auch Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern.

Was den Einsatz und die Leistungsfähigkeit von Enterprise-KI angeht, ist also noch viel Luft nach oben – doch schon jetzt werden die Arbeitsabläufe in Unternehmen dank KI intelligenter, automatisierter. Sie profitieren bereits von präziseren Vorhersagen und schnellerer Reaktionsfähigkeit und diese Vorteile werden sich in Zukunft noch verstärken. KI wird zudem immer ausgefeilter, etwa hinsichtlich des Verständnisses für natürliche Sprache. Bots werden auf Basis von KI noch besser in der Lage sein, Interaktionen per E-Mail, Telefon, Webportal oder Chat unabhängig von der gewählten Sprache zu verstehen, Probleme einzuschätzen und entweder selbst zu beheben oder zur Lösung an Personen weiterzuleiten. Auch Entwickler werden produktiver arbeiten und beispielsweise effizienter Skripte für die Datenanalyse oder Apps entwickeln können, wenn KI-Systeme auf das Verstehen von Anweisungen in natürlicher Sprache trainiert sind.

Ob Enterprise KI im Allgemeinen oder AIOps: Klar muss in jedem Fall sein, für welchen konkreten Anwendungsfall die KI-Lösung implementiert wird. Berücksichtigen Unternehmen bei der Einführung eines KI-Ansatzes ihre individuellen Anforderungen und internen Kompetenzen, entstehen für sie vielfältige Möglichkeiten, in den eingangs genannten drei Anwendungsbereichen und darüber hinaus von Künstlicher Intelligenz zu profitieren.

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Andreas Weber

Head of Solution Consulting Central Europe bei ServiceNow