Die Notwendigkeit für auf Nachhaltigkeit angepasste Geschäftsausrichtungen wird angesichts der Auswirkungen der Klimakrise auf Mensch, Umwelt und Wirtschaft immer deutlicher. Ein auf der UN-Klimakonferenz vorgestellter Bericht zu den Nachhaltigkeitsanstrengungen nichtstaatlicher Akteure macht zudem klar, dass bisherige Bekenntnisse aus der freien Wirtschaft zum Reduzieren von Emissionen längst noch nicht ausreichen – hier sind konsequentere Umbrüche nötig. Ein Grund mehr, Schritte für eine nachhaltigere IT-Strategie einzuleiten. Dabei können die folgenden Handlungsfelder Starthilfe geben.
Eine erste Chance liegt in der Software-Optimierung. Dafür muss die aktuelle Software-Architektur auf unterschiedliche Faktoren untersucht werden: Wie effizient ist der Code, wie hoch ist die Kompatibilität für verschiedene Hardware-Voraussetzungen und wie steht es um die Emissionsbilanz der gesamten Architektur? Solche Fragen helfen, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und nachhaltigere Einsatzentscheidungen abzuleiten. Dadurch können auch lösungsbezogene Grundsätze für die kontinuierliche Re-Evaluation des Softwareportfolios verabschiedet werden. Denn IT-Abteilungen sollten künftig regelmäßig überprüfen, ob die genutzte Architektur nach wie vor die beste Lösung für das Unternehmen bietet.
Darüber hinaus lohnt der Blick auf weitere digitale Betriebsprozesse. Wie steht es etwa um die genutzten Hosting-Modelle für Webanwendungen und Cloud-Services: Welche Energien werden für den Betrieb genutzt und wie hoch ist der Ressourcenverbrauch? Wo stehen die Server? Welcher Wert wird auf Fairness und Datentransparenz gelegt? Zwar fallen Emissionen durch digitale Dienste nicht direkt vor Ort im Unternehmen an und erscheinen daher auf den ersten Blick abstrakt, doch sie sind als Teil der Wertschöpfungskette direkter Einflussgeber auf die Nachhaltigkeitsbilanz der Organisation. Daher sollten Betriebsmodelle gezielt auf Nachhaltigkeitsaspekte untersucht und wenn nötig durch passendere Anbieter ersetzt werden.
Durch immer kürzere Lebenslaufzyklen moderner Technik droht auch der anfallende Elektroschrott bzw. E-Waste immer weiter zu steigen, wenn nicht konsequent gegengesteuert wird. Weltweit lag seine Menge im Jahr 2019 laut dem Sustainable IT Report von Capgemini Jahr bei 53,6 Millionen Tonnen und war somit innerhalb von drei Jahren um über 20 Prozent gestiegen. Allerdings steigen die Recyclingbemühungen für IT-Hardware auf Unternehmensseite nicht im selben Maße an: 89 Prozent der befragten Organisationen gaben weniger als ein Zehntel ihrer Hardware zurück in den Ressourcenkreislauf. Dabei bieten nicht nur die gängigen Tech-Ausstatter selbst meist Trade-in-Programme für Hardware-Komponenten aus dem IT-Bereich an. Es gibt sogar spezialisierte Angebote, die hochwertige Hardware aus Unternehmensbeständen weiterzuvermitteln, wenn diese nach zwei oder drei Jahren einem Upgrade-Rundumschlag zum Opfer gefallen sind, obwohl sie noch einwandfrei laufen. Dem Anbieter Circulee zufolge können diese zirkulären Angebote nicht nur Produktionsressourcen und hohe Neuanschaffungskosten einsparen, sondern auch jede Menge Emissionen vermeiden. Ein einziger Monitor verursache in der Herstellung rund 420 Kilogramm CO2 – was den Emissionen von drei Inlandsflügen entspräche. Eine nachhaltige IT-Strategie sollte daher unbedingt eine möglichst langfristige Nutzung von Hardware, darunter auch Second-Life-Geräte, sowie die passende Rückführung von nicht mehr nutzbarer Technik in den Ressourcenkreislauf einbeziehen.
Neben der Reduktion möglicher negativer Auswirkungen spielen beim Set-up einer nachhaltigen IT-Infrastruktur auch Potenziale eine entscheidende Rolle: Denn eine auf Nachhaltigkeitsanforderungen vorbereitete IT-Ausrichtung, kann verschiedenste Unternehmensbereiche ganz gezielt bei der Transformation unterstützen – beispielsweise bei der Datenerfassung und -auswertung rund um Treibhausgasemissionen. Digitale Daten schaffen die nötige Handlungsgrundlage für die Bewertung und Weiterentwicklung von Reduktionsstrategien für das gesamte Unternehmen oder dessen Teilbereiche. IT-Verantwortliche können sich daher fragen, wie technologiegestützte Lösungen die Reduzierung von Emissionen und Elektroschrott in anderen Geschäftsbereichen ermöglichen können. Oder auch, welche Tools und Technologien sich dazu eignen, ökologische Innovationen und Performance-Verbesserungen voranzutreiben. In jedem Fall wird eine langfristige, strategische Verzahnung von Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsstrategien unverzichtbar, um das Innovations- und Nachhaltigkeitspotenzial eines Unternehmens voll auszuschöpfen und gleichzeitig die Risiken der Digitalisierung für Mensch und Umwelt geeignet einzudämmen.
All diesen Handlungsfeldern ist eines gemein: Sie zeigen, dass beim Thema Nachhaltigkeit im IT-Kontext zunächst sehr viel neues Wissen erforderlich ist, um schnellere Fortschritte zu machen. Nur so können bestehende Strukturen hinterfragt und neue, auf Sustainability zugeschnittene Antworten geliefert sowie die Potenziale geeignet miteinander verzahnt werden. Damit ist die IT-Branche nicht allein, denn alle müssen beim Thema Nachhaltigkeit dazulernen und sich neue Kenntnisse aneignen. Was zählt ist, genau jetzt damit zu starten.
Dr. Christopher Jahns
ist Gründer und CEO des EdTech-Unternehmens XU. Der Wirtschaftsexperte ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit einer der Innovations-, Wettbewerbs- und Jobmotoren der Zukunft ist. Aus dieser Überzeugung ist gemeinsam mit ClimatePartner ein Weiterbildungsangebot für nachhaltigen Unternehmenswandel entstanden: die XU School of Sustainability.
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