Finanzdienstleister in Deutschland gehen digitalen Wandel zu langsam an
75 Prozent der Entscheider in Banken und Versicherungen wünschen sich ein deutlich höheres Tempo bei der Digitalisierung in ihrem Institut.
Sie sind überzeugt: Ohne eine digitale Transformation wird ihr Unternehmen die nächsten fünf Jahre nicht überleben. Das Top-Management hat die Dringlichkeit also erkannt. Doch der internationale Business Transformation Index des Technologiedienstleisters Expleo belegt auch: Im Ausland geht die Branche das Thema Digitalisierung noch weitaus ambitionierter an. Gerade im Vergleich mit Finanzdienstleistern aus Großbritannien und den USA droht Deutschland weiter ins Hintertreffen zu geraten. Für die Studie wurden weltweit 1.032 Führungskräfte befragt.
„Die Wettbewerber sind nicht nur schneller, sie verfolgen auch ehrgeizigere Ziele. Diese digitale Lücke wird die deutschen Unternehmen auch auf ihrem Heimatmarkt zunehmend unter Druck setzen. Schließlich ist der Markt für Finanzdienstleistungen längst global aufgestellt”, sagt Ralph Gillessen, Executive Board Member bei Expleo.
Der Trend ist deutlich: Während beispielsweise fast 60 Prozent der Führungskräfte aus Großbritannien angaben, sie würden den digitalen Wandel schneller angehen als die Konkurrenz, lag der Wert in Deutschland mit 47 Prozent deutlich niedriger. „Banken und Versicherungen scheuen bei digitalen Projekten den agilen, schnellen Ansatz. ‚Fail fast‘ passt halt weniger zur deutschen Mentalität“, so der Expleo-Verantwortliche für Finanzdienstleister.
Deutsche Finanzdienstleister: Kosten statt Kunden im Fokus
Interessant auch: Während ausländische Unternehmen sich bei ihren digitalen Projekten vor allem von den Kunden getrieben fühlen, dominiert bei deutschen Finanzdienstleistern der Kostendruck (55 Prozent), gefolgt von veralteter Software (45 Prozent). Die Kunden rangieren mit 44 Prozent erst an dritter Stelle.
Doch warum gehen Banken und Versicherungen die digitale Transformation hierzulande oft eher zögerlich an? Ein zentrales Problem: Es fehlt den Unternehmen an Know-how und Personal (80 Prozent). „Die internen IT-Kapazitäten sind vielerorts am Limit, die Finanzdienstleister schaffen es kaum noch, tagesaktuelle Projekte abzuwickeln. Da bleiben die wichtigen Zukunftsthemen auf der Strecke“, so Expleo-Experte Gillessen.
Internationale Konkurrenz geht Zukunftstechnologien offensiver an
Da erstaunt es nicht, dass die Branche in Deutschland auch bei den Fokusthemen für die kommenden ein bis zwei Jahre eher mit angezogener Handbremse agiert. Der Vergleich mit den USA und Großbritannien zeigt: Die internationale Konkurrenz marschiert bei vielen Technologien viel offensiver in die Zukunft.
45 Prozent der deutschen Finanzdienstleister wollen erst mal ihre digitale Strategie festzurren. Oben auf der Prioritätenliste stehen für Sie zudem die Themen Cloud Infrastructure, Business Intelligence Systems, Cybersecurity und Prozessautomatisierung.
Vielleicht hilft der Blick auf ein weiteres Ergebnis der Studie, um die Zurückhaltung der deutschen Unternehmen bei der digitalen Transformation zu erklären: 69 Prozent gestehen ein, dass die potenziellen Kosten und Risiken des Nichthandelns verdrängt werden. In den USA sind es lediglich 37 Prozent.