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Was ist dran am Hype um ChatGPT?

Diesen Text hat keine KI geschrieben. Bislang war ein solcher Disclaimer nicht notwendig, doch künftig werden wir ihn womöglich häufiger am Anfang von Beiträgen lesen. Denn seit einigen Tagen sorgt ChatGPT, ein erstaunlich begabter Bot des amerikanischen Start-ups OpenAI, für großen Wirbel. Von Süddeutscher Zeitung bis Spiegel Online haben ihm fast alle namhaften Publikationen Beiträge gewidmet. Besonders beliebt war es dabei, den Bot einen Teil des jeweiligen Artikels selbst schreiben zu lassen. Schließlich ist genau das seine Stärke: das Erstellen von Inhalten. Und ChatGPT kann liefern – von einem „Weihnachtsgedicht mit zwei Welpen in der Hauptrolle“ bis zu einem „klugen Beitrag für LinkedIn über das Potenzial von ChatGPT“. Die Ergebnisse sind lesbar und klingen im Falle der weihnachtlichen Welpen rührselig und im Falle des LinkedIn-Beitrags durchdacht. Nur hin und wieder lässt eine schräge Formulierung vermuten, dass der Text nicht von einem Menschen stammt. Auf der anderen Seite finden sich auch in den Texten von Menschen immer wieder schräge Formulierungen.

Qualität der Antworten verändert Suchverhalten

Anwendungen wie ChatGPT können weitreichende Veränderungen anstoßen und haben Auswirkungen auch auf das Urheberrecht und den Kulturbetrieb. Mich interessiert vor allem, welche Effekte kurzfristig in Unternehmen, insbesondere im Umgang mit Daten, zu erwarten sind.

​Was an ChatGPT beeindruckt, ist die Bandbreite der Themen und die Qualität der Antworten. Bisher mussten Entwicklerinnen und Entwickler ihre Chatbots mit großem Aufwand für spezifische Einsatzzwecke trainieren. Ein Chatbot, der bei Problemen mit dem Mobilfunkvertrag helfen soll, hat keine Ahnung vom letzten Bundesligaspieltag. ChatGPT bewegt sich hingegen auf jedem Parkett sicher. Die Qualität der Antworten lässt ahnen, dass unser Suchverhalten im Internet bald ein anderes sein wird. Auf die Anfrage „Nenne mir fünf Gründe, warum Unternehmen sich mit KI-Anwendungen beschäftigen sollten“ liefert der Bot keine Liste mit passenden Webseiten, sondern einen Text mit fünf Argumenten pro KI. Einen Text, der zwischen den allermeisten Beiträgen zu dem Thema nicht negativ auffallen würde.

Es ist leicht, sich vorzustellen, wie diese Technologie vieles durcheinanderwirbelt, was an der Suche im Internet hängt – ob Suchmaschinen, Search Engine Optimizing oder Anzeigengeschäft. Aber nicht nur das. Die nächste Generation unserer Textverarbeitungsprogramme, Content-Management-Systeme oder Marketing-Automation-Werkzeuge wird ChatGPT-ähnliche Funktionen von Haus aus mitbringen. Die 500-Zeichen-Produktbeschreibung für den Online-Katalog oder das Fünf-Seiten-Dossier für den Vorstand könnte dann einfach ein Bot übernehmen.

Neues denkt sich ChatGPT nicht aus

​Bis die meisten Unternehmen solche oder ähnliche Technologien einsetzen, dürfte nicht viel Zeit vergehen – das Potenzial ist zu groß. In Zukunft glänzen dann auch die Webseiten ganz unten in der Struktur mit überzeugenden Texten. Und in Zielgruppen mit mehreren hunderttausend Menschen bekommt jede einzelne Person ein Anschreiben, das exakt zu ihrer individuellen Situation passt. Wenn alle Unternehmen diese Technologien nutzen, steigt das Qualitätsniveau insgesamt – das macht es allerdings schwierig, sich abzuheben. An dieser Stelle ist dann doch wieder der menschliche Beitrag gefragt. Die Kunst wird nicht das Sammeln und Verdichten von Daten sein, das erledigt der Bot. Sondern das Ziehen der richtigen Schlüsse, das Ableiten der besten Handlungsalternativen. Das war schon immer der entscheidende Punkt und darauf wird es in Zukunft noch mehr ankommen.

Die eigentliche Aufgabe ist dann nicht mehr, fünf Argumente aufzulisten, die so oder so ähnlich bereits hundertfach veröffentlicht wurden. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, das eine Argument zu finden, auf das noch niemand gekommen ist. Den einen Zusammenhang zu erkennen, der nicht in der Datenbasis steckt, sondern in der plötzlichen Stimmungsschwankung am Verhandlungstisch.

Denn Neues denkt sich ChatGPT nicht aus – der Bot schaut immer nach hinten. Das macht uns Menschen wieder unsere Stärke bewusst: der Blick nach vorne.​

Prof. Dr. Volker Gruhn

Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der adesso SE

Lesen Sie auch : KI-Bluff bei AIOps erkennen
Roger Homrich

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