Volkswagen hat mit dem Porsche-Börsengang Milliarden verdient – und will diese in die Entwicklung von Software stecken. Auch in anderen Branchen und Produkten wird Software zu einem Schlüsselelement. Da mit der Zunahme des Software-Anteils auch die Komplexität der einzelnen Produkte und Bauteile zunimmt, steigt zugleich die Nachfrage nach neuartigen Software-Lösungen für die Produktentwicklung.
Als die Porsche AG im September an die Börse ging, handelte es sich um ein historisches Ereignis – und das gleich aus vielerlei Hinsicht. Zum einen war es einer der größten deutschen Börsengänge aller Zeiten. Zum anderen spült der Börsengang viel Geld in die Kassen von VW – und ermöglicht somit Projekte, die zukunftsweisend sein dürfte. Und das nicht nur für Volkswagen, sondern auch für andere Unternehmen und Branchen.
Seit 2009 gehört Porsche zum Volkswagen-Konzern. Von dem größten deutschen Börsengang seit der Telekom vor 26 Jahren profitieren somit gleich zwei weltweit bekannte Automarken. Laut VW-Finanzchef Arno Antlitz verfügt Porsche nun über mehr Agilität und unternehmerische Eigenständigkeit. Doch auch VW selbst profitiert immens von diesem Schritt. Der Börsengang der Porsche AG dürfte VW letztlich bis zu 19,5 Milliarden Euro einbringen. Dieser finanzielle Segen kommt für den Autobauer zu einem Zeitpunkt, der sicherlich penibel geplant wurde. Schließlich wird in Wolfsburg schon länger an einer weitreichenden Transformation gearbeitet. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung eigener Software.
Insider verwunderte es somit nicht, dass VW-Finanzchef Arno Antlitz zum Börsengang bekannt gab, dass mehr als die Hälfte der Erlöse aus dem Porsche-Börsengang – und damit rund 10 Milliarden Euro – in die Entwicklung von Software, autonom fahrende Autos sowie in Elektromobilität investiert wird. Bereits im Vorjahr hatte der zweitgrößte Autohersteller der Welt bei der Vorstellung der eigenen Unternehmensstrategie verkündet, dass man damit rechne, dass sich der Umsatz sowie der Profit zunächst hin zu batterieelektrischen Fahrzeugen verschieben werde und schließlich in Richtung Software und Dienstleistungen. Das Software- und Technologieunternehmen CARIAD, das zum VW-Konzern gehört, arbeitet längst intensiv an einer neuen Software-Architektur. Schon in drei Jahren will VW soweit sein, dass der Anteil selbstentwickelter Software im Fahrzeug bei 60 Prozent liegt. Zum Vergleich: Im letzten Jahr waren es noch 10 Prozent.
Laut Continental, einem der größten Automobilzulieferer der Welt, wird sich die benötigte Rechenleistung pro Auto bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2015 voraussichtlich um den Faktor 50 erhöhen. Diese Zahl ist umso astronomischer, wenn man bedenkt, dass in einem durchschnittlichen Neuwagen bereits vor vier Jahren rund 100 Millionen Zeilen Softwarecode steckten. Die einzelnen Sensoren und Baugruppen werden dabei jeweils zentral im Auto gesteuert. Der derzeit in allen Elektro-Fahrzeugen von Volkswagen verbaute Zentralrechner stammt von Continental und kann über 70.000 Anforderungen des Fahrzeugs an Hard- und Software abbilden. Insgesamt haben die Software- und IT-Spezialisten von Continental laut Unternehmensangaben bereits rund zwei Millionen Arbeitsstunden in die Entwicklung neuer Software investiert. Moderne Autos sind also mobile und hochkomplexe Hochleistungscomputer.
Die Entwicklung von zeitgemäßen Autos wie auch anderer moderner Produkte mit hohem Software-Anteil wird immer komplexer. Das liegt auch daran, dass mit der Software die Variabilität der einzelnen Produkte extrem steigt. Ein Mittelklassewagen aus den Siebzigern hat mit heutigen Modellen und deren Entwicklung wenig gemeinsam. Gleiches gilt für viele andere Produkte wie Waschmaschinen oder Kaffeeautomaten. Allerdings wurden die Engineering-Methoden, die benötigt werden, um diesem Wandel gerecht zu werden, in den Unternehmen häufig noch nicht entsprechend angepasst. Hier gibt es weiterhin großen Nachholbedarf.
Anschaulich wird dies am Beispiel des Airbags. Die Variabilität der Hardware ist bei einem Airbag noch relativ überschaubar. Die Parameter, um den Airbag zu steuern, gehen jedoch schnell in die Tausende. Hinzu kommt, dass heutzutage in Systemen gedacht wird, was große Auswirkungen auf die Entwicklung hat. Im Gegensatz zu früheren Entwicklungsprinzipien wird der Airbag nicht mehr als weitgehend autarke Komponente betrachtet, sondern als Teil eines hochkomplexen Sicherheitssystems. Anstatt einen hierarchischen Ansatz zu verfolgen, wird nunmehr in Systemen gedacht – und die Variabilität muss dementsprechend quer durch alle Fahrzeugkomponenten gemanagt werden. So sehen sich die verschiedenen Abteilungen im Unternehmen heutzutage schnell mit einer gigantischen Menge an Produktvarianten konfrontiert. Je nach Produkt und Modell schließen sich die einzelnen Bauteile und Assets dabei oftmals gegenseitig aus.
Dieser Trend hat zur Folge, dass sich die Entwicklung von neuen Produkten in vielen Unternehmen und Branchen ohne entsprechende Software-Lösungen nicht mehr meistern lässt. Entsprechend steigt die Nachfrage bei jenen Unternehmen, die derartige Lösungen anbieten. „Die Zahl an Unternehmen, die bei der Entwicklung ihrer Produkte an ihre Grenzen stoßen und Hilfe bei uns suchen, ist in letzter Zeit stark gestiegen“, berichtet Danilo Beuche, Gründer und Geschäftsführer des Magdeburger Software- und PLE-Spezialisten pure-systems. „Nicht zuletzt aufgrund des gestiegenen Zeit- und Kostendrucks sowie der kürzeren Produktlebenszyklen gehen viele Unternehmen dazu über, ihre Produkte in Produktlinien herzustellen, da dies deutlich effizienter und ökonomischer ist. Bei Produkten mit einem hohen Software-Anteil ist es mit herkömmlichen Methoden und Mitteln jedoch nicht länger möglich, die Abhängigkeiten der einzelnen Komponenten voneinander im Detail zu verstehen und zu berücksichtigen“, so Beuche.
Letztlich bedeutet das also: Wer wie Volkswagen und Continental verstärkt auf Software setzt, um komplexe und damit leistungsfähige Produkte anbieten zu können, benötigt dafür wiederum intelligente Software, die bei der Entwicklung der hochkomplexen Produkte hilft. An diesem Trend dürfte letztlich kaum ein produzierendes Unternehmen vorbeikommen. Die Automobilindustrie ist hier lediglich – wie so oft in Deutschland – ein wichtiger Antreiber und Zugpferd.
Tillmann Braun
ist Journalist und Kommunikationsberater für Non-Profit-Organisationen. Sein Fachgebiet sind innovative IT-Lösungen für die Vernetzung von Menschen und Maschinen, insbesondere intelligente (Heim-)Netzwerke, IoT und Machine-to-Machine-Kommunikation, Mobile Payment, IT-Strategien und vielfältig einsetzbare Kommunikationssysteme.
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