Goliath lernt von David
Wenn Wettbewerber ihr Geschäftsmodell von Beginn an digital aufgebaut haben, werden sie schnell zu ernsthaften Konkurrenten, warnt Gastautor Philippe Picalek.
Ein Digitalisierungsprojekt in einem Konzern fühlt sich manchmal so an, als wolle man einen Tanker wenden. Damit dieser Prozess leichter von der Hand geht, können sich Konzerne Tipps und Tricks von den wirtschaftlichen Schnellbooten, den digitalen Herausforderern holen. Diese haben ihr Geschäftsmodell von Beginn an digital aufgebaut und können mit ihren disruptiven Innovationen schnell zu ernsthaften Konkurrenten werden.
Die deutsche Verwaltung ist nicht für ihren hohen Digitalisierungsgrad bekannt. Das mag auch an ihrem komplexen und umfangreichen Aufbau liegen. Baltische Staaten wie Estland oder Litauen sind hier schon viel weiter – aber auch kleiner. Unter anderem ihre Größe macht sie wendig und schneller anpassungsfähig an veränderte Gegebenheiten. In der Wirtschaft ist es ähnlich. Konzerne tun sich oft viel schwerer damit, Innovations- und Digitalisierungsprojekte umzusetzen, als kleinere, agilere Unternehmen. Da die „Großen“ aber signifikant zur Wirtschaftsleistung eines Landes beitragen, sollten sie sich nicht abhängen lassen. Es gibt einige Konzepte für datengetriebenes Wirtschaften, die Konzerne von den digitalen Herausforderern lernen können.
Datensilos abbauen
Wenn es darum geht, ein Geschäftsmodell datengetrieben aufzuziehen, muss man zunächst wissen, wo die relevanten Daten liegen, um sie dann verknüpfen zu können. Für viele große Unternehmen liegt hier schon die erste Herausforderung. Unterschiedliche Geschäftsbereiche haben über die Jahre viele Daten kreiert. Die Frage, ob diese Informationen auch abteilungsübergreifend eingesetzt werden können, stellt sich kaum – denn die Daten liegen voneinander getrennt in Silos. Diese traditionellen Strukturen gilt es zu überwinden. Wer die Daten wo generiert, darf keine Rolle mehr spielen. Für einen ganzheitlichen Blickwinkel und nutzbringende Erkenntnisse stellt jeder Geschäftsbereich seine Daten idealerweise auf Konzernebene zur Verfügung. Um diesen kollaborativen Ansatz technisch und organisatorisch umzusetzen, müssen Konzerne jedoch oft erst ihre bestehende Kultur hinterfragen und eine Veränderung anstoßen. Abteilungen sind keine isolierten Entitäten und sollten nicht im Alleingang operieren. Sie gehören zusammen und bringen gemeinsam das Gesamtunternehmen voran – dieses gemeinschaftliche Selbstverständnis muss von der Unternehmensspitze vorgegeben und aktiv vorgelebt werden.
Flexible Budgetplanung
Bei abteilungsübergreifenden Projekten steht oft zu Beginn die Frage nach dem Budget im Raum, denn keine der beteiligten Abteilungen wird alle Kosten alleine übernehmen. Den Prozess für die Finanzierung von Projekten, von denen potenziell mehrere Sparten profitieren, sollte die Unternehmensführung zugunsten einer ganzheitlichen Konzernsicht überarbeiten. Innovationen gehen schließlich alle etwas an und stärken das Gesamtkonstrukt. Flexibilität bei der Budgetplanung zwischen den Abteilungen ist wichtig, damit gemeinsame Projekte nicht daran scheitern, dass die Finanzierung einseitig verteilt werden muss.
Innovationsprojekte dienen in erster Linie dazu, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Wie bereits gezeigt, gibt es für Konzerne dabei einige Herausforderungen. Aber große Unternehmen, die bereits lange im Geschäft sind, haben auch einen bedeutenden Vorteil: Sie verfügen über enorme Datenmengen, die teils über Jahrzehnte aufgebaut wurden. Diese Datenbasis, kombiniert mit modernen Technologien und der richtigen Herangehensweise, bietet viel Potenzial. Ein international tätiger Reifenhersteller nutzt beispielsweise Künstliche Intelligenz, um seine über Jahrzehnte aufgebauten Produktions- und Testdaten zu analysieren. Die daraus gewonnen Erkenntnissen fließen direkt in die Verbesserung der aktuellen Produktion und Entwicklung ein.
Die Daten so flexibel wie möglich halten
Damit das funktionieren kann, benötigt man eine übergreifende Datenplattform. Über sie müssen alle Speicherumgebungen darstellbar sein: egal ob On-Premises, in der Public- oder Private-Cloud. Lassen sich die Daten einheitlich darstellen, können Unternehmen mit der Analyse beginnen. Möglicherweise stellt sich heraus, dass sich gewisse Workloads einfacher in einer anderen Infrastrukturumgebung speichern und abwickeln lassen – dann ist eine Migration der entsprechenden Daten und Services sinnvoll. Die Verantwortlichen können auf der übergreifenden Plattform auch die Datennutzung einsehen. Möglicherweise kommt dabei heraus, dass es günstiger ist, Daten zu verschieben. Um den sogenannten Vendor Lock-In zu vermeiden, sollten Unternehmen mit einem Cloud-Partner arbeiten, der ihnen Flexibilität über alle Umgebungen ermöglicht. Bei einer übergreifenden Plattform rückt der Speicher- oder Hostingort in den Hintergrund – die Daten stehen im Fokus.
Im Mindset offen für Veränderungen, in der Arbeits- und Budgetkultur kollaborativ über Abteilungsgrenzen hinweg und mutig die Digitalisierung anzugehen: Diese Einstellungen können sich Konzerne von digitalen Disruptoren abschauen. Ein sinnvoller erster Use Case ist dabei das Datenmanagement. Wer seine Daten über eine übergreifende Plattform visualisiert und verwaltet, kann darauf viele weitere Innovationen aufbauen.
Regional Vice President Schweiz und Deutschland bei Cloudera