Der Hype um 5G scheint abgeklungen. Zumindest war das mein Eindruck, den ich auf der CES in Las Vegas gewinnen konnte. Das überrascht nicht weiter, denn die Attraktivität von 5G beruht auf dem Geschwindigkeitsvorteil der Datenübertragung und der hat mittlerweile Einzug gehalten. Endanwender können ihre Lieblingsanwendungen wie beispielsweise YouTube in hervorragender Qualität auf dem Smartphone abrufen. Aufseiten der industriellen Anwendungsszenarien zeigt sich jedoch ein anderes Bild – und Schauplatz dafür wird ein anderes Event.
Industrielle Anwendungsfälle für 5G sind nach wie vor rar. Der Mobile World Congress wird demonstrieren müssen, dass Hersteller und Provider Fortschritte in ihrem Angebot, der Dynamisierung von Workloads sowie den einfachen und gleichzeitig sicheren Zugriff darauf machen. Denn die Industrie hat Anforderungen, die weit über die schnelle Datenübertragung hinausgehen. Innovative Anwendungsfälle benötigen Workloads dort, wo sie in der Nähe der User im schnellen Netz unkompliziert genutzt werden können.
Wenn User heute über das Smartphone auf eine AWS-basierte Anwendung oder ein Robotersteuerungssystem in einer Fabrik zugreifen, muss der Datenpfad noch immer das 5G-Netz verlassen, um zur Anwendung im Internet zu gelangen, bevor er zum Nutzer zurückkehrt. Dieser Umweg addiert Latenzen und schmälert bisher die Vorteile der ultraschnellen Konnektivität. Um die Cloud und damit innovative Anwendungsszenarien näher an die Konsumenten zu bringen, sind zwei Hürden zu nehmen.
Erstens müssen Unternehmen die schnellen Funksignale für sich nutzen können. Die gute Nachricht ist, dass Telekommunikationsdienstleister einen Punkt erreicht haben, an dem die 5G-Geschwindigkeit selbst für industrielle Anwendungsfälle leicht zugänglich ist. Und die Nachfrage danach steigt, wie der globale State of Zero Trust Transformation Report 2023 von Zscaler zeigt: 62 Prozent der befragten Entscheider weltweit gaben an, dass ein leistungsstarker und latenzarmer Anwendungszugriff in den nächsten zwölf Monaten für die Konnektivität in Unternehmen relevant oder sehr relevant werden wird – für Anwendungsfälle wie Augmented Reality, Fernzugriff für Wartung und Technik, virtuelles Design oder digitale Zwillinge, um nur einige zu nennen. Für fast zwei Drittel ist die Implementierung von 5G-Technologien für eine verbesserte Konnektivität eine ihrer obersten Prioritäten.
Der zweite Schritt erfordert mehr transformative Anstrengungen. Um die Workloads an den Punkt zu bringen, an dem sie lokal verfügbar sind, sind eine Neugestaltung der Architektur und damit Changemanagement Prozesse erforderlich. Vergleichbare Restrukturierungsprozesse der IT-Infrastruktur haben Unternehmen bereits durchlaufen, als sie sich vom Fokus auf das Rechenzentrum lösten und zu Cloudfirst zentrierten Modellen mit dezentral in der Cloud gehosteten Diensten wechselten. Diese Evolution muss jetzt fortgesetzt werden, indem Cloud-basierte Workloads näher an die Umgebungen rücken, wo sie schnell konsumiert werden können.
Viele Unternehmen sind in ihrer Anwendungsentwicklung an einem Punkt angelangt, an dem sie ihr Vertriebsmodell überdenken. Einer der Hauptgründe dafür ist die Kundenzentrierung ihrer Anwendungen. Enduser wollen so schnell wie möglich auf die Applikation zugreifen. Infolgedessen überlegen die Entwickler, wie sie ihre Anwendungen näher an den Edge bringen können. Um diese Verlagerung zu erleichtern, bieten Telekommunikationsdienstleister mit 5G neue Modelle für die Bereitstellung an, über die sich Apps in der heutigen dreidimensionalen Welt nicht mehr statisch, sondern dynamisch abbilden lassen. Durch diese Modelle rückt die Anwendungsschicht näher an den Verbrauchenden heran. Dies ist genau die Evolution, die in den nächsten zwölf Monaten zu erwarten ist, wenn Unternehmen beginnen, privates 5G für branchenspezifische Anwendungsfälle einzusetzen.
Über das herkömmliche Netzwerk hinausreichend ermöglicht 5G völlig neue Anwendungsszenarien, in denen es neben der schnellen Datenübertragung auch die Absicherung der Zugangsberechtigungen zu überdenken gilt. Wenn Unternehmen das volle Potenzial der Cloud ausschöpfen wollen, um User, Anwendungen und IoT- oder OT-Geräte zu sichern, wird ein Zero Trust-Framework Orientierungshilfe für die Absicherung der Datenströme bieten. Denn Workloads müssen nicht nur an der Edge verfügbar sein und damit dynamischer werden, sie müssen gleichzeitig abgesichert werden.
Um eine solche Evolution ganzheitlich zu bewerkstelligen, müssen 5G-Implementierungen die Orchestrierung von Anwendungen und Sicherheit Hand in Hand mit der 5G-Modularisierung gehen. Das derzeitige Wirtschaftsklima wird Unternehmen jeder Größe vor die Herausforderung stellen, neue Wege zur Erschließung von Wettbewerbsvorteilen zu gehen. Da 5G-gesteuerte Anwendungen darüber hinaus untrennbar mit dem massiven Trend der Automatisierung und Simplifizierung von Infrastrukturen verbunden sind, wird der Mobile World Congress Möglichkeiten zur Umsetzung aufzeigen.
Nathan Howe
VP Emerging Technologies & 5G bei Zscaler
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