Digitalisierung kann einen großen Beitrag zur Selbständigkeit und Lebensqualität bis ins hohe Alter leisten. Dank Online-Shopping und digitalen Services bestreiten ältere Menschen mit körperlichen Einschränkungen ihren Alltag heutzutage wesentlich komfortabler. Soziale Netzwerke, E-Mails oder Videotelefonie-Programme wiederum helfen, soziale Isolation im Alter zu bekämpfen.
Wenn Senioren heutzutage „offline“ sind, liegt dies oft an der Komplexität des Internets. Diesen Grund gaben 42 Prozent der 3.000 Menschen im Alter von über 55 Jahren an, die vom Cybersecurity-Unternehmen Avast in 2022 zu ihrem Internetverhalten befragt wurden. Initiativen zur Barrierefreiheit müssen also die Komplexität radikal reduzieren. Hier kommt es auf die Integration von einfach gehaltenen Funktionen, wie größere Schriftarten, in Websites oder Apps einerseits, und komplexe, zielgruppenspezifische Anwendungen andererseits an.
Mobilität ist eine wichtige Säule der gesellschaftlichen Teilhabe. In Regionen ohne ein engmaschiges Verkehrsnetz sind Personen ohne Auto auf alternative Beförderungsservices angewiesen, beispielsweise das Ride Hailing. Viele der einschlägigen Ride-Hailing-Apps sind jedoch für ältere Menschen nicht benutzerfreundlich zu bedienen.
Die chinesische Navigationsplattform Amap, eine Tochter von Alibaba Cloud, hat in Zusammenarbeit mit der China Aging Development Foundation das Ride Hailing stark vereinfacht. In 20 Städten Chinas wurden insgesamt über 2.500 Ride Hailing Stationen installiert – einfach zu erreichen, da sie sich in der Nähe von Wohnungskomplexen oder Busstationen befinden. Dort sind gut sichtbare QR-Codes angebracht. Benötigen Senioren einen Fahrdienst, müssen sie nur den QR-Code mit dem Smartphone scannen und werden zu einer Seite geleitet, auf der sie einen blinkenden Button drücken müssen. Den Rest erledigt die App – ohne umständliches Klicken durch Menüs.
Auch wenn ältere Menschen noch beim Sprung in die digitale Welt zögern, sind Senioren die derzeit am schnellsten wachsende Gruppe im Netz – bereits jeder dritte Deutsche ab 80 Jahren nutzt das Internet. Web-Portale und Apps stellen einen wertvollen Touchpoint zur alternden Zielgruppe dar – beispielsweise in der Alzheimer-Forschung. Viele Menschen scheuen den Gang zum Arzt, aus Schamgefühl oder weil sie die ersten Anzeichen der Demenz selbst nicht bemerken.
In Deutschland und Europa sind Apps zur Früh-Erkennung von Alzheimer noch in den Kinderschuhen. In China sind diese bereits im Alltag vieler Senioren angekommen: Per Handy-App können Senioren zum Beispiel kognitive Tests in Sprachform beantworten und den klassischen Uhrentest absolvieren. Das dauert gerade mal zehn Minuten. Die KI-gestützte App nimmt eine vorläufige Bewertung vor und stützt sich dabei auf multimodale Lernalgorithmen zur Analyse von Sprache und Schrift.
Die vorläufigen Testergebnisse leitet die App an einen medizinischen Experten zur Validierung weiter. Binnen sieben Tagen liegt die finale Einschätzung vor. Personen, die auf Basis ihrer Testergebnisse als besonders gefährdet eingestuft werden, wird per Push-Benachrichtigung empfohlen, sich an einen medizinischen Experten zu wenden. Das KI-basierte Alzheimer-Pre-Screening wurde in Zusammenarbeit mit Alibabas Forschungsinstitut DAMO Academy (Academy for Discovery, Adventure, Momentum and Outlook) entwickelt.
Im Alter lässt das Sehvermögen nach, doch Senioren sind nicht die einzige Personengruppe, die von visueller Barrierefreiheit profitiert. Insgesamt leben 285 Millionen Menschen auf der Welt mit einer Seheinschränkung, so die World Health Organisation (WHO). Diese Zielgruppe ist im digitalen Raum nicht zu vernachlässigen. Mit Screenreadern, E-Books und Diktierfunktionen haben barrierefreie Alternativen den Markt erobert. Doch die Punktschrift Braille ist nach wie vor ein wichtiges Informationsvehikel für Menschen mit Sehbeeinträchtigung. Die Übersetzung von Braille ist hochkomplex. Bisherige Übersetzungsprogramme erfordern daher zusätzlich menschliche Expertise, um eine valide Übersetzung zu ermöglichen. Hier kann KI im Zusammenspiel mit Machine Learning eine entscheidende Rolle spielen.
In einem Pilotprojekt erprobt die DAMO Academy, Alibabas globales Forschungsinstitut, ein Braille-zu-Text-Programm auf KI-Basis. Eine Kombination aus Optical Character Recognition (OCR) und Machine Learning ermöglicht die Echtzeit-Übersetzung von Braille. Dabei wird der Braille-Text mit einem kleinen Device gescannt und mittels KI-gestützter Bildverarbeitung in ein digitales Punktmuster umgewandelt. Diese Punkte werden in die romanisierte Schreibweise für Mandarin, anschließend in Schriftzeichen mit Natural Language Processing (NLP) übersetzt. Dank leistungsstarker Algorithmen dauert die Übersetzung wenige Sekunden. Auch mit Braille-Grafiken, chemischen Formeln oder mathematischen Gleichungen kommt das Übersetzungssystem zurecht.
Mit ein paar Klicks online bestellen oder den Wocheneinkauf erledigen, Spiele spielen oder Multimedia-Angebote nutzen – was für die meisten Nutzer selbstverständlich ist, lässt sich für Senioren oder Menschen mit Sehbeeinträchtigung oft nicht nutzen. Entsprechend wichtig sind Funktionen für die Barrierefreiheit, um ein inklusives Shopping- und Unterhaltungserlebnis zu ermöglichen.
In China vereinfacht zum Beispiel einer der größten Online-Marktplätze des Landes, Taobao, Älteren mit einem Senioren-Modus den Umgang mit der App: Durch größere Schriften und Icons sowie eine einfachere Navigation und die Unterstützung von Sprachbefehlen. Zum Einsatz kommt dabei die von Alibaba Cloud, die Cloud Computing Geschäftseinheit von Alibaba Group, entwickelte OCR-Technologie, um Menschen mit Sehbeeinträchtigungen die Bedienung zu erleichtern. Die KI-basierte Funktion macht Bildbeschriftungen für Screenreader zugänglich – und zwar von über 100 Millionen Bildern täglich. Eine kolossale Erleichterung, zumal eine durchschnittliche Produktseite rund 40 Abbildungen enthält.
Damit Menschen aller Altersstufen vom technischen Fortschritt profitieren, müssen Unternehmen auf kreative Lösungen und neue Entwicklungen setzen – dabei lohnt es sich, einen Blick auf Initiativen zu werfen, bei denen inklusive KI-Applikationen bereits eingesetzt werden, um den digitalen Alltag zu erleichtern.
ist General Manager Europe, Alibaba Cloud
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