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Wie All-in-one-Lösungen den Legal Tech-Markt umkrempeln

Unternehmen stehen verstärkt unter Druck: Die steigenden rechtlichen Anforderungen in der Gesetzgebung erhöhen nicht nur das Auftragsvolumen für Unternehmensjuristen – In House-Legal Counsel – oder extern hinzugezogene Kanzleien, sondern auch die Komplexität der anfallenden Aufgaben.  Das rechtliche Tagesgeschäft in Form von repetitivem und standardisierbarem Vertragswerk fällt dennoch an. Die Folge: Rechtsexperten können mit der anfallenden Arbeit häufig nicht mehr Schritt halten und Unternehmen laufen ohne zusätzliche Unterstützung Gefahr, alte und neue Compliance-Anforderungen nicht mehr zu erfüllen.

Eine kürzlich von Gartner durchgeführte Umfrage ergab, dass mehr als 80 Prozent der Führungskräfte in Rechtsabteilungen kein volles Vertrauen in die Bereitstellung schneller, risikoorientierter Leitlinien und Entscheidungshilfen für die gesamte Organisation haben. Eine Entspannung der Situation ist mit Blick auf den anhaltenden Mangel an kompetenten Legal Counsels ist für diese bedenklich hohe Zahl nicht in Sicht – zumindest nicht durch tradierte Herangehensweisen. Und genau an diesem Punkt kommt Legal Tech ins Spiel.

E-Signing, Vertragsvorlagen oder automatisierte Vertragserstellung

Bei Legal Tech-Lösungen handelt es sich um digitale Tools, die Arbeitsprozesse im rechtlichen Bereich effizienter und transparenter gestalten. Angefangen bei E-Signing-Lösungen reicht das Leistungsspektrum mittlerweile über Vertragsvorlagensammlungen bis hin zur automatisierten Vertragserstellung, die es auch Nichtjuristen ermöglicht, elementare rechtliche Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Anbieter wie PocketLaw bieten mittlerweile All-in-one-Lösungen an, die diese Leistungen über verschiedene Märkte und Rechtsordnungen hinweg auf einer einzigen Plattform integrieren. Fest steht, dass der Einsatz von Legal Tech das Potenzial hat, Unternehmen in die Lage zu versetzen, grundlegende rechtliche Aufgaben mithilfe aktueller Vertragsvorlagen und intelligenter Prozessabwicklung selbst zu erledigen. Kostspielige Anrufe bei externen Anwaltskanzleien sind dann nur noch bei komplexeren Rechtsfragen erforderlich.

Um es im Business-Jargon zu sagen:  Der Einsatz von Legal Tech ist ein No-Brainer. Die aktuelle Future Ready Lawyer-Studie bestätigt dies: Sie prognostiziert die wachsende Bedeutung von Legal Tech im Kontext steigender rechtlicher Komplexität und Informationsmenge als einen der bestimmenden Trends im Rechtsmarkt der nächsten drei Jahre. Das Marktforschungsunternehmen Gartner prognostiziert, dass Rechtsabteilungen ihre Ausgaben für Legal Tech bis 2025 von 3,9 Prozent auf 12 Prozent verdreifachen werden.

Warum mangelte es so lange an All-in-one-Lösungen?

Obwohl der Leidensdruck nicht neu ist, konnten wir beobachten, dass es bisher nur wenige All-in-one-Lösungen im Bereich Legal Tech gibt. Die Gründe dafür liegen unserer Erfahrung nach zum einen auf technischer Ebene, zum anderen in der Dynamik des Rechtsmarktes.

Aus technischer Sicht besteht die Herausforderung darin, eine Vielzahl unterschiedlicher Komponenten wie z.B. E-Signing, Vorlagensammlungen, aber auch eine nutzerfreundliche Oberfläche für ein Angebot gleichzeitig zu entwickeln, aufeinander abzustimmen, in eine Plattform zu integrieren und laufend zu aktualisieren. Inhalt und Framework beeinflussen sich dabei gegenseitig, weshalb bei der Entwicklung und Pflege eine ständige Balance zwischen technischem Know-how, User-Experience und rechtlicher Expertise gewahrt werden muss.

Skepsis gegenüber automatisierten, digitalen Workflows

Aus der Perspektive des Ökosystems, in dem Legal Tech-Lösungen anzusiedeln sind, müssen sich die Anbieter zudem damit auseinandersetzen, dass Kanzleien und In House-Legal Counsels der Einführung automatisierter digitaler Workflows bislang eher skeptisch gegenüberstehen. Vielerorts besteht die fälschliche Annahme, dass Legal Tech menschlicher Rechtsberatung die Existenzgrundlage entziehen könnte, statt sie in ihrer Arbeit zu entlasten. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass Anwaltskanzleien häufig der Anreiz fehlt, effiziente Tools einzuführen, weil die aktuelle Vergütungsstruktur ihnen hohe Stundenhonorare ermöglicht – unabhängig vom Aufwand oder der Komplexität ihrer Arbeit.

Eine solche Einstellung erscheint angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise und der damit einhergehenden Ressourcenknappheit auf Seiten der Mandantschaft kurzsichtig, denn Legal Tech ist bereits auf dem Markt und wird sich weiter etablieren. Die Frage ist also, wie die Stakeholder im Rechtsmarkt in Zukunft den größtmöglichen Nutzen aus den neuen Technologien ziehen können. Wie so oft bei digitalen Werkzeugen gilt auch hier:

Data is everything – auch auf dem Rechtsmarkt

Wer repetitive rechtliche Aufgaben über All-in-one-Plattformen abwickelt, kann wertvolle, datengestützte Einblicke in die Vertragsverwaltung gewinnen und daraus relevante Schlüsse ziehen: Welche Verträge werden am häufigsten erstellt? Wie viel Zeit wird für die Erstellung bzw. Bearbeitung benötigt? Welche Stakeholder sind beteiligt? An welchen Stellen besteht Bedarf, das Angebot an Vorlagen zu erweitern? Plattformen wie PocketLaw bieten bereits heute sogenannte Contract Data Features, die Kunden und Kundinnen diese Einblicke gewähren und so die Möglichkeit bieten, Projekte zukünftig besser planen und möglichst effizient durchführen zu können.

Wo es um umfassende Datennutzung geht, ist die Diskussion um Datensicherheit nicht weit. Viele Unternehmen schrecken bereits davor zurück, ihre Verträge in ein cloudbasiertes Tool hochzuladen, geschweige denn Dritten Einblick in ihr Nutzerverhalten zu geben. Im Zeitalter der Digitalisierung, in dem die Nutzung von G-Suite, Salesforce und Co. in fast allen Branchen zum Standard gehört, sollten sich Entscheidungsträger:innen – mit Verlaub – fragen, ob es für ihr Tagesgeschäft weiterhin zielführend ist, sich auf das physische Rolodex und den guten alten Aktenschrank zu verlassen. Wer konsequent digitale Tools nutzt, weiß auch, dass Anbieter heutzutage einen besonderen Fokus auf IT-Sicherheit legen und insbesondere in Europa den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung unterliegen. Gleiches gilt für Legal Tech-Anbieter, die sich in einer Branche bewegen, in der die Vertraulichkeit von Inhalten seit jeher eines der höchsten Güter ist.

Wir halten daher fest, dass mittelfristig kein Weg an Legal Tech-Lösungen vorbeiführen wird – was die Frage aufwirft, wohin die Reise langfristig gehen kann.

Ausblick: Wie wird sich Legal Tech unter dem Einfluss von KI entwickeln?

Das Ziel von Legal Tech-Lösungen ist – ich wiederhole mich gerne – Anwälte und Anwältinnen bei ihrer Arbeit zu unterstützen und nicht, sie obsolet zu machen. Diesen Umstand sollten alle Beteiligten vor allem mit Blick auf einen logischen weiteren Schritt in der Automatisierung rechtlicher Arbeit im Kopf behalten: die Einführung von künstlicher Intelligenz. Gerade in den Inhouse Rechtsabteilungen von Unternehmen ist hier ein großes Potenzial für “Early Adoption” und breite Anwendung zu sehen. So prognostiziert die Gartner-Studie “Future of Legal”, dass noch in diesem Jahr 25 Prozent der internen Rechtsangelegenheiten in Großunternehmen durch virtuelle Rechtsassistenz bearbeitet werden. Goldman & Sachs geht sogar davon aus, dass in naher Zukunft bis zu 44 Prozent der rechtlichen Arbeit automatisiert oder durch künstliche Intelligenz erledigt werden können. Mit der öffentlichkeitswirksamen Integration von Harvey AI durch Allen & Ovary und PwC sehen wir, dass auch namhafte Kanzleien den Trend erkannt haben.

Alles in allem gilt für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Rechtsmarkt, was für die deutsche Wirtschaft insgesamt gilt: Haltet nicht aus Bequemlichkeit an veralteten Strukturen fest. Springt auf den Zug der Digitalisierung, bevor er euch überrollt! Spätestens mit der Bündelung innovativer Technologien in All-in-one-Lösungen ist der Schritt zur effizienten und digitalen Rechtsarbeit nicht nur einfach, sondern unumgänglich, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Kira Unger

ist CEO & Co-Founder von PocketLaw. Die Anwältin ist auf Merger & Acquisition spezialisiert und erlebte aus erster Hand die teilweise archaischen Strukturen der Rechtsbranche. Sie stellte fest, dass es für Unternehmen keine umfassende Software-Lösung gab, mit der sie ihre juristischen Belange effizient bearbeiten verwalten konnten.



Roger Homrich

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