Algorithmen unter der Motorhaube
Mit weniger Energie das gleiche Ergebnis erreichen – in den kommenden drei Jahren arbeitet das TANGO-Projekt an einer sektorenübergreifenden Datenplattform.
Eigenständig lenken, beschleunigen und bremsen – Sensoren, Kameras und IT-Systeme in smarten Autos machen genau das möglich. Was technologisch notwendig ist, um sicher und komfortabel zu fahren, wirkt sich auf das Klima aus; und zwar erheblich, wie eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeigt. Demnach sollen die Computer autonomer PKW schon bald für jährlich rund 0,3 Prozent aller globalen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich sein. So viel, wie alle Rechenzentren der Welt aktuell bereits im gleichen Zeitraum ausstoßen.
Die Prognose des MIT geht von 1 Milliarde Autos aus, die täglich 60 Minuten autonom fahren und dabei jeweils 840 Watt an Rechenpower verbrauchen. Zwar sind aktuell erst rund 55 Millionen PKW dieser Art auf den Straßen der Erde unterwegs. Aber dennoch zeichnet sich der Trend ab. Schon heute ist die Automobilbranche an Lösungen interessiert, wie sie das MIT jetzt erforscht: Zum einen lässt sich die Hardware zuschneiden, so dass sie sich speziell für die Rechenaufgaben im Fahrzeug eignet. Und zum anderen lässt sich die Software optimieren, so dass die Algorithmen unter der Motorhaube weniger Energie verbrauchen.
TANGO-Projekt: Plattform für ökologisch nachhaltige Datenverwaltung
Mit weniger Energie das gleiche Ergebnis erreichen – intelligente Software mit kleinerem ökologischem Fußabdruck ist ein Ziel von vielen weiteren, die das im September 2022 gestartete TANGO-Projekt verfolgt. Unter dem Titel “Digital Technologies ActiNg as a Gatekeeper to information and data flOws” arbeiten 34 Partner aus 13 Ländern unter der Leitung von ATOS Spanien zusammen. Auf der Grundlage eines bürgerschaftsnahen und vertrauenswürdigen Konzepts realisiert das Konsortium bis 2025 eine Plattform, um Daten transparent, sicher, fair und ökologisch nachhaltig zu verwalten.
Berechnungen beschleunigen, Prognosen verbessern und Energie sparen
TANGO entwickelt besonders energiesparende neuronale Netze. Die dem menschlichen Gehirn nachempfundenen Programme sind für das Deep Learning notwendig und damit entscheidend für Künstliche Intelligenz (KI). Denn über neuronale Netze lassen sich KIs trainieren und weiterentwickeln. Derartig selbstständig lernende maschinelle Anwendungen (AutoML) sind in der Lage, Berechnungen zu beschleunigen und Prognosen eigenständig zu verbessern. Typischerweise macht sie das überall dort gefragt, wo große Datenmengen zu verarbeiten sind. Und typischerweise konsumieren die rechenintensiven Applikationen dabei viel Energie – egal, ob auf der Datenplattform von TANGO oder im autonomen Automobil. “TANGO aims to offer an AutoML solution designed to generate energy efficient deep neuronal networks that provide also appropriate performance in terms of accuracy, considering that the training or inferencing of the models should be done in distributed environments and including edge computing devices”, heißt es auf der Projektwebsite.
Studie aus Portugal: Programmiersprachen als Stromfresser
Strom verbrauchen und Klimagase produzieren – welchen Anteil daran beispielsweise Programmiersprachen haben, hat eine Studie aus Portugal untersucht. Im Jahr 2017 hat eine Forschungsgruppe verglichen, wieviel Energie 27 gängige Sprachen benötigen, während sie typische Aufgaben lösen. Die Ergebnisse zeigen: Nicht immer führt der schnellste Weg zur ökologischsten Lösung. Beispielsweise wirkt sich die Art und Weise, wie Anwendungen Speicherbereiche auslasten, unmittelbar auf den Strombedarf aus. So schneidet in puncto Energie etwa Rust besonders gut und Python besonders schlecht ab. Im Mittelfeld liegen Sprachen wie C#, Go oder Java Script. „Our work helps contribute another stepping stone in bringing more information to developers to allow them to become more energy-aware when programming”, fasst die online abrufbare Studie zusammen.
Software in der Cloud: Chancen für Umwelt und Klima
Software als Klimafaktor – nichts anderes zeigt eine Studie von Accenture. Das Beratungsunternehmen hatte dafür 2020 die Ökobilanz der Public Cloud untersucht. Die Ergebnisse verdeutlichen: Migrieren Firmen weltweit ihre IT in die Rechenzentren von Providern, würden 5,9 Prozent aller Emissionen entfallen, die sonst durch den lokalen Betrieb entstehen. Der Schritt könnte jährlich rund 60 Millionen Tonnen Treibhausgas einsparen, was der Menge entspricht, die 22 Millionen Autos im gleichen Zeitraum ausstoßen. Rund 12 Millionen Tonnen an Sparpotential entfallen auf die Software, wenn Anwendungen so programmiert sind, dass sie die Chancen der Cloud native ausschöpfen.
Effizienter kühlen, Ressourcen besser auslasten und Energie sparen – Vorteile geteilter Infrastrukturen, die zeigen, warum Cloud-Rechenzentren jedem eigenen Serverraum überlegen sind. Und Chancen, die ebenfalls das TANGO-Projekt adressiert: “With climate change being the defining issue of our time, operators are now quickly realising that there is an urgent need to increase the energy efficiency of data centres and reduce their environmental impact.”
EU gibt jeden dritten Euro für Klimaziele aus
An Wegen, um das Digitale mit dem Grünen zu verbinden, arbeitet auch der eco – Verband der Internetwirtschaft. Und das nicht nur als Konsortialpartner im TANGO-Projekt, sondern darüber hinaus mit eigenen Initiativen: So formiert sich unter dem Dach des Internetverbands die so genannte Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen. Laut Zahlen, die der Zusammenschluss von Cloudanbietern, Internet-Service-Providern, Softwareherstellern und weiteren Unternehmen aus Betreiberbranchen veröffentlicht hat, sind die CO2-Emissionen europäischer Rechenzentren seit 2015 rückläufig. Den Trend treiben Fortschritte, wie sie TANGO jetzt anstrebt.
Die Arbeit von TANGO schmiegt sich strategisch in die dezentrale und verteilte Dateninfrastruktur von Gaia-X ein. Und TANGO ist Teil von Horizon Europe, dem mit 95,5 Milliarden Euro bislang größten Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union. Jeder dritte Euro soll dabei in Technologien fließen, die dem Staatenbund helfen, seine Klimaziele zu erreichen. Digitale Lösungen als Baustein einer gesünderen und nachhaltigeren Welt – nicht nur davon ist schließlich auch das Massachusetts Institute of Technology überzeugt. Denn sind autonome Autos mit energieeffizienteren Algorithmen unterwegs, ist das nicht nur ökologischer, sondern zudem ökonomischer: Verbrauchen Bordcomputer weniger Strom, erhöht sich die Reichweite der elektrisch betriebenen Fahrzeuge.