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Mit Digitalisierung zu nachhaltigen Industrieprojekten

Laut der Studie „IT-Trends 2023“ ist Datenmangel der Faktor, der die Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf Basis von Digitalisierung am schwerwiegendsten ausbremst. Denn in Unternehmen stehen derzeit weniger als 40 Prozent aller Informationen abteilungsübergreifend zur Verfügung. Eine der größten Hürden in diesem Zusammenhang sind die Datensilos. Sie verhindern, dass Betriebe das Potenzial der vorhandenen Daten ausschöpfen.

Dazu kommen Schwierigkeiten beim Datenaustausch mit anderen Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette. Denn allein schon, um die Berichtspflichten zu erfüllen, benötigen Firmen vielfältige Informationen von ihren Sublieferanten. So sind beispielsweise im Bereich Anlagenbau zahlreiche global verstreute Zulieferer beteiligt. Damit machen Tausende Dokumente wie Betriebsanleitungen, technische Zeichnungen, Genehmigungsunterlagen oder Verträge die Runde – meist in Papierform. Denn angesichts fehlender smarter Systeme gehen bei der Herstellung, dem Verkauf sowie dem Betrieb oft wichtige Informationen verloren.

Was sollen Unternehmen im Anlagenbau also am besten tun, um einerseits den Datenfluss sicherzustellen und andererseits die „Twin Transition“ – die Verbindung von grünem und digitalem Wandel – zu schaffen?

Cloudbasierte Datenumgebung

Eine grundlegende Voraussetzung für den ungehinderten Datenaustausch innerhalb einer Organisation und auch jenseits der Unternehmensgrenzen und aller Informationssilos ist eine gemeinsame Datenumgebung, die bereits während der Entwicklung und Produktion zum Einsatz kommt. Hier lassen sich Informationen während des gesamten Produktlebenszyklus zusammenführen und gleichzeitig über digitale Geschäftsprozesse wertschöpfend nutzen.

Eine intelligente Datenumgebung ist zum einen durch die Nutzung einer Cloud gekennzeichnet. Alle an einem Industrieprojekt beteiligten Unternehmen sind in der Lage, jederzeit und von jedem Ort auf die darin gespeicherten Informationen zuzugreifen.

Die Cloud erleichtert außerdem die schnelle und einfache Integration neuer Zulieferer, falls es das Projekt oder die Marktbedingungen verlangen.

Damit die oft sensiblen Informationen nicht in falsche Hände geraten, bietet eine gemeinsam genutzte cloudbasierte Umgebung umfassende Sicherheitsmaßnahmen. Dazu gehören zum Beispiel ein smartes Berechtigungssystem, eine Zwei-Faktor-Authentifizierung beim Log-in und die hohen Security-Standards eines europäischen Cloud-Providers.

Eine moderne Datenumgebung zeichnet sich zum anderen durch die smarte Prozessorientierung aus. Diese unterstützt Unternehmen bei der abteilungs- und unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit aller Teilnehmer:innen. Zur Verfügung stehen Standardworkflows wie Prüfungs- und Freigabeprozesse inklusive der fortgeschrittenen elektronischen Signatur gemäß der eIDAS-Verordnung für rechtsverbindliche digitale Unterschriften. Außerdem können Mitarbeitende aus den Fachabteilungen mithilfe eines grafischen Prozesseditors selbstständig Workflows anpassen oder erstellen – Stichwort Low-Code/No-Code.

Eine gemeinsame Datenumgebung mit den eben beschriebenen Funktionen findet eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, darunter den Digitalen Produktpass und den Digitalen Zwilling als Säulen moderner Nachhaltigkeitsmaßnahmen.

Produktpass und Typenschild

Der Digitale Produktpass (DPP) ermöglicht es Herstellerfirmen, Anwendenden und Entsorgern, einen einheitlichen Datenaustausch über den kompletten Produktlebenszyklus sicherzustellen. Es reichen zum Beispiel wenige Klicks auf einem Smartphone oder Tablet, um Informationen über ein bestimmtes Produkt abzurufen.

Herstellerfirmen wiederum sind in der Lage, Betriebs- und Gebrauchsanleitungen in aktueller Landesfassung bereitzustellen. Und öffentliche Stellen profitieren davon, dass sie schnell und einfach überprüfen können, ob Unternehmen die örtlichen, aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen einhalten.

Eine Anwendungsmöglichkeit des Digitalen Produktpasses ist die Bereitstellung von Informationen in Sachen Materialzusammensetzung. Er gibt etwa Antworten darauf, welche Werkstoffe sich am Ende ihres Produktlebenszyklus recyceln lassen und welche entsorgt werden müssen. Vorstellbar ist zudem, dass der Digitale Produktpass Informationen über den CO2-Fußabdruck der einzelnen Komponenten enthält.

Eine weitere Ausprägung des Produktpasses ist das Digitale Typenschild, das heute die Industrie für die Produktkennzeichnung genormt und in ersten Anwendungen nutzt. Damit können Teams Produkte dank eines eindeutigen „Identifiers“ vom Wareneingang bis zur Einsatzstelle spielend identifizieren. Sie greifen zudem auf sämtliche Produktinformationen und Dokumentationen über das Internet direkt zu – die früher üblichen langen Zeiten der Suche und Zuordnung entfallen. Außerdem vereinfacht das Digitale Typenschild das Ersatzteilmanagement und beschleunigt Wartung und Reparaturen.

Digitale Zwillinge

Der Hauptzweck eines Digitalen Zwillings im Bereich Industrie 4.0 besteht darin, Vorabtests, kostengünstige Predictive-Maintenance-Analysen oder komplette virtuelle Inbetriebnahmen zu ermöglichen. Digitale Prozesszwillinge zielen darauf ab, Unternehmen bei der Erstellung oder Optimierung von Prozessen zu unterstützen.

Eine weitere Stärke des Digitalen Zwillings ist, dass Verantwortliche die tatsächlichen Strukturen und Abläufe in der Supply-Chain präzise und tiefgreifend analysieren können. Dieser Ansatz eröffnet beispielsweise völlig neue Möglichkeiten in der Bewertung, Steuerung und Qualifizierung von Lieferanten, was eine wesentliche Voraussetzung für die Festlegung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen ist.

Klimaschutz und Wettbewerbsvorteile Hand in Hand

Die gute Nachricht ist, dass die moderne Informationstechnologie bereits für knapp 50 Prozent der Reduzierung von Emissionen verantwortlich zeichnet, so die Studie „IT-Trends 2023“. Ebenfalls positiv zu werten ist die Tatsache, dass das Potenzial für weitere Verbesserungen in Sachen Nachhaltigkeit noch sehr groß ist. Wenn Unternehmen etwa bei Industrieprojekten in eine gemeinsame, cloudbasierte Datenumgebung entlang der gesamten Wertschöpfungskette investieren, dann sind sie nicht nur in der Lage, einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, sondern auch deutliche Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Andreas Dangl

ist  Geschäftsführer von Fabasoft Approve.

Roger Homrich

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