Mit einer beeindruckenden Produktionssteigerung von 40 Prozent allein im letzten Jahr hat Tesla einen Börsenwert erreicht, der die Bewertung aller anderen Autohersteller zusammen übersteigt. Diesen Erfolg können auch die aktuellen Medienberichte um Musk nicht schmälern. Zwar heißt es, Tesla plane, temporär auf einen Teil der rund 1.000 Leiharbeiter zu verzichten. Und ob er seine Ziele, den Output zu verdoppeln, überhaupt erreicht, stehe auch in den Sternen. Doch das ist nicht der entscheidende Punkt. Das Beeindruckende ist, dass Elon Musk es überhaupt geschafft hat, eine Fabrik auf die Beine zu stellen, die so effizient produzieren kann – wenn es genügend Abnehmer für Elektroautos gibt.
Dabei basiert der Erfolg des texanischen Elektroautoherstellers nicht nur auf dem Ausbau seiner Fertigungskapazitäten durch neue Produktionsstätten und Giga-Factories. Vielmehr liegt dem Triumph von Tesla eine beeindruckende Innovationskraft in allen Unternehmensbereichen zugrunde. Neben dem Erfolg des meistverkauften Elektroautos der Welt, dem Model Y, setzt Tesla auch Maßstäbe bei der effizienten und schnellen Herstellung von Batteriespeichern und Photovoltaikanlagen.
Tesla hat von Anfang an auf innovative Produktionsverfahren wie das Spritzgussverfahren gesetzt. Wie bahnbrechend diese Innovationen sind, hat kürzlich erst die Konkurrenz ausgedrückt. Nachdem Toyota-Ingenieure das Tesla Model Y zerlegt hatten, gab es großes Lob – und das von Hersteller Toyota, der lange Zeit als Marktführer im Bereich Produktion und Effizienz galt. Das “Kunstwerk” soll Toyota zukünftig sogar als Inspiration dienen – und so auch anderen Herstellern, die bereits verkündet haben, auf Giga-Druckgusss zu setzen.
Doch die Revolution geht weit darüber hinaus. Unter der Leitung von Elon Musk hat das Unternehmen konsequent eine Führungs- und Entscheidungskultur implementiert, die es der traditionellen Automobilindustrie auf absehbare Zeit schwer machen wird, Schritt zu halten. Tesla hat sich von herkömmlichen Paradigmen im Fahrzeugbau verabschiedet und stattdessen eine Strategie verfolgt, bei der die Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit und die aktive Einbeziehung der Mitarbeiter in die kontinuierliche Verbesserung der Fertigung im Mittelpunkt stehen.
Durch einen hohen Innovationsgrad hat Tesla einen nahezu unübertrefflichen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz in Bezug auf Produktivität, Durchlaufzeit und Mitarbeiterzeit pro Fahrzeug (HPV) erlangt. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Konzepts ist das First-Principle-Denken von Elon Musk. Diese Denkweise reduziert komplexe Problemstellungen auf ihre grundlegenden Annahmen und Prinzipien, was es den Entscheidungsträgern ermöglicht, sich auf innovative Lösungen und Optimierungen aller Produktionsprozesse zu konzentrieren.
Tesla verfolgt dabei eine Strategie, bei der einzelne Fahrzeugteile und Baugruppen kontinuierlich reduziert und vereinfacht werden. Durch schrittweise Reduzierung sowohl der automatisierten als auch der manuellen Arbeitsinhalte wird nicht nur die Fertigungsqualität stetig verbessert, sondern auch die Produktivität (ausgelieferte Fahrzeuge pro Mitarbeiterstunde) kontinuierlich gesteigert. Ein Beispiel dafür ist die Umstellung auf innovativen Aludruckguss bei der Fertigung der Unterbodengruppe, wodurch der hintere Rahmen des Model Y in einem einzigen Bauteil gefertigt werden kann. Dadurch konnten 171 Teile und mehr als 1600 Schweißnähte im Vergleich zur herkömmlichen Produktion eingespart werden – ein enormer Vorteil in Bezug auf Effizienzsteigerung und Kostenreduzierung.
Tesla, der Vorreiter unter den E-Autoherstellern, setzt gezielt auf die Einbindung seiner Mitarbeiter in den gesamten Verbesserungsprozess. Statt einer starren Entscheidungsfindung durch eine konsequent hierarchische Managementstruktur, ermutigt das Unternehmen seine Belegschaft dazu, Verschwendungen und störende Abläufe zu identifizieren und eigene Ideen jederzeit einzubringen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei die Organisation in sogenannte “Full-Stack-Teams”.
Diese selbstorganisierten Mitarbeitergruppen verfügen über alle erforderlichen Fachkenntnisse, können bei Bedarf jedoch zusätzliche Experten hinzuziehen und treffen dezentralisierte Entscheidungen in jeder Situation. Dadurch sind die Teams in der Lage, schnell und flexibel zu handeln, ohne auf Freigaben oder Genehmigungen von Managern warten zu müssen. Diese offene Führungskultur ist vielen deutschen Produktionsunternehmen immer noch fremd.
Tesla dient deutschen Unternehmen als wertvolles Beispiel dafür, was mit innovativen Ansätzen in der Produktion möglich ist. Die innovativen Methoden in den Produktionsprozessen, die kontinuierlichen Verbesserungen und die Einbeziehung der Mitarbeiter sind entscheidende Erfolgsfaktoren für den US-amerikanischen Autobauer. Durch sein dezentralisiertes Management, das auf dem First Principle Thinking und der ständigen Vereinfachung von Prozessen basiert, hat Tesla eine Effizienz und Kostenersparnis erreicht, die das Unternehmen zum weltweit führenden Hersteller von Elektroautos gemacht hat. Unternehmen in der Produktion, die diese Prinzipien in ihr Geschäftsmodell übernehmen, können langfristig wettbewerbsfähiger werden und sich einen Spitzenplatz in der sich wandelnden Fertigungsbranche sichern.
Thomas Schulz
ist Geschäftsführer bei Lean Partners und Experte für Lean Production.
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