Es steht außer Frage: Ohne fähige IT-Profis lassen sich die dringend notwendigen Digitalisierungsprojekte weder aufsetzen noch stemmen. Ganz gleich, ob sich um die Entwicklung neuer Software, entsprechende Prozessanpassungen oder die Einführung von KI-Technologien handelt. Experten mit langjährigem und fundiertem Know-How in Feldern wie Datenanalyse, Cloud Computing, KI oder auch Security sind die unbedingte Voraussetzung für den technologischen Vorstoß jedes Unternehmens, von Mittelstand bis Großkonzern.
Entsprechend hoch ist die Bereitschaft der Unternehmen, ihre fähigen IT-Köpfe mit attraktiven Gehältern zu binden. Laut des aktuellen IT-Gehaltsreports vom Personaldienstleister Hays verdient ein Software-Architekt durchschnittlich 79.700 Euro im Jahr, ein Spezialist im Bereich Data & Advanced Analytics immerhin rund 70.000 Euro und ein SAP-Berater im Umfeld ERP bringt es sogar auf 91.200 Euro im Jahresmittel. Im Durchschnitt liegt das Jahresgehalt einer IT-Fachkraft mit 37 Prozent deutlich über dem Gehalt, das in anderen Fachbereichen verdient wird. Also könnte man meinen, es gäbe keinen Grund, sich zu beklagen.
Aber die Realität sieht anders aus. Bei der Mehrheit der festangestellten IT-Fachkräfte macht sie zunehmend Unzufriedenheit im Job breit, so die Studienverfasser. Rund drei Viertel aller befragten IT-Beschäftigten sind bereit, für ein höheres Gehalt den Job zu wechseln. Noch nicht einmal 4 von 10 befragten IT-Fachkräften sind sehr zufrieden oder zufrieden mit ihrem aktuellen Gehalt. Mit Blick auf die Cloud-Spezialisten, wollen sogar 83 Prozent mittelfristig raus aus ihrem derzeitigen Arbeitsverhältnis. Selbst Berufseinsteiger scheinen mit ihrem Einstiegsgehalt von knapp über 50.000 Euro unzufrieden zu sein. Mit einer Wechselbereitschaft von 63 Prozent weisen die IT-Führungskräfte noch die größte „Loyalität“ zu ihrem aktuellen Arbeitgeber auf.
Aber woher rührt diese große Unzufriedenheit? Was bewegt IT-Fachkräfte neben der Hoffnung auf einen noch höheren Verdienst zum Wechsel und welche Lösungen gibt es für Unternehmen, dem entgegenzuwirken?
Es liegt auf der Hand, dass trotz schwächelnder Konjunktur die Gehaltsaussichten für IT-Profis so gut wie nie sind. Die Spezialisten kennen die hohe Nachfrage sowie ihren eigenen Marktwert und versuchen daher natürlich den lukrativsten Job für sich zu ergattern. Sie wissen, dass ohne IT-Expertise Unternehmen am Ende nicht wettbewerbsfähig sind. Andererseits können überdurchschnittlich hohe Gehälter auch überdurchschnittlich hohe Leistungsanforderungen und damit Überlastung zur Folge haben.
Und genau dieser Aspekt bleibt bei der Analyse der Ursachen des großen Wechselwillens häufig außen vor. Die Unzufriedenheit wird nicht selten durch zu geringe Personalstände in der IT sowie Überlastung im Job erzeugt.
„Im Zuge der Digitalisierung werden häufig mehrere neue Technologien parallel eingeführt. Daher müssen viele unterschiedliche IT-Projekte meist gleichzeitig gestemmt werden“, so Alexander Raschke, Vorstand des Personaldienstleisters Etengo. Viele ITler müssen wegen hoher Personalnot sogar im Urlaub durchgängig verfügbar sein, sie müssen unterschiedliche Projekte im Alleingang stemmen, und das, obwohl sie nicht hinreichend fachliche Expertise vorweisen können. Wenn ein Unternehmen beispielsweise IT-Administratoren beschäftigt, ist es keine Seltenheit, dass diese sich zusätzlich auch noch um Sicherheitsaspekte und Identitätsmanagement kümmern sollen. Denn IT-Security Profis kosten Geld, und das möchte sich die Geschäftsleitung derzeit eher nicht ausgeben. Immer mehr interne ITler sind mit dieser Situation aktuell konfrontiert. Einige sollen sogar bereit dazu sein, weniger Gehalt in Kauf zu nehmen, dafür aber mehr Entlastung zu bekommen.
Fachbereichsleitungen sowie auch der Einkauf sind nun gefordert, auf diese Entwicklung mit neuen Sourcing-Konzepten für eine Mixed Workforce zu reagieren. Denn angesichts immer längerer Besetzungszyklen und immer kürzeren Innovationszyklen, wie beispielsweise generative KI, gehen mit den personellen auch immer Wissenslücken einher. Dabei darf die Suche nach den richtigen IT-Fachkräften keinesfalls den Fortschritt bremsen. „Aufgrund der Fülle an externen IT-Fachkräften, die über das Jahr in ganz verschiedenen Projekten gebraucht werden, ist es vorteilhaft, den Einsatz der benötigten freiberuflichen IT-Experten gemeinsam mit dem Personaldienstleister strategisch zu planen,“ meint Alexander Raschke.
Zwar machen externe IT-Fachkräfte laut der Marktforscher von Lünendonk ohnehin bereits rund ein Fünftel der IT-Organisation aus, dennoch dürfte der Bedarf an externen Wissensträgern weiterhin steigen. Und zwar in allen Phasen der Software-Entwicklung. Von Codierung über Implementierung bis Betrieb gibt es dauerhafte Vakanzen, die nicht besetzt werden können. Denn es braucht spezielle Fachkenntnisse und Fähigkeiten, die intern nicht mehr vorhanden sind und daher extern zugekauft werden müssen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Disziplinen IT-Security oder auch Data Analytics. Schließlich legen Unternehmensentscheider immer mehr Gewicht auf die Absicherung der Unternehmensnetzwerke vor Datenklau und Hackerangriffen, und möchten durch professionelle Datenanalysen Produktivitätsgewinne erzielen.
Senior Experts, also erfahrene selbständig tätige IT-Profis, sind in diesem Kontext schon länger sehr begehrt. Denn sie bringen aus ganz unterschiedlichen IT-Projekten jahrelanges Wissen mit, das sowohl operative als auch strategisch einen großen Wertbeitrag in der aktuellen Situation liefert. Sie sind in der Lage Zukunftstechnologien in den IT-Etagen einzuführen, Legacy-Anwendungen und Insellösungen zu einer gesamten IT-Strategie zu formen oder die IT-Infrastruktur komplett zu modernisieren.
Damit aber externe IT-Profis an interne IT-Projekte rechtskonform und reibungslos andocken können, sollten Fachentscheider zunächst folgende Voraussetzungen schaffen:
Unterstützung sichern
Der erste Anstoß sollte vom Management jenes Bereichs kommen, der regelmäßig selbstständige IT-Experten einsetzt. Das kann der Gesamtverantwortliche eines Geschäftsbereichs, in dem das Thema eine besondere Rolle spielt, der strategische Einkauf oder der Personal-Abteilung sein. Entscheidend ist, dass das Topmanagement der Etablierung einer mixed workforce seine Aufmerksamkeit schenkt und Unterstützung zusichert.
Interessen klären
Im nächsten Schritt sollten sich die unterschiedlichen Stakeholdergruppen im Unternehmen austauschen. Ziel ist es, die Interessenslagen transparent zu machen, zu priorisieren und sie in klare Leitlinien zu übersetzen. Dabei sollten der IT-Bereich Auskunft darüber geben können, in welchen Projekten er mit Externen zusammenarbeiten möchte, welche konkreten Aufgaben extern vergeben werden sollen und wie dies in ihre aktuelle Projektplanung passt. Dem Einkauf kommt dabei eine zentrale Rolle zu: Er muss die Beauftragung solcher Dienstleistungen sauber in seinen Prozessen abbilden. Die Personalabteilung wiederum muss den Einsatz von Solo-Selbständigen mit der Personalstrategie abgleichen. Die Rechtsabteilung vertritt die rechtliche Risikolinie; die Geschäftsführung gibt die Gesamtstrategie vor. Klingt ambitioniert, ist aber der sicherste Weg zu einer gemeinsamen Strategie.
Taskforce gründen
Besteht Klarheit über die internen Interessen, bietet sich die Gründung einer Projektgruppe an, die das weitere Vorgehen steuert. In ihr sollten Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Stakeholdergruppen sitzen, die oft gegensätzliche Perspektiven auf das Thema haben. Hier kann der IT-Fachbereichsleiter beispielsweise seinen Projektdruck kommunizieren, die Rechtskollegin kann No-Gos aufzeigen und der Einkäufer darauf hinweisen, dass seine Vertragsprozesse weiterhin steuerbar bleiben müssen.
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