Alexander Motzek: Bei der zweitägigen Veranstaltung mit dem Titel „Unlock the Power of Data“ standen Schlüsselthemen der Luftfahrt auf dem Programm wie Nachhaltigkeit und Effizienz. Wir waren mit rund 70 Datenwissenschaftlern und KI-Experten von zeroG vor Ort und arbeiteten intensiv mit etwa 20 Analysten und Datenexperten von Brussels Airlines zusammen. Die erarbeiteten Proofs-of-Concept sollen dazu beitragen, die Luftfahrt kundenorientierter und nachhaltiger zu gestalten – und zugleich Kosten sparen. Langfristig können auch andere Fluggesellschaften von den Ergebnissen profitieren. Mein Team betrachtete das Thema Kraftstoffeinsparung mit Blick auf „Zero Fuel Weight“.
Es geht um die Betankung der Flugzeuge, die nicht für jeden Flug gleich ist. Mit wie viel Kerosin ein Flugzeug betankt wird, richtet sich nach dem angenommenen Gewicht der Maschine für den entsprechenden Flug inklusive Beladung aber ohne Treibstoff, dem sogenannten Zero Fuel Weight. Hier gibt es zeitlich bedingte Diskrepanzen. Das liegt daran, dass die Annahme des beladenen Gewichts auf Daten aus dem sogenannten Operational Flight Plan (OFP) beruht, der oft mehrere Stunden vor Abflug generiert wird. Ändert sich das Gewicht kurzfristig, weil ein Container doch nicht geladen wird, kann dies in der Betankung nicht mehr berücksichtigt werden. Zu viel Kerosin an Bord sorgt aber wiederum selbst für ein höheres Gewicht und entsprechend mehr Kerosinverbrauch. Das Problem ist in der Luftfahrt bekannt. Unterschätzt wird allerdings die Tragweite dieser Diskrepanz. Und genau das haben wir während des Hackathons aufgearbeitet und mit Daten belegt.
Wir aber uns uns vier Millionen Datenpunkte der gesamten Flotte von Brussels Airlines aus den Jahren 2022 und 2023 angeschaut. Der Datensatz zeigt die Geschichte jedes einzelnen Fluges inklusive der Vorkommnisse vor Abflug, die für das Zero Fuel Weight relevant sind.
Es gibt zwei große Ansatzpunkte: Erstens enthält der OFP Informationen, die zum Zeitpunkt des Abflugs nicht mehr aktuell sind. Zweitens wird die Betankungsentscheidung oft ebenfalls mehrere Stunden vor Abflug getroffen. Kurzfristige Änderungen im Gewicht werden also nicht berücksichtigt. Das führte in 51 Prozent aller Fälle zur Annahme eines zu hohen Flugzeuggewichts. Daraus folgte eine zu hohe Betankung, ein erhöhtes Gesamtgewicht und letztlich vermeidbarer Kerosin-Mehrverbrauch. Man kann grob sagen, dass sich etwa 10 Prozent des Gewichts, das fehlerhaft als zu viel angenommen wird, am Ende in Mehrverbrauch niederschlagen.
Auf den gesamten Datensatz haben wir eine klassische Datenanalyse angewandt. Dabei haben wir vor allem konservative Annahmen getroffen und Datensätze mit Anomalien entfernt, um ein realistisches Bild zu erhalten. Dann haben wir nach Mustern gesucht und Zeitpunkte zusammengefasst, um herauszufinden, wo tatsächlich etwas passiert ist. Mithilfe der Kollegen von Brussels Airlines haben wir viele Hypothesen aufgestellt und diese anhand der Daten be- oder widerlegt. Aufgrund der Größe des Datensatzes haben wir die Hypothesen priorisiert, um dann datenbasierte, valide Annahmen zu erlangen. Dabei arbeiteten wir mit klassischen Big-Data-Analysen mittels eines Oracle Data Warehouses. Diese wurden auf einem Spark Cluster in Data-Bricks durchgerechnet. Data-Bricks ist als Technologie auch Teil der Lufthansa Group OneData-Plattform.
Die Ungenauigkeit in der Vorhersage des Flugzeuggewichts hat allein in den letzten zwei Jahren für mehrere Millionen Kilogramm Mehrverbrauch an Kerosin gesorgt, die wiederum für mehr als 5.000 Tonnen an CO2-Emissionen verantwortlich sind. Das entspricht einem Einsparpotenzial von mehreren Millionen Euro.
Wir haben zwei konkrete Änderungsoptionen analysiert und durchsimuliert.
Erstens: Wenn jeder Flugplan 15 Minuten vor Abflug, zum konkreten Zeitpunkt der Betankung neu berechnet würde, anstatt die alten Daten aus dem OFP zu nutzen, könnte der vermeidbare Kerosinverbrauch um gut 30 Prozent gesenkt werden.
Zweitens: Werden nicht alle, sondern nur die Flugpläne mit Änderungen des Flugzeuggewicht um mehr als 500 Kilogramm neu berechnet, ließe sich der vermeidbare Kerosinverbrauch immer noch um gut 28 Prozent reduzieren.
Würden die beiden Umsetzungsvorschläge realisiert, dann würde diese Prozessänderung die Airline vielleicht eine viertel Million Euro kosten. Diese Kosten würden sich allerdings bereits nach einem viertel Jahr amortisieren. Die Lösung, um den Prozess zu realisieren, ist da. Um sie zu nutzen, müssten die Software angepasst sowie die Funktionalität in die Systeme und Prozesse integriert werden. Der neue Prozess muss gelernt und gelebt werden, dafür brauchen auch die Piloten entsprechende Schulungen. Hier spielen transparente Kommunikation und Aufklärung eine große Rolle. Die Daten zeigen, was theoretisch möglich ist, die Umsetzung liegt nun bei Brussels Airlines.
ist Head of Business Development und Principal Data Scientist bei zeroG. zeroG ist das Herz der künstlichen Intelligenz in der Lufthansa Group.
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