Positiver ROI ist das beste Argument für KI-Projekte

2023 war das Jahr des Experimentierens mit KI. 2024 zieht KI in den Arbeitsalltag ein, sagt Stephanie Griffiths von Dataiku.

Stefanie, für die EU werden 2024 0,9 Prozent Wachstum prognostiziert, für Deutschland nur 0,2 Prozent. Führungskräfte drehen jeden Cent doppelt und dreifach um. Wieso sollten Unternehmen dennoch in Künstliche Intelligenz investieren?

Stephanie Griffiths: Um den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren, sollten Unternehmen ihre Produktivität deutlich steigern. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Das niedrige Wachstum in Deutschland ist also ein Grund mehr, um in KI zu investieren. Eine Faustformel für das Vermeiden unnötiger Kosten lautet, möglichst im etwas kleineren Stil anzufangen, statt Mammut-Projekte aus Angst vor explodierenden Ausgaben auf die lange Bank zu schieben. Die Angst vor den langfristigen Kosten verschleiert viel zu oft den Blick auf den kurz- und mittelfristigen Nutzen.

Es herrscht große KI-Euphorie. Aber mein Eindruck ist, es fehlt den Unternehmen an konkreten Projekten und an Mitarbeitenden, die die KI nutzbringend einsetzen können. Was empfehlen Sie den Unternehmen?

Kosten und der Return-On-Investment sind ein Kernthema. Wir wollen vor diesem Hintergrund auch mehr reale KI-Erfolgsgeschichten präsentieren. Zudem haben wir gerade neue Funktionen in unserem LLM Mesh eingeführt, die es Unternehmen so einfach wie möglich machen, ihre Ausgaben für neue KI-Modelle im Blick zu behalten und zu kontrollieren. Unsere neue Komponente “LLM Cost Guard“ versetzt Unternehmen in die Lage, effektiv die Nutzung ihrer Sprachmodelle – LLMs – zu verfolgen und zu monitoren, um die Kosten für generative KI präziser zu antizipieren und zu kontrollieren. Führungskräfte haben dadurch nicht nur kontrollierten, geregelten LLM-Zugang in unserem LLM Mesh, sondern auch eine detaillierte Echtzeitkontrolle über Ausgaben, so dass sie sich auf das Entwickeln konzentrieren können.

Aktuell dürfte kaum ein Unternehmen über Budgets für das reine “Experimentieren” verfügen. Ab wann können Entscheider damit rechnen, dass sich ihre Investments auch in Form von mehr Umsatz und effektiveren Mitarbeitenden zurückzahlen?

2023 galt grundsätzlich als das Jahr des Experimentierens. 2024 steht ganz unter dem Motto, dass Generative KI nun im Arbeitsalltag das echte Potenzial entfaltet. Es reicht heutzutage nicht mehr aus, KI zu demokratisieren – also allen Teammitgliedern gleichermaßen die Teilhabe zu ermöglichen. Unternehmen müssen sich darüber hinaus auf ihre KI-Rendite konzentrieren. Welche laufenden Kosten entstehen und welcher Mehrwert lässt sich berechnen? Wer kurz- und mittelfristig valide Ergebnisse vorzeigen kann, kann überzeugend für Investitionen in langfristig angelegte Projekte argumentieren.

Welchen Mehrwert können solche langfristig ausgerichteten Projekte generieren, wenn sie erfolgreich implementiert wurden?

Derzeit arbeiten wir beispielsweise mit einem pharmazeutischen Unternehmen zusammen, um umfangreiche biomedizinische Daten zu analysieren und Möglichkeiten zur Neuausrichtung bereits existierender Medikamente zu identifizieren. Darüber hinaus arbeiten wir mit einem Konsumgüterunternehmen daran, Millionen von Produktideen in Minuten zu generieren und zu filtern, um Qualität aus Quantität zu gewinnen. Ein Reifenhersteller nutzt unsere Dienste, um Produkte auf Geräuschabweichungen zu analysieren und Fehler zu erkennen.

Das heißt, die Zeit des Experimentierens ist vorbei?

Nein, ganz ohne experimentieren wird es auch zukünftig nicht gehen. Die Frage ist, wie dieses Experimentieren ausgestaltet wird. Wir empfehlen, eine Umgebung zu schaffen, in der KI anhand von echten Fällen ohne zu große Investments von den Mitarbeitenden entwickelt und implementiert werden kann. 90 Prozent der Lösungen kommen ohne Finetuning aus und liefern kurzfristig erste Ergebnisse.

Nicht nur das Geld ist knapp. Zugleich ist die Unsicherheit groß: Der EU AI Act kommt, die Anzahl der verschiedenen Lösungen nimmt zu. Viele Unternehmen verlieren den Durchblick oder fürchten, dass eine Lösung, die sie heute implementieren, übermorgen bereits überholt ist. Wie lässt sich in dieser Situation das Risiko von Fehlinvestitionen minimieren?

Kontrolle, Governance, Compliance und Flexibilität lauten die Schlagworte. Unternehmen sollten beispielsweise kontrollieren, wer welche Daten wie nutzt und welche Modelle zu welchen Kosten zum Einsatz kommen. Zugleich sollte transparent dokumentiert werden, wie welche Algorithmen arbeiten. Dann kann auch auf zukünftige, aktuell noch nicht vorhersehbare Regulierung reagiert werden. Flexibilität bedeutet wiederum, sich Optionen offen zu halten und sich nicht zu abhängig von einer einzigen Lösung zu machen. Unser LLM Mesh wird vor diesem Hintergrund noch relevanter. Ansonsten verhält es sich bei GenAI nicht großartig anders als bei vorherigen industriellen Revolutionen. Die Gewinner werden die Unternehmen sein, die zuverlässig die neuen technologischen Möglichkeiten skalieren können und bei der Auswahl eines Modells die beste Balance zwischen Qualität, Ergebnissen und Ressourceneinsatz finden.

Ihr würdet also nicht empfehlen, getreu dem Motto “Probieren geht über studieren”, dass einfach mal die einzelnen Mitarbeitenden und Teams kleine Budgets erhalten und mit AI auf eigene Faust loslegen, um effizienter zu arbeiten?

Kurzfristig mag dies funktionieren. Aber schlussendlich ist alles eine Frage der Balance: Wenn niemand im Unternehmen gründlich dokumentiert, welche KI-Lösungen welche Daten nutzen, wird man zukünftig kaum gesetzeskonform agieren können. Außerdem bedeutet dies auch, dass höchstwahrscheinlich die gleichen Modelle doppelt entwickelt, Daten für diese Modelle im Worst-Case doppelt aufbereiten werden. Der Clou ist also, die Umgebung für KI in der Organisation zu zentralisieren und zu strukturieren, um doppelten Arbeitsaufwand zu verhindern und Governance, Kontrolle und Compliance zu gewährleisten; gleichzeitig gerade dadurch einzelne Mitarbeitende und Teams zu befähigen, eigenständig neue KI-Lösungen voranzubringen. Vor allem aber liefert dieser Ansatz auch eine Übersicht über das Verhältnis von Kosten-Nutzen. Wie gesagt. Ein positiver Return-on-Investment ist das beste Argument für langfristig angelegte Projekte.

Sobald die richtige Governance etabliert wurde, kann jeder seinen eigenen Beitrag leisten. Und es ist großartig, wenn jeder in einem Unternehmen mit anpackt – bei Dataiku werden wir alle ermutigt, eigene Projekte zu entwickeln. Ich persönlich baue gerade einen Chatbot, um unser internes Wissen zu verbessern. Es ist sehr befriedigend, etwas mit und für seine Teams in einer sicheren Umgebung zu bauen. Das bringt eine Menge Energie!

 

Stephanie Griffiths

ist Field CDO bei Dataiku.