Künstliche Intelligenz in der Industrie 4.0: Chancen und Risiken

Maßnahmen zur Cyber-Sicherheit müssen sich darauf konzentrieren, KI-Systeme vor Angriffen zu schützen, sagt Thomas Boele von Check Point.

Da generative KI, fortschrittliches maschinelles Lernen und Modellierungsalgorithmen als Standardtechnologien zugänglicher werden, stellt sich nun die Frage nach dem Wert und den Risiken, die mit KI für Industrie 4.0 einhergehen.  Insbesondere, da IoT in so großem Stil Einzug gehalten hat, dass sich KI als transformative Kraft erweist. Denn KI steigert die betriebliche Effizienz, optimiert Vorhersagen und ebnet den Weg für eine einfachere strategische Entscheidungsfindung.

Allein im Fertigungssektor werden die Ausgaben für KI bis 2027 auf rund 9,9 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das entspricht einem jährlichen Anstieg von knapp 25 Prozent. Die Industrie erkennt somit den Wert der KI, um das IoT effektiv zu nutzen. Noch wichtiger aber wird die Integration von KI im industriellen IoT (IIoT). Sie wird die Branche umgestalten, bringt aber komplexe Sicherheitsherausforderungen und ethische Bedenken mit sich.

Vorteile von KI für das IIoT

Die transformative Wirkung von KI im Bereich des IIoT erstreckt sich auf eine Vielzahl von Anwendungsfällen, bei denen sich ein Produktivitätszuwachs verwirklichen lässt. In der Fertigung beispielsweise geht es bei der KI-gesteuerten vorausschauenden Wartung nicht nur um die frühzeitige Erkennung von Fehlern, sondern auch darum, Muster zu erkennen, die zu Verschleiß führen. So verlängert sich die Gesamtlebensdauer von Maschinen. Im Lieferkettenbereich gehen KI-Algorithmen über eine einfache Bestandskontrolle hinaus und bieten Echtzeitverfolgung und vorhersagende Analysen für ein effizientes Management des Bestandes und Reaktionsfähigkeit bei Nachfrageschwankungen. Auch die Qualitätskontrolle wird durch den Einsatz von KI revolutioniert. Hochpräzise Inspektionen werden in einer Geschwindigkeit durchgeführt, die von menschlichen Mitarbeitern nicht erreicht werden kann.

Diese Anwendungsfälle zeigen, dass KI nicht nur in der Lage ist, bestehende Prozesse zu optimieren, sondern auch neue Wege für operative Höchstleistungen und strategische Voraussicht im Industriesektor zu eröffnen. Trotz all dieser bahnbrechenden Vorteile sollten Unternehmen umsichtig sein, bevor sie KI als Teil ihres IIoT-Ökosystems einsetzen.

Sicherheitsherausforderungen im KI-optimierten IIoT

Während KI die Effizienz des IIoT steigert, vergrößert sie gleichzeitig die Angriffsfläche und birgt neuartige Sicherheitsherausforderungen. Die Komplexität von IIoT-Ökosystemen in Verbindung mit der datenintensiven Beschaffenheit von KI schafft Schwachstellen, die im Rahmen von Cyber-Bedrohungen ausgenutzt werden können. Diese Schwachstellen reichen vom unbefugten Zugriff auf sensible Daten bis hin zum potenziellen Hijacking vernetzter Industriesysteme. Durch die inhärente Vernetzung des IIoT kann die Verletzung eines Knotens kaskadenartige Auswirkungen haben und die Integrität ganzer Netzwerke gefährden. Dies wurde bei der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) deutlich, deren Betrieb nach einem WannaCry-Angriff eingestellt werden musste. Dadurch entstanden Umsatzeinbußen in Höhe von ca. 255 Millionen US-Dollar (237 Millionen Euro).

Die Bewältigung dieser Sicherheitsherausforderungen erfordert einen vielschichtigen Ansatz. Zunächst ist es entscheidend, robuste Sicherheitsprotokolle zu implementieren, die speziell auf die IoT-Umgebung zugeschnitten sind. Dazu gehören regelmäßige Aktualisierungen von Sicherheitsalgorithmen, sichere Datenverschlüsselungsmethoden und eine aufmerksame Überwachung von Angriffsversuchen. Darüber sollte eine Strategie geschaffen werden, die potenzielle Bedrohungen antizipiert und Risiken mildert. Dazu gehören nicht nur fortschrittliche technologische Lösungen, sondern auch die Schulung des Personals, um Sicherheitsbedrohungen zu erkennen und darauf zu reagieren. Nur so ist eine umfassende Verteidigung gegen die vielfältigen Risiken der KI im IIoT möglich.

Risiken erkennen

Bei der Bewältigung der Risiken und Herausforderungen im Zusammenhang mit KI in IIoT-Umgebungen müssen sowohl technische als auch ethische Bedenken berücksichtigt werden. Technisch gesehen kann KI zum Ziel von Cyber-Angriffen werden, die erhebliche Störungen in betrieblichen Technologie-Umgebungen verursachen könnten. Die Gewährleistung der Zuverlässigkeit von KI-Systemen angesichts beschädigter Daten ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, da fälschlich positive oder negative Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung weitreichende Folgen haben würden. Zu den ethischen Herausforderungen gehört der Schutz der Privatsphäre im Zusammenhang mit den riesigen Datenmengen, die von KI-Systemen verarbeitet werden, sowie der Umgang mit potenziellen Verzerrungen durch KI-Algorithmen.

Um diese Herausforderungen wirksam zu bewältigen, ist ein umfassender Ansatz erforderlich. Maßnahmen zur Cyber-Sicherheit müssen sich darauf konzentrieren, KI-Systeme vor Angriffen zu schützen und ihren zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten. Dazu müssen robuste Sicherheitsprotokolle entwickelt werden, die sich an die IT-Bedrohungen anpassen können. Auf der ethischen Ebene sollten Vorschriften und Richtlinien festgelegt werden, um Transparenz, Verantwortlichkeit und Fairness bei KI-Anwendungen zu fördern. Dazu gehört der Datenschutz, die Vermeidung von verzerrter Wahrnehmung der KI-Modelle („Bias“) und die Gewährleistung, dass KI-Systeme innerhalb eines ethischen Rahmens bei der Entscheidungsfindung (siehe z. B. Asimov Gesetze der Robotik) arbeiten. Solche Maßnahmen sind entscheidend, um das Vertrauen in KI-Systeme aufrechtzuerhalten und ihren zweckmäßigen Einsatz in IIoT-Umgebungen zu gewährleisten.

Strategien zur Risikominimierung

Um die mit KI im IIoT verbundenen Risiken wirksam zu mindern, ist eine umfassende Sicherheitsstrategie unerlässlich. Dazu gehört die Implementierung von Sicherheitskontrollen, die auf den Zero Trust- und Zero Tolerance-Grundsätzen basieren und sicherstellen, dass jede Komponente innerhalb des IIoT-Ökosystems geprüft und gesichert worden ist. Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Integrität von KI-Systemen und der von ihnen verarbeiteten Daten durchgängig durch gute Maßnahmen geschützt wird. Darunter fallen regelmäßige Systemaktualisierungen, gründliche Risiko-Bewertungen und eine sorgfältige Überwachung auf Schwachstellen.

Über die technischen Maßnahmen hinaus spielen regulatorische Rahmenbedingungen, wie der EU AI Act, eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der vielfältigen Auswirkungen von KI im IIoT. Diese Vorschriften sollten sich auf kritische Aspekte, wie Datenschutz, Vermeidung von Verzerrungen, Transparenz und Verantwortlichkeit bei KI-Anwendungen, konzentrieren. Die Entwicklung ethischer Leitlinien für KI ist ebenfalls notwendig, um sicherzustellen, dass ihr Einsatz mit den gesellschaftlichen Werten und den Belangen des Datenschutzes in Einklang steht. Durch die Kombination von robusten Sicherheitsmaßnahmen und durchdachter Regulierung kann die Industrie dann das volle Potenzial der KI im gesamten IoT nutzen und gleichzeitig ein sicheres und ethisches Betriebsumfeld aufrechterhalten.

KI entwickelte sich zum Mitstreiter bei Innovationen

Da sich KI in der industriellen IoT-Landschaft unersetzlich machen wird, sind dem Potential zur Revolutionierung des Sektors keine Grenzen gesetzt – die angepeilten Infrastruktur-Investments in diesem Bereich gehen in zweistellige Milliardenbeträge. Allein Microsoft will in den nächsten zwei Jahren 3,5 Milliarden US-Dollar in Cloud und KI in Deutschland investieren. In der Zukunft wird KI nicht nur ein Werkzeug für Effizienz und Sicherheit sein, sondern auch ein Mitstreiter bei Innovationen, der die Struktur industrieller Prozesse verbessert. Diese Synergie von KI und IoT wird ein neues Maß an Kreativität und Effizienz freisetzen und eine Ära einläuten, in der Technologie und menschlicher Erfindungsreichtum zusammenarbeiten, um die Möglichkeiten industrieller Abläufe neu zu definieren. Dafür ist es unabdingbar, die notwendigen Investitionen zu tätigen, um den Einsatz der KI einwandfrei sicher zu gestalten.

 

Thomas Boele

ist Regional Director Sales Engineering, CER / DACH bei Check Point Software Technologies.