Parkinson ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit. Betroffene leiden unter Bewegungsstörungen wie Zittern, verlangsamten Bewegungen, Muskelsteifheit und Störungen des Gleichgewichts. Auch das Gedächtnis kann sich im Verlauf der Erkrankung verschlechtern.
Der individuelle Krankheitsverlauf ist nicht vorhersehbar, Experten empfehlen daher eine regelmäßige, engmaschige Überwachung der Patientinnen und Patienten, um schnell auf Veränderungen von Symptomen reagieren zu können. Im Projekt ParkProReakt entwickeln Forschende des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT gemeinsam mit Partnern eine digitale Plattform und eine App, die in Verbindung mit Wearables den Krankheitsverlauf trackt und die Lebensqualität von Parkinson-Erkrankten erhöhen soll.
Da der Weg zur Arztpraxis für viele Patientinnen und Patienten eine Herausforderung darstellt und Anfahrtswege vor allem im ländlichen Raum oft lang sind, finden Untersuchungen teilweise nur alle sechs Monate oder noch seltener statt. Neue Symptome erkennen Erkrankte und Angehörige oft nicht, die behandelnden Ärzte werden dementsprechend nicht informiert.
Mit der Entwicklung einer Webplattform und einer mobilen Anwendung für Smartphones, die per Bluetooth mit einer Apple Watch verbunden ist, wollen die Partner ein sektorenübergreifendes Versorgungsmodell etablieren. Dazu gehört, dass sich Pflegekräfte sowie Spezialist:innen auf der Plattform austauschen können.
Ziel ist es, dadurch eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten zu erreichen. Zusätzlich sollen die pflegenden Angehörigen entlastet werden, da sie durch den Einsatz der digitalen Lösung in der Einschätzung der Veränderung des Krankheitsverlaufs unterstützt werden.
»Die App namens Active PD wird nach einer Einlernphase von den Patientinnen und Patienten bedient. Die damit gesammelten Daten werden in die Webplattform übertragen, die den Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung steht«, erklärt Daniel Wolferts, Wissenschaftler am Fraunhofer FIT.
Wolferts und sein Team sind unter anderem für das menschzentrierte Design beider Systeme verantwortlich und mit der bedienerfreundlichen Gestaltung der jeweiligen Benutzeroberfläche befasst. »Wie kann eine App für Parkinson-Patienten gestaltet werden, welche Informationen möchten die Betroffenen erhalten? Wie werden die Daten auf beiden Applikationen für alle Beteiligten anwenderfreundlich dargestellt, wie werden die Anforderungen am besten erfüllt? Wie können die Betroffenen die erforderlichen Tests und Untersuchungen am Smartphone absolvieren, ohne motorisch überfordert zu sein? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.«
Das Konzept wird in klinischen Studien mit 170 Erkrankten über die Dauer von sechs Monaten validiert. Eine Interventionsgruppe erhält die digitale Lösung, eine Kontroll-Referenzgruppe wird wie üblich ohne technische Hilfsmittel behandelt. Die Patientinnen und Patienten sind angehalten, zweimal pro Woche mithilfe der App und der mit Sensorik ausgerüsteten Apple Watch spezifische, standardisierte Parkinson-bezogene Tests durchzuführen, die vor allem die motorischen Fähigkeiten und die Befindlichkeit adressieren.
Die Tests helfen den Ärztinnen und Ärzten beziehungsweise Versorgenden, krankheitsbedingte Symptome besser einschätzen und mit entsprechenden Maßnahmen schnell darauf reagieren zu können. Beispielsweise müssen die Teilnehmenden vor der Smartphone-Kamera Fingerübungen absolvieren und möglichst schnell mehrmals hintereinander Zeigefinger und Daumen zusammentippen. Eine Bilderkennung markiert Daumen und Zeigefinger und misst während des Tests den Abstand zwischen den Fingern.
Bei einer weiteren Übung muss die Faust in hoher Frequenz geöffnet und geschlossen werden. »Betroffenen fällt es krankheitsbedingt schwer, diese Bewegungen schnell und flüssig zu vollziehen«, erklärt der Forscher. Darüber hinaus wird mittels Sensorik geprüft, ob die Teilnehmenden in der Lage sind, die Hand über einen bestimmten Zeitraum ohne Zittern ruhig zu halten – eine Herausforderung für Menschen mit Parkinson.
Fragen zum Wohlbefinden ergänzen die Tests, um bei Bedarf auch auf der emotionalen Ebene unterstützend eingreifen zu können. Ein Ampelsystem informiert den behandelnden Arzt, wenn sich der Zustand eines Erkrankten drastisch verschlechtert. Auch besondere Ereignisse wie Stürze können über die App, die sich derzeit im Prototyp-Status befindet, gemeldet werden. »Wir hoffen, den Versorgenden mit der digitalen Lösung einen besseren Einblick in den Alltag der Patientinnen und Patienten geben zu können und die Lebensqualität der Betroffenen positiv beeinflussen zu können, sodass sich das Konzept im Erfolgsfall auf andere neurologische Erkrankungen ausweiten lässt«, sagt Wolferts.
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