Kampf gegen Fehlinformationen auf Wikipedia

Logo Wikipedia (Bild: Wikipedia)

Die Zahl der Fake News nimmt zu, Desinformationen sind eine Gefahr für die Demokratie. Auch die Wikimedia Foundation kämpft gegen unwahre Inhalte auf Wikipedia.

Die Sicherstellung der Qualität und Neutralität von Online-Informationen sind von zentraler Bedeutung, wenn es um gesellschaftliche Momente wie Wahlen und politische Meinungsbildung geht. Wir haben mit Costanza Sciubba Caniglia, der Leiterin der Anti-Desinformations-Strategie bei der  Wikimedia Foundation, der gemeinnützigen Organisation, die Wikipedia betreibt, gesprochen.

Was unterscheidet Wikipedia von anderen Infoplattformen im Netz?

Costanza Sciubba Caniglia: Wikipedia kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn es um korrekte und neutrale Informationen geht: Auch wenn Wikipedia keine aktuellen Nachrichten verbreitet, wird die Enzyklopädie zur Überprüfung von Fakten und zur Suche nach genauen Informationen jeden Monat mehr als 15 Milliarden Mal besucht. Darüber hinaus dient sie auch als Quelle eines großen Teils der Informationen, der sich anderen Plattformen und digitale Produkte wie beispielsweise Google, Alexa oder Siri bedienen. Dabei verfolgt Wikipedia bei der Sicherstellung von neutralen, faktenbasierten Informationen einen anderen Ansatz, als viele vielleicht erwarten oder der bei anderen digitalen Plattformen üblich ist. Wikipedia setzt auf den Faktor Mensch.

Was meinen Sie mit Faktor Mensch genau?

Costanza Sciubba Caniglia: Erfolg verpflichtet. Und genau das ist der Wikimedia Foundation sowie den 265.000 Volunteers weltweit bewusst  und eine Herausforderung, der sie sich täglich stellen. Beispielsweise wurde seit dem 1. Juni 2024 der Wikipedia-Hauptartikel über die Europawahlen in der deutschen Wikipedia mehr als 256.000 Mal aufgerufen und von über 62 freiwilligen Editoren aktualisiert. Darüber hinaus haben sich 57 freiwillige “Beobachter” dafür entschieden, die Änderungen zu überwachen und auf Konformität mit den hauseigenen Richtlinien zu überprüfen.

Aber wie lassen sich Fehlinformationen im Internet von Menschen herausfiltern?

Costanza Sciubba Caniglia: In den letzten zwei Jahrzehnten haben Freiwillige eine Reihe von Verfahren entwickelt, um sicherzustellen, dass die Informationen auf der Website zuverlässig sind. Administratoren zum Beispiel sind Wikipedia-Freiwillige mit erweiterten Rechten. Sie untersuchen regelmäßig negatives Verhalten – wie Vandalismus oder nicht offengelegte bezahlte Bearbeitung – auf der Seite und ergreifen Maßnahmen dagegen. 

Also eine Art “Crowd Consens” für hochwertiges neutrales Wissen?

Costanza Sciubba Caniglia: Die sogenannten Volunteers stellen Informationen zu wichtigen Themen entsprechend den redaktionellen Grundsätzen und Richtlinien der Enzyklopädie zusammen.  Jede Information auf der Plattform muss verlässliche Quellen wie Zeitungsartikel und Experten zitieren, die durch Diskussionen in der Community als zuverlässig eingestuft werden. Das bedeutet, dass Hunderttausende von Menschen aus allen Gesellschaftsschichten effektiv einen Konsens auf der Grundlage von Fakten erreichen sollen. Freiwillige diskutieren, debattieren und sind sich oft uneinig, bis ein gemeinsamer Konsens darüber erzielt werden kann, welche Inhalte in die Wikipedia aufgenommen werden sollen. Jede Bearbeitung kann in der Historie des Artikels eingesehen werden, und jeder Diskussionspunkt kann auf der Diskussionsseite des Artikels nachgelesen werden.

Und welche Rolle spielt die Wikimedia Foundation bei der Suche nach Fehlinformationen?

Costanza Sciubba Caniglia: Während die überwiegende Mehrheit der Probleme mit Inhalten und Verhalten auf Wikimedia-Projekten von Freiwilligen gelöst werden, verfügt die Wikimedia Foundation über ein Vertrauens- und Sicherheitsteam, das in einigen extremen Fällen alarmiert und unterstützt. Auf Anfrage von Freiwilligen untersuchen sie in einigen Fällen größere Probleme mit Desinformation und anderen systematischen Formen von störendem Verhalten, die auf der Website auftreten können. Es kann auch in einigen wenigen Fällen tätig werden, etwa wenn das Verhalten von Mitwirkenden an Wikimedia-Projekten die Sicherheit anderer Redakteure gefährdet, oder gegen die Gemeinschaftsrichtlinien verstößt, falsche Informationen auf der Plattform verbreitet oder das ordnungsgemäße Funktionieren der Freiwilligengemeinschaft verhindert.

Es gibt zusätzlich eine Taskforce. Wann greift sie ein?

Costanza Sciubba Caniglia: Die Taskforce “Reaktion auf Desinformation” der Stiftung arbeitet mit etablierten Wikimedia-Freiwilligen und Wikimedia-Mitgliedern zusammen, um in Zeiten, in denen das Risiko von Desinformation besonders hoch ist, wie zum Beispiel bei Wahlen, bei der Identifizierung  potenzielle Informationsangriffe auf Wikipedia zu unterstützen. Die Mitglieder der Taskforce koordinieren sich über einen speziellen Kommunikationskanal und nutzen Meldemechanismen, um alle wahlbezogenen Desinformationsversuche auf Wikipedia schnell zu erkennen und zu bekämpfen.

 

Costanza Sciubba Caniglia

leitet die Anti-Desinformationsstrategie bei der Wikimedia Foundation.