Hyperautomatisierung und Künstliche Intelligenz sind eng verbunden
Wer heute von Automatisierung spricht, muss im gleichen Atemzug auch KI nennen, sagt T-Systems-CEO Ferri Abolhassan im Interview.
Hyperautomation klingt nach einem Marketing Buzzword? Was versteckt sich tatsächlich hinter dem Begriff?
Dr. Ferri Abolhassan: Hyperautomation bedeutet den Einsatz verschiedener Technologien in Kombination miteinander. Für uns ist Hyperautomation aber keine Technologie, sondern ein ganzheitlicher Ansatz, um Herausforderungen der Digitalisierung mittels Automatisierung zu meistern. Das Ziel ist dabei entscheidend: Die Automatisierung über traditionelle, isolierte Bereiche hinweg auszudehnen und so eine effiziente, agile und reaktionsschnelle Geschäftsumgebung zu schaffen. Mittels Hyperautomation können so gesamte Geschäftsprozess Ende-zu-Ende automatisiert werden. Und eben nicht nur starre Teilprozesse mit einzelnen Technologien.
Welche Auswirkung hat Künstliche Intelligenz bei der Automatisierung?
Dr. Ferri Abolhassan: Ein Kern der Digitalisierung ist die Automatisierung. Das Herzstück der Automatisierung wiederum ist Künstliche Intelligenz. Wer heute von Automatisierung spricht, muss im gleichen Atemzug auch KI nennen. Denn diese beiden Komponenten zusammen sind unschlagbar. Hyperautomation integriert verschiedene Technologien: KI, Robotic Process Automation, maschinelles Lernen, natürliche Sprachverarbeitung und intelligente Analysen können miteinander kombiniert werden. Das Schöne an der Hyperautomation ist, dass man Tool-agnostisch arbeiten und anhand des Prozesses schauen kann, was am besten passt.
Automatisierung wird oft mit schnelleren und effizienteren Prozessen gleichgesetzt.
Dr. Ferri Abolhassan: Und das ist zu kurz gesprungen! In Kombination mit Künstlicher Intelligenz macht Automatisierung die Transformation nicht nur schneller, effektiver und weitreichender, sie macht die Prozesstransformation auch intelligent. KI bringt Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und fortschrittliche Entscheidungsfindungsfähigkeiten in Automatisierungsprozesse. Und wenn das passiert, können Unternehmen manuelle, repetitive Aufgaben eliminieren, menschliche Fehler minimieren und komplexe Prozesse optimieren.
Das Argument „Der Mensch als Fehlerquelle“ wird ja häufiger angebracht. Welche Prozesse sind für Menschen, welche für KI geeignet?
Dr. Ferri Abolhassan: Wir verstehen Künstliche Intelligenz und Automatisierung vor allem als Unterstützung des Menschen. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit von Menschen, KI und Automatisierung: Auch heutzutage gibt es noch viele Dokumente, die handschriftlich ausgefüllt werden, um beispielsweise Verträge abzuschließen. Diese Formulare müssen vom analogen Blatt Papier in digitale Formulare übertragen werden. Bots können das: Sie sind in der Lage, Lesen zu lernen, digitale Formulare auszufüllen und das ausgefüllte Dokument einen Prozessschritt weiterzugeben. Nur bei Abweichungen oder Unleserlichkeit des analogen Formulars wird der Mensch wieder eingeschaltet. Dann tritt er persönlich in Kontakt mit den Abonnenten, sofern er die Abweichung nicht selbst beheben kann. Alles weitere erledigt der KI-Bot in Kombination mit der Automatisierung. So werden Mitarbeitende von monotonen, sich häufig wiederholenden Arbeitsschritte entlastet und gewinnen mehr Zeit für höherwertige Tätigkeiten und die persönliche Pflege der Kundenbeziehungen.
Klingt in der Theorie sehr gut, scheint in der Praxis aber noch nicht angekommen zu sein.
Dr. Ferri Abolhassan: Es funktioniert aber in der Praxis. Wir nutzen diesen Ansatz bei der Telekom selbst: Jedes Jahr erreichen unseren Service noch immer eine Million Kundenanliegen per Post. Würden unsere Mitarbeitenden all diese Briefe selbst durchlesen müssen, würde das viel zu lange dauern. Darum tut das KI-Kollege „Sherloq“ für sie: Eine OCR-Software scannt den Brief und macht daraus einen Datensatz, der von den jeweils zuständigen Kundenberatern elektronisch weiterverarbeitet werden kann. Hyperautomation ermöglicht es also, Mitarbeitende zu entlasten, Geschäftsprozesse zu beschleunigen, Kosten zu senken, die Genauigkeit zu verbessern und gleichzeitig die Kundenerfahrung zu optimieren. Eine Win-Win-Win-Situation!
Welchen Mehrwert bietet die Hyperautomation in anderen Branchen?
Dr. Ferri Abolhassan: Nehmen wir die Retail-Branche: Jeder Mensch geht einkaufen. Durch Hyperautomation können Verkaufsprognosen in die Bestandsanforderungen integriert werden. KI-Modelle und Algorithmen analysieren Verkaufsdaten, um präzisere Bedarfsprognosen zu erstellen und sicherzustellen, dass die Bestände den tatsächlichen Anforderungen entsprechen. Das Ergebnis: Vermeidung von Ausverkäufen und optimale Bestandsniveaus. Und am Ende zufriedene Kunden vor vollen Regalen – und zufriedene Unternehmen. Wichtig ist zu verstehen, dass wirklich jede Branche und jeder Bereich von der Automatisierung profitieren, Fehler vermeiden und die Zufriedenheiten sowie den Return on Invest (ROI) erhöhen kann.
Wo sind klassische Anwendungsfelder und wo wird Hyperautomatisierung noch hingehen?
Dr. Ferri Abolhassan: Meistens setzen Unternehmen Automatisierung besonders für strukturierte und sich häufig wiederholende Prozesse ein, bei denen der ROI direkt ersichtlich ist. Klassisch und auch durchaus sinnvoll ist das beispielsweise in Fertigungsprozessen. Ich frage mich da häufig: Wieso gehen Unternehmen nicht einen Schritt weiter und trauen sich, auch unregelmäßig ablaufende oder unstrukturierte Prozesse zu automatisieren? Gerade jetzt mit Künstlicher Intelligenz ist das immer besser möglich.
Was raten Sie Unternehmen, die mit Hyperautomation beginnen möchten?
Dr. Ferri Abolhassan: Beginnen Sie mit klaren Zielen und einer gründlichen Analyse Ihrer Geschäftsprozesse. Investieren Sie in die richtige Technologie und schulen Sie Ihre Mitarbeiter umfassend. Und vor allem: Starten Sie mit kleinen, skalierbaren Projekten, um Erfahrungen zu sammeln und den Erfolg zu sichern. Und immer daran denken, dass ein schlechter, ineffizienter Prozess ohne Optimierung, auch in der virtuellen Welt ein schlechter und ineffizienter Prozess bleiben wird.