Samuel Farag: Die Kunden tragen das vermehrt an uns heran und wollen KI-Systeme einführen. Sie überlegen sich alle Arten von Anwendungsfällen, wo sie KI reinbringen wollen. Meine Aufgabe ist es dann zu prüfen, wie man einen KI-Anwendungsfall umsetzen kann, ob er in dem derzeitigen Unternehmen überhaupt umsetzbar ist. Wir hören viel darüber, was KI angeblich alles Können soll. Aber es gibt einige Fallstricke und Hürden zu beachten. Es müssen erst Voraussetzungen geschaffen werden, bevor wir anfangen, KI in bestehende Prozesse zu implementieren. Damit die veränderten Prozesse auch wirklichen und nachhaltigen Mehrwert schaffen.
Samuel Farag: Nehmen wir zwei typische Anwendungsfälle, die in jedem Unternehmen eine Rolle spielen: Bestelleingang, also die Art und Weise wie Bestellungen reinkommen. Und im Vertrieb das Lead Scoring, also die Bewertung potenzieller Kunden.
In vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen kommen viele Bestellungen noch als PDF oder schwer bearbeitbares File rein. Die Idee ist es, eine KI zu nutzen, um diese Bestellungen automatisch auszulesen, mit einer KI zuzuordnen und dann in das eigene CRM- oder ERP-System oder wo auch immer zu integrieren. Ein solchen Anwendungsfall haben wir gerade bei einem Kunden umgesetzt.
Der Vertrieb ist immer auf der Suche nach tollen Leads. Deswegen gibt es den Wunsch nach einem Lead Scoring, bei dem die KI sagt, welche Leads zu priorisieren sind und wie wir an diesen Lead herangehen sollen.
Samuel Farag: Unternehmen wollen, dass ihre Vertriebsteams mit Hilfe der KI effizienter und erfolgreicher arbeiten, um am Ende vom Tag mehr Umsatz für das Unternehmen zu generieren. Wie setze ich diesen KI Use Case jetzt um? Ich brauche irgendwo her Leads, damit ich sie in meine KI schleusen und bewerten kann. Ich brauche weiterhin eine KI, die das am besten macht. Und ich habe bestehende Systeme, in die dieses Scoring rein fließen soll. Das sind in der Regel ein CRM, ein Marketing Automation Tool und im Idealfall ein Datenanalyseplattform.
Wie gehe ich da jetzt ran? Jetzt muss ich mir überlegen, wie kommen die Leads rein? Wo werden diese notiert? Habe ich ein CRM-System, in dem die Leads automatisch integriert werden? Oder habe ich eine Excel-Tabelle, in der ich das festhalte? Oder ist es der Notizblock des Chefs? Es gibt also je nach Unternehmen und Unternehmensgröße ganz verschiedene Prozesse und es ist essenziell beim Einführen von KI, dass wir beachten, wie der derzeitige Prozess aussieht und ob er reif genug ist, um überhaupt eine KI einzuführen. Wenn die Leads auf Notizblöcken oder in einer Excel-Tabelle notiert werden, muss ich wissen: Dieser Prozess ist nicht bereit dafür, dort jetzt eine KI einzusetzen.
Samuel Farag: Ganz genau. So wie gern suggeriert wird, sich einfach Leute rauszupicken, ihnen beizubringen, wie man zum Beispiel mit ChatGPT umgeht, ist ganz sicher der falsche Weg.
Es gibt vier Stufen, Prozesse zu beschreiben: Ist-Zustand, Ist-Zustand plus KI, der zukünftige, optimierte Prozess und er zukünftige, optimierte Prozess mit KI. Unternehmen müssen sich nun überlegen, auf welcher Stufe sie sind. Was macht Sinn, wo will man am liebsten hin? Will man zum Beispiel den Leads-Prozess erst in der Excel festhalten und sich überlegen, wie bekomme ich die Daten aus dieser Excel kontinuierlich in eine KI geschleust. Oder sendet man die Daten vielleicht an einen bereits bestehenden Scoring-Service und bekommt ihn dann wieder zurück. Oder setze ich erst ein CRM-System auf oder nutze eine Plattform, um dann diese Integration zu schleusen.
Samuel Farag: Es gibt aber auch weitere Fragen, die nichts mit dem eigentlichen Prozess zu tun haben. Zum Beispiel: Habe ich als Unternehmen überhaupt das Know-how und die Leute, die so etwas umsetzen können? Denn wir reden über technisch abbildbare Prozesse, über Integration, Daten abholen, Daten wohin bringen. Am Ende vom Tag ist so eine KI prozesstechnisch gesehen eigentlich nur etwas das Input bekommt und einen Output zurückgibt. Diesen Input müssen wir liefern und den Output müssen wir verarbeiten oder irgendwo wieder hinbringen können, wo es Sinn macht und dann weiterverarbeitet wird. Ich muss also überlegen, habe ich überhaupt das Know-how und die Voraussetzungen das abzubilden. Soviel kann ich sagen: Wenn ich ein IT-Team von zwei Leuten habe, wird es schwierig, solche Integrationen ohne zusätzliche Hilfe, zum Beispiel in Form von Tools, abzubilden.
Samuel Farag: Es gibt zwei absolute Kriterien, für die Einführung von KI in einen bestehenden Prozess. Erstens: Haben wir qualitativ gute Daten und kommen wir zweitens an diese Daten ran. Wenn wir keinen qualitativen Input geben können, dann kann auch kein guter Output herauskommen.
Die Qualitätsfrage stellt sich auch bei Unternehmen, die vielleicht schon ein modernes System wie Salesforce oder SAP S4/HANA haben, in denen alles top gepflegt ist. Diese Qualitätsthema haben wir bei einem unserer Kunden erlebt. Es stellte sich die Frage: Wenn wir Kundendaten an die KI schicken, sollen wir diese Daten aus dem CRM oder aus dem ERP nehmen? Dem Kunden ist dann aufgefallen, die Daten sind gar nicht gleich. Heißt, sie hatten dort asynchrone Datensätze über dasselbe Set von Daten. Im Idealfall sollten die Datensätze aber gleich sein. Dann mussten wir erst einen Single Source of Truth für Kundenbestandsdaten etablieren. Erst dann sind Datenqualität als auch Verfügbarkeit gesichert und wir können uns überlegen, welche KI wir wie einsetzen.
Samuel Farag: Da komme ich zum Beispiel der Verarbeitung der Bestelldaten. Wir hatten einen Kunden, der hat Bestelldaten tatsächlich als PDF erhalten. Dessen Produkte sind sehr individuell und relativ komplex. Also keine Bestellung gleicht der anderen. Die Daten kommen aus mehreren unterschiedlichen Systemen. Die meisten dieser Bestellungen haben eine unterschiedliche Form und Struktur, was bedeutet, das Ganze maschinenlesbar zu machen ist wahnsinnig komplex. Diese Daten einfach in ChatGPT zu ziehen und das Ergebnis per copy and paste ins CRM zu ziehen, ist aus meiner Sicht falsch. Wir haben erst eine OCR-Lösung gebaut, um erstmal diese Daten erfassen zu können. Die OCR-Lösung erfasst diese Daten, sendet sie dann an die KI. In diesem Fall war das ein LLM, das mit den entsprechenden Bestelldaten und Formaten trainiert wurde, um diese besser zu erkennen. Dann werden die Ergebnisse von der KI zurück gefüttert. In diesem Fall in die Integrations- und Automatisierungsplattform von frends, die diesen Output bekommt, bearbeitet, in das entsprechende Format für das Bestellannahmesystem transformiert und schlussendlich in dieses integriert.
Samuel Farag: Vorher war es so, dass Bestellungen per E-Mail hereinkamen und jemand musste diese Bestellungen per copy and paste in das Bestellsystem übertragen. Das dauerte 30 bis 45 Minuten pro Bestellung. Diesen Prozess haben wir über verschiedene Lösungen abgebildet, komplett digital automatisiert, und ist ein Paradebeispiel für einen Prozess, der sehr manuell abgelaufen ist, und heute mit KI vollautomatisiert und digital abgebildet ist. Ohne KI wäre das auch nicht möglich gewesen, weil wir die Struktur der Daten nicht auf anderem Weg maschinenlesbar bereitstellen könnten.
Das Ziel war eine etwa 40- bis 30-prozentige Reduktion des Arbeitsaufwands zu erreichen. Angelangt sind wir heute bei einer 80 bis 90-prozentigen Aufwandsverringerung. Die Effizienz ist also enorm gestiegen, nicht nur auf Kostenseite. Diese Mitarbeiter sind jetzt verfügbar, um wertschöpfendere Tätigkeiten zu machen als irgendwas zwischen E-Mail und PDF und ERP oder Bestellannahme zu kopieren. Und angesichts des Fachkräftemangels kann es für ein Unternehmen auch hilfreich sein, statt fünf Leuten vielleicht nur noch 2 für diesen Job zu benötigen.
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Samuel Farag: Das kommt ganz auf den Anwendungsfall an und muss man sich bei der Einführung solcher Lösungen immer überlegen. Habe ich einen speziellen Anwendungsfall und was kommt für diesen in Frage? Dazu gehören mehrere Aspekte: Preis, die Sicht auf die vorhandene IT, Cloud- oder On-Premises-Infrastruktur und natürlich auf den Anwendungsfall.
Samuel Farag: Wir empfehlen eher, einen Best of Breed-Ansatz zu fahren, und für die verschiedenen Use Cases immer die bestmöglich passende KI zu nutzen. Klar deckt ChatGPT viel ab. Aber es gibt in der Regel in den jeweiligen Nischen ein KI-System, das besser auf einen speziellen Fall trainiert ist.
Dafür muss man aber bedenken, dass das einige Implikationen für das umsetzende Team hat, dass diese Prozesse managen und monitoren muss. Dazu braucht es verschiedene Schnittstellen und Konnektivität. Hier hilft eine Plattform, die diese Konnektivität bereitstellt, und ich mir nicht mehr überlegen muss, wie bekomme ich die Daten aus meinem System in das KI-Tool und wie bekomme ich den Input zurück, kann das bearbeiten und bekomme es ihn in die weiteren Systeme.
Das ist das, was die frends-Plattform kann. Wir sind also eine Middleware, die zwischen den Systemen sitzt, Konnektoren mitbringt und Automatisierung simpel macht. Zusätzlich gibt es auch die Möglichkeit, eigene Konnektoren zu erstellen und diese zu importieren. Dies ist für die Kunden interessant, die zum Beispiel selbst entwickelte Systeme oder ältere Legacy-Anwendungen nutzen.
Am Beispiel der Bestellverwaltung heißt dies, da der KI-Output erst in die entsprechende Form gebracht werden muss, um dann hinten raus das Zielsystem integrieren zu können. Wenn eine Middleware das technisch abbildet, dann kann ein Unternehmen sich darauf konzentrieren, wie sich der Anwendungsfall bestmöglich umsetzen lässt.
Samuel Farag: Das Problem ist, dass man bei sensitiven Kernprozessen etwas aus der Hand gibt und der KI anvertraut. Daher brauche ich dort absolute Transparenz, was dort in jeder einzelnen Instanz abgelaufen ist. Wie war der Input, wie war der Output, ich brauche ein Monitoring, ein Fehlerhandling. Wenn ich ein Prozess in frends gestalte, der mir Daten von A abholt, transformiert, nach B bringt, dann ist da das Monitoring schon eingebaut. Man kann visuell nachvollziehen, was passiert ist, kann reinklicken, jeden Input und Output nachvollziehen. Das schafft Vertrauen für KI-Prozesse.
Samuel Farag: Natürlich. Es gibt keinen perfekt technisch abgebildeten Prozess. Daher muss es ein Error-Handling geben. Beim Thema Preisgestaltung zum Beispiel, was sich auch als KI-Anwendung empfiehlt, hat ein Unternehmen vielleicht ein Revenue Management System, eine Datenanalyseplattform, eine Preisgestaltungsengine im Einsatz und aus dem ERP-System kommen die Nachfrage- und Preisbestandsdaten. Die muss ich alle miteinander verknüpfen, diese Daten in eine strukturierte Form geben, um die der KI sauber übergeben zu können. Über diesen Input bekomme ich den Output zurück, validiere diesen Output noch mal. Ist das, was da zurückkommt realistisch? Und dann gebe ich das an die letzte Instanz, die dann der Pricemaker ist. Was auch immer das ist, ob mein Onlineshop oder im Einzelhandel die digitalen Schildchen.
So können wir dann KI einführen, ohne dass wir Ängste haben, ohne dass wir Sachen an eine Blackbox schicken. Also nicht irgendwas an ChatGPT senden, verarbeiten lassen und dann das, was da rauskommt, ohne zu überlegen nutzen. Sondern robust strukturierte, digitale Prozesse, die uns vollen Einblick gewähren, und einen Grad an Error-Handling mitbringen. So kann man mit gutem Gewissen Prozessschritte an eine KI abgeben.
Samuel Farag
ist Solution Consultant bei frends.
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