IT-Roadies: Der Job des IT-Administrators im Motorsport
Raus aus dem Rechenzentrum und auf die Rennstrecke: Interview mit Friedemann Kurz, Leiter Motorsport IT bei Porsche Motorsport, und Tilman Schroeder, CTO Automotive bei NetApp.
Der Motorsport steht stets an der Pole Position des technologischen Fortschritts. Hier werden neue Technologien ausprobiert und für den Einsatz im Rennen fit gemacht – egal ob Leichtbau, Motoren, vollelektrische oder hybride Antriebe. Dieser Innovationstrieb hat auch auf die Corporate IT enorme Auswirkungen. Friedemann Kurz, Leiter Motorsport IT bei Porsche, und Tilman Schroeder, CTO Automotive bei NetApp, erläutern im Gespräch, wie die Symbiose zwischen IT und experimentellem Fahrzeugbau funktioniert und was den Job des IT-Administrators gerade im Motorsport so spannend macht.
Seit kurzem ist NetApp exklusiver Partner für intelligente Dateninfrastruktur von Porsche Motorsport und bringt seine ganzheitlichen Datenlösungen ein, um die Performance auf der Rennstrecke zu steigern. Wie kam es zur Zusammenarbeit und was zeichnet sie aus?
Friedemann Kurz: Im klassischen Rechenzentrums-Storage arbeiten wir schon sehr lange mit NetApp zusammen. Angesichts neuer Reglement-Anforderungen und technischer Herausforderungen, die mit unserem Einstieg in die Formel E auf uns zugekommen sind, haben wir bei unseren bestehenden Partnern nachgefragt und auch hier haben uns die technologischen Lösungen von NetApp überzeugt. Das genaue Konzept hat sich im Lauf der Jahre weiterentwickelt, bis zur heutigen Datenlösung auf Hybrid-Cloud-Basis. So können wir sowohl vor Ort an der Rennstrecke, als auch im Test- und Entwicklungszentrum in Weissach unsere Daten bestmöglich nutzen. Das Konzept weiten wir nun auf andere Rennserien wie die Langstreckenweltmeisterschaft der FIA aus.
Insbesondere im Motorsport ändern sich die technischen Möglichkeiten und damit auch das Aufgabenspektrum rasant. Wie hat sich das in den vergangenen Jahren auf den Job des IT-Administrators ausgewirkt?
Friedemann Kurz: Was den Motorsport auszeichnet, ist, dass er gewissermaßen ein Testfeld für neue Technologien ist, sowohl in den Fahrzeugen als auch in der IT. Unsere Erfahrungen fließen dann in die Corporate IT von Porsche ein. So hat sich in den letzten Jahren vor allem das Aufgabenspektrum unserer IT-Teams und der IT-Administratoren stark verbreitert. Anfangs haben wir ganz klassisch selbst unsere IT-Infrastruktur betrieben und in geringem Umfang Applikationsmanagement und Administration übernommen. Die zu betreuende IT-Infrastruktur an der Rennstrecke ist bis heute so geblieben: Die Kollegen müssen etwa vor Ort die Netzwerke und Server aufbauen, betreiben sowie supporten.
Neu dagegen ist das Thema Plattformbetreuung: Hier kommen Technologien der großen CRM- und ERP-Anbieter zum Einsatz, aber auch hoch entwickelte Storage Solutions wie etwa von NetApp, die wir dann nur noch als Plattform, aber nicht technisch managen. Der letzte Bereich, der aktuell am stärksten wächst, ist das Thema Softwareentwicklung. Für Herausforderungen, die noch nicht durch Lösungen am Markt abgedeckt sind, entwickeln wir eigene Software. Mit unserer Software Unit, maßgeschneidert für die Anforderungen im Motorsport, können wir flexibel auf alle neuen Herausforderungen reagieren. Dies prägt natürlich auch den Job eines IT-Administrators bei uns.
Wie sieht das perfekte Profil eines IT-Experten im Motorsport aus? Wo unterscheidet er sich von klassischen Branchen?
Friedemann Kurz: Die IT-Experten, die wir haben wollen, sind agil, hochmotiviert und arbeiten gerne mit „Bleeding-Edge-Technologie“, also Technik, die so neu ist, dass sie noch in der Entwicklungsphase ist. Im Motorsport herrscht eine deutlich höhere Risikoakzeptanz, eine Atmosphäre des „Mut zum Ausprobieren“ – tendenziell versuchen wir deshalb, im Einsatz neuer Technologien einen Schritt voraus zu sein.
Tilman Schroeder: NetApp hat im Vergleich zu Porsche natürlich einen weniger bekannten Namen in der Öffentlichkeit. In dem Maße, wie das Thema Datennutzung und datenbasierte Technologien aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung gewinnen, sind wir gerade für junge IT-Interessierte immer attraktiver. Viele junge Menschen sind extrem motiviert und haben große Lust, etwas zu bewegen, weil sie neue Technologien als Chance begreifen und den Wandel mitgestalten wollen. Sie wollen die Technologie in die Praxis bringen und sehen, wie beispielsweise KI in realen Use Cases zum Einsatz kommt. Und genau diese Menschen suchen wir.
Welche Aufgabenfelder erwarten IT-Administratoren heute bei Porsche Motorsport?
Friedemann Kurz: Im Motorsport braucht es Generalisten und Spezialisten. Das liegt daran, dass wir mit hochspezialisierter Technologie arbeiten – und zwar mit Lösungen, die wir selber bauen, und mit Lösungen, die schon am Markt sind. Letztere erfordern eine deutlich niedrigere Durchdringungstiefe von den Administratoren. Beim TAG Heuer Porsche Formel-E-Team an der Rennstrecke vor Ort haben wir beispielsweise einen einzigen IT-Administrator, der das komplette Datenmanagement und die Storage Solutions übernimmt. Er ist für das Netzwerk sowie die Security und nebenbei noch für das gesamte Application Management zuständig. Anders als klassische IT-Administratoren, die oft örtlich gebunden sind, reisen unsere IT-Administratoren viel und sind rund um die Welt unterwegs – quasi als IT-Roadies. Neben den technischen Aufgaben wie IT-Governance, Security, Standardisierung und Automatisierung nimmt dabei auch der Business-Aspekt eine immer größere Rolle ein. Dabei geht es um Vendor-Management, die Auswahl der richtigen Partner und das Managen von Geschäftsabläufen.
Bleiben wir nochmal an der Rennstrecke. Wie kann man sich den Auf- und Abbau an ständig wechselnden Standorten vorstellen?
Friedemann Kurz: Plug-and-Play, also einfach einstecken und online sein, wäre natürlich schön. In Wirklichkeit ist es meist komplizierter: Bei der Formel E zum Beispiel, wo wir intensiv mit NetApp zusammenarbeiten, sind das Volumen und das Gewicht der Fracht, die von Rennen zu Rennen transportiert wird, begrenzt. Wir haben lediglich ein Kontingent, das wir so kompakt wie möglich halten müssen und nicht überschreiten dürfen, vor allem aus Nachhaltigkeitsgründen. Deshalb wird unsere IT in einem handelsüblichen Container verfrachtet. Vor Ort packen wir ihn aus und bauen das mobile Rechenzentrum jedes Mal wieder neu auf – und nach der Rennveranstaltung wieder ab.
Die IT-Administration umfasst heute ein deutlich breiteres Aufgabenspektrum als früher. Welche Skills sollte ein IT-Administrator unbedingt mitbringen – und welche werden zukünftig wichtig sein?
Tilman Schroeder: Wenn wir nach neuen Talenten suchen, schauen wir mittlerweile sogar mehr auf die Soft Skills als auf die wirklichen Hard Skills. Der Grund ist: Hard Skills kann man mehr oder weniger lernen, gerade wenn es um einen generalisierten Aufgabenbereich geht. Was man hingegen nicht lernen kann, ist, diese gewisse intrinsische Motivation mitzubringen, diesen Enthusiasmus für ein Thema, eben auch selbst voranzugehen, neue Sachen auszuprobieren. Und nicht auf diesen 0815-Job zu hoffen, in dem man genau gesagt bekommt, was zu tun ist und welches der nächste Schritt ist. Wir suchen nach Leuten, die allein vom Wesen her schon diesen Drang haben, Neues auszuprobieren, Neues zu erfahren und dabei eine enorme Lernbereitschaft mitbringen. Kurz gesagt: Wir sind stets auf der Suche nach improvisationsbereiten „McGyver-Typen“.
Friedemann Kurz: Ich möchte noch hinzufügen, dass wir weniger auf Individualentwicklung bauen, sondern vielmehr ganzheitliche IT-Solution-Architects suchen. Diese müssen die Gesamtperspektive einnehmen und die richtigen Entscheidungen herbeiführen können. Sie sollten in der Lage sein, die richtigen Produkte an den richtigen Stellen einzusetzen, wenn es um Standards geht, sodass am Ende die Gesamtbebauung homogen ist und gut miteinander funktioniert. Die Mischung macht es: Wir brauchen hochqualifizierte Softwareentwickler und erfahrene, weitsichtige Architekten. Das ist der Schlüssel zum Erfolg für uns.
Tilman Schroeder: In manchen Bereichen, etwa der Netzwerk-Security, ist zudem nachgewiesene Kompetenz etwa in Form von Zertifikaten gern gesehen. Deshalb ist es durchaus zu empfehlen, Zertifizierungen mitzunehmen – gerade in den Schlüsselstandards der IT-Branche. Neben der Begeisterung für die Arbeit, den Kunden und die Branche muss der IT-Administrator natürlich auch eine Affinität zum Datenmanagement haben. Gerade wenn es um aktuelle Technologien wie KI geht, ist dieses Thema ja äußerst spannend.
Künstliche Intelligenz ist ein gutes Stichwort. Inwiefern verändern neue Technologien wie KI oder ML den Administratorenberuf?
Tilman Schroeder: Gerade Large Language Models werden in Zukunft einen enormen Einfluss auf das Arbeitsleben haben. Für viele scheint es ein Schreckgespenst, ich sehe das anders: Dies ist einfach die nächste logische industrielle Revolution, wie es schon mehrere gab, und sie wird uns viel, viel effizienter machen. In großen Teilen wird sie die Arbeit unterstützen und erleichtern – den Menschen und auch den IT-Administrator aber nicht ersetzen.
Friedemann Kurz: Da schließe ich mich absolut an: Was wir jetzt sehen mit Generative AI, ist eine der großen digitalen Revolutionen auf der Stufe des Internets und der Cloud-Migration. Das wird die Industrie grundlegend verändern.