Im Zuge der digitalen Transformation haben viele Unternehmen Teile ihrer IT-Landschaft in die Cloud verlagert. Was als strategischer Schritt zur Optimierung begann, hat sich für viele IT-Abteilungen zu einem undurchdringlichen Wildwuchs entwickelt. Dieser Cloud-Dschungel verschlingt nicht nur Ressourcen und Budgets, sondern gefährdet zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Es ist höchste Zeit, Ordnung in das Cloud-Chaos zu bringen. Denn die Frage ist nicht mehr, ob es eine Cloud-Strategie gibt, sondern ob ein Unternehmen noch seine Cloud-Infrastruktur beherrscht. Welche riskanten Auswirkungen hat der Cloud-Wildwuchs?
Jede Cloud-Plattform bringt eine Vielzahl von proprietären Tools, APIs und Abrechnungsmodellen mit sich, was eine konsolidierte Verwaltung der gesamten IT-Ressourcen erheblich erschwert. Die wachsende Heterogenität dieser Umgebungen führt zu einem hohen Verwaltungsaufwand, der nicht nur die Betriebseffizienz beeinträchtigt, sondern auch wertvolle Ressourcen für Aufgaben bindet, die wenig direkten geschäftlichen Mehrwert schaffen.
IT-Teams stehen vor der Herausforderung, plattformübergreifende Workloads zu managen, wobei unterschiedliche Anbieter oft eigene Disaster-Recovery-Mechanismen und Service-Level-Agreements (SLAs) nutzen, was die Sicherstellung einer konsistenten, unterbrechungsfreien Anwendungserfahrung erschwert. Dies führt zu einer erhöhten Komplexität im täglichen Betrieb und birgt das Risiko von Compliance-Verstößen und Service-Unterbrechungen. Die Unfähigkeit, diese fragmentierten Umgebungen effizient zu orchestrieren, treibt nicht nur die Betriebskosten in die Höhe, sondern mindert auch die Agilität der IT-Abteilung – eine Kernvoraussetzung, um als Unternehmen schnell in dynamischen Märkten reagieren zu können. Langfristig kann dies die Stabilität und Skalierbarkeit der IT-Infrastruktur bedrohen und den Fortschritt der digitalen Transformation erheblich hemmen.
Beispiel:
Ein Technologieunternehmen nutzt AWS für seine Kern-Workloads, Azure für Datenanalyse und Google Cloud für Machine Learning-Anwendungen. Jede Plattform erfordert spezifisches Fachwissen und eigene Verwaltungstools. Bei der Implementierung eines neuen Features müssen Entwickler zwischen drei verschiedenen Konsolen wechseln, was den Prozess verlangsamt und die Fehleranfälligkeit erhöht.
Die Komplexität und Ineffizienz zeigen sich im Besonderen beim Onboarding neuer Entwickler und Teams. Zunächst sind viele Fachkräfte nicht auf alle Cloud-Plattformen spezialisiert, was zu Wissenslücken führt, wenn es darum geht, mehrere Plattformen gleichzeitig zu verwalten. Hinzu kommt die fehlende Standardisierung innerhalb hybrider Cloud-Infrastrukturen und die Unklarheit darüber, wo und wie neue Benutzerkonten angelegt und Tools bereitgestellt werden sollen. Ehe ein neuer Entwickler tatsächlich produktiv arbeiten kann, wird reichlich Zeit und Geld verschwendet. In der Folge lähmt dies die Time-to-Market eines Unternehmens und gefährdet damit dessen Wettbewerbsfähigkeit.
Beispiel:
Ein großes multinationales Unternehmen stellt fest, dass das Onboarding neuer Entwickler durchschnittlich vier Monate dauert. Dies liegt an der Komplexität der IT-Infrastruktur und der Vielzahl der verwendeten Tools und Plattformen. Ein neu in ein Projekt eingebrachter Entwickler muss Zugang zu verschiedenen Cloud-Plattformen erhalten, jeweils mit eigenen Authentifizierungssystemen. Zusätzlich muss er sich in unterschiedliche Deployment-Prozesse und Monitoring-Tools einarbeiten. Diese Zeit geht für die eigentliche Entwicklungsarbeit verloren.
Das Monitoring in einer hybriden Umgebung gleicht einer Sisyphos-Aufgabe, da die verschiedenen Cloud- und On-Premises-Plattformen oftmals eigene isolierte Überwachungstools und -prozesse verwenden. Dies erschwert die zentrale Kontrolle der gesamten IT-Infrastruktur erheblich. Das Fehlen von End-to-End-Monitoring-Möglichkeiten über alle Umgebungen und Layer hinweg sorgt dafür, dass die Ursachen von Performance-Problemen oder Anwendungsfehlern oft nur mühsam und erst spät erkannt werden. Diese mangelnde Transparenz im Monitoring verlangsamt nicht nur die Problemlösung, sondern erhöht auch das Risiko, dass kritische Sachverhalte lange Zeit unentdeckt bleiben.
Beispiel:
Ein Finanzdienstleister, der auf eine hybride Cloud-Strategie setzt, hat Schwierigkeiten, die Performance seiner Anwendungen zu überwachen. Die verschiedenen Monitoring-Tools, die in den unterschiedlichen Cloud-Umgebungen und On-Premises-Rechenzentren verwendet werden, liefern keine konsolidierten Daten. Dies führt zu einer verzögerten Identifizierung von Leistungsengpässen und Beeinträchtigungen des Kundenerlebnisses. Die fehlende Transparenz macht es nahezu unmöglich, proaktive Maßnahmen zu ergreifen und die Gesamtleistung zu optimieren. In der Zwischenzeit häufen sich Kundenbeschwerden über langsame Ladezeiten.
Mit divergierenden Technologien und Plattformen wird die Aufrechterhaltung aktueller Software und synchronisierter Versionen zu einer großen Herausforderung. Unterschiedliche Teams nutzen eigene Tools und Prozesse, was einheitliche Richtlinien für den gesamten Technologie-Stack erschwert und Compliance-Standards schwer durchsetzbar macht. Ohne klare Governance fehlt oft die Transparenz, um sicherzustellen, dass alle Systeme den gleichen Vorgaben entsprechen. Das Management von Zugriffsrechten, Versionskontrollen und Audits wird zunehmend aufwändiger, während fragmentierte Prozesse zu Kompatibilitätsproblemen führen. Zudem steigt das Risiko von Verstößen gegen regulatorische Anforderungen, was besonders in regulierten Branchen schwerwiegende Folgen haben kann.
Beispiel:
In einem Versicherungsunternehmen, das verschiedene Technologien und Plattformen ohne klare Governance-Strategie einsetzt, nutzen verschiedene Teams unterschiedliche Versionen von Software und Bibliotheken, was zu Inkompatibilitäten und Sicherheitslücken führt. Ohne einheitliche Governance-Standards ist das Unternehmen dem Risiko von Datenschutzverletzungen und regulatorischen Sanktionen ausgesetzt.
Die Auswirkungen einer unzureichenden Governance auf die Sicherheit sind offensichtlich: Jede zusätzliche Cloud-Plattform vergrößert die Angriffsfläche und erschwert das frühzeitige Erkennen von Sicherheitsvorfällen oder Risikofaktoren. Durch die Fragmentierung der Umgebung können Sicherheitslücken leicht übersehen werden. Um beispielsweise Datenlecks zu vermeiden und alle Systeme konsistent abzusichern, ist ein aufwändiges Patch- und Update-Management erforderlich, was Zeit und Geld kostet. Ein weiteres zentrales Problem in einer gewachsenen, verteilten Infrastruktur ist das komplexe Rollen- und Rechtemanagement. Es wird zunehmend schwieriger, übergreifend sicherzustellen, wer welche Ressourcenzugriffe hat und wer autorisiert ist, Freigaben zu erteilen.
Beispiel:
Ein mittelständisches Industrieunternehmen entdeckt ein Datenleck. Die Untersuchung zeigt, dass ein veraltetes Sicherheitsprotokoll in einer selten genutzten Cloud-Instanz die Ursache war. Diese Instanz wird übersehen, weil sie außerhalb des zentralen Sicherheitsmanagements liegt. Der Vorfall führt zu erheblichen Compliance-Problemen und Reputationsschäden.
Zwar lassen sich mit Cloud-Strukturen schnell große Umgebungen aufbauen, allerdings birgt dies das Risiko unerwarteter Kosten, weil das Unternehmen etwa unnötige Ressourcen einkauft oder Kapazitäten bucht, die nicht vollständig genutzt werden. In Multi-Cloud-Umgebungen erschwert die Nachverfolgung von Ausgaben zusätzlich die Transparenz, da die Zuordnung von Kosten über verschiedene Plattformen und Managed Services hinweg oft unklar bleibt. Dies kann zu erheblichen Budgetüberschreitungen und ineffizienter Ressourcennutzung führen. CIOs müssen effektive FinOps-Praktiken etablieren, die eine kontinuierliche Überwachung, Optimierung und Verrechnung der Cloud-Ausgaben ermöglichen. Eine klare Kostenstruktur und Kostentransparenz sind entscheidend, um den IT-Betrieb wirtschaftlich zu gestalten. Ohne diese Maßnahmen droht neben einer ineffizienten Nutzung von IT-Ressourcen schlimmstenfalls eine regelrechte Kostenexplosion mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die ökonomische Stabilität des Unternehmens.
Beispiel:
Ein Automobilhersteller stellt am Quartalsende fest, dass seine Cloud-Kosten um 40 % über dem Budget liegen. Bei der Analyse zeigt sich, dass in verschiedenen Cloud-Umgebungen ungenutzte Ressourcen laufen. Zudem haben einige Entwicklungsteams teure Dienste genutzt, ohne die Kostenimplikationen zu kennen. Die fehlende zentrale Übersicht verhindert das rechtzeitige Erkennen und Intervenieren.
Anstatt die fragmentierte Multi-Cloud-Infrastruktur durch einen kompletten Neuaufbau zu bewältigen – ein Ansatz, der in der Praxis aufgrund der hohen Komplexität und der enormen Kosten nicht zu empfehlen wäre – bietet der Cloud Value Layer (CVL) eine praktikable und effektive Alternative. Der CVL fungiert als zentrale Abstraktionsschicht, die die verschiedenen Tools, Schnittstellen und Prozesse der unterschiedlichen Cloud-Anbieter in einer einheitlichen Oberfläche integriert. Dadurch wird die Komplexität der zugrunde liegenden Infrastruktur abstrahiert und ein übersichtlicher Single-Point-of-Access bereitgestellt. Entwickler, Manager und andere Nutzer verwenden den CVL als Self-Service-Portal, um Zugriff auf die benötigten Anwendungen und Ressourcen zu erlangen. Hier stehen nur die für sie relevanten und berechtigten Optionen zur Verfügung – dank eines zentralen Rollen- und Rechtemanagements. Die zentrale Plattform vereinfacht die Verwaltung erheblich, steigert die Produktivität und verbessert die Akzeptanz bei den IT-Fachkräften.
Dominik Meyer
ist Managing Director bei Novatec Consulting.
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