KI im Kundenservice: Segen oder Kundenkiller?

KI ist für Unternehmen ein Game Changer im Kundensupport, sagt Matthias Göhler von Zendesk im Interview.

Wer als Kunde heute Kontakt mit dem Support eines Unternehmens sucht, muss zunächst die Hürde Chatbot überwinden. Das braucht Geduld und ist oft frustrierend, da Fragen oft nicht oder falsch beantwortet werden. Mit KI soll sich das verbessern. Herr Göhler,  wie verändert KI den Kundensupport und welche Auswirkungen hat dies auf das Kundenerlebnis?

Matthias Göhler: Unser aktuelle CX Trends Report zeigt, dass rund drei Viertel der CX-Manager in Deutschland glauben, dass wir durch KI derzeit den größten Wandel im Kundenservice der letzten 50 Jahre erleben. Unter anderem sorgt KI für persönliche Kundenerlebnisse. So sagen fast zwei Drittel der deutschen Verbraucher bestätigen, KI hätte die Servicequalität spürbar verbessert. Unternehmen, die KI bereits intensiv nutzen, gewinnen ein Drittel mehr Neukunden, haben eine um 22 Prozent höhere Kundenbindung und erzielen fast 50 Prozent mehr Umsatz durch Cross-Selling. 

Welche Rolle spielen sprachbasierte KI-Agenten bei diesen Transformationsprozessen und wie beeinflussen sie die Interaktion mit Kunden?

Matthias Göhler: Sprachbasierte KI-Agenten können etwa die Hälfte aller Kundenanfragen selbstständig bearbeiten – und das rund um die Uhr. Die Systeme sind heute bereits so ausgereift, dass sie über alle Kommunikationskanäle hinweg einen einheitlichen, qualitativ hochwertigen Service bieten können. Viele Menschen bevorzugen trotz der Vielzahl an digitalen Kommunikationskanälen den Austausch über Sprache. Für die Akzeptanz beim Kunden ist dabei vor allem die „menschliche Note“ entscheidend. Zwei Drittel der für unsere Studie befragten deutschen Verbraucher vertrauen KI-Systemen mehr, wenn diese freundlich und empathisch kommunizieren. Die Kunst besteht also darin, Technologie und menschliche Qualitäten perfekt zu verbinden.

Können Sie spezifische Beispiele nennen, wie KI dazu beiträgt, die Effizienz im Kundenservice zu steigern und die Kundenzufriedenheit zu verbessern?

Matthias Göhler: Siemens Financial Services beispielsweise hat durch den Einsatz von KI-Agenten In Frankreich die Produktivität nahezu verdoppelt – bei gleichzeitiger Steigerung der Kundenzufriedenheit. Hierfür übernehmen KI-Systeme Standardanfragen und administrative Aufgaben, während sich die Mitarbeiter auf die wirklich wichtigen Kundeninteraktionen konzentrieren. Darüber hinaus unterstützt die KI menschliche Agenten durch Echtzeitanalysen der Kundenstimmung und -intention sowie die schnelle Bereitstellung von Informationen. Das macht den Service nicht nur effizienter, sondern auch persönlicher.

Ein anderes Beispiel ist Openly, ein Start-Up im Versicherungsbereich. Das Unternehmen nutzt Zendesk-Workflows, um Anrufe und Chats zu beantworten, was in der Regel innerhalb von 30 Sekunden funktioniert. Die Kunden von Openly schätzen es, dass sie einfach Angebote im System erstellen können, was dazu beigetragen hat, den Ruf von Openly zu verbessern.

Welche Herausforderungen treten bei der Implementierung sprachbasierter KI im Kundensupport auf und wie können diese bewältigt werden?

Matthias Göhler: Eine zentrale Hürde ist zunächst die technische Umsetzung: Viele Unternehmen schrecken vor der vermeintlichen Komplexität und den zu erwartenden hohen Kosten zurück. Es gibt aber Lösungen, die eine schnelle Implementierung ermöglich. 85 Prozent unserer Kunden sind innerhalb von drei Tagen mit Zendesk voll einsatzfähig.

Eine weitere wichtige Herausforderung ist die Qualitätssicherung der KI-Interaktionen. Systeme können heute alle Gespräche automatisch analysieren und Verbesserungspotenziale identifizieren. Besonders wichtig ist auch die richtige Balance zwischen Automatisierung und menschlichem Kontakt. KI-basierte Systeme lösen dies durch intelligentes Routing: Während KI-Agenten bis zu 50 Prozent der eingehenden Anrufe selbständig bearbeiten können, werden komplexere Fälle automatisch an menschliche Mitarbeiter weitergeleitet.

Eine weitere Herausforderung ist die Akzeptanz bei Kunden und Mitarbeitern. Sprach-KI-Systeme können der anfänglichen Skepsis durch möglichst natürliche Interaktionen begegnen. 64 Prozent der Kunden haben mehr Vertrauen in KI, wenn sie menschenähnliche Eigenschaften aufweist. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Auswahl der richtigen Werkzeuge und Partner sowie in einem schrittweisen Vorgehen.

In welche Richtung entwickelt sich die Zukunft des Kundensupports, insbesondere in Anbetracht fortschrittlicher Sprach-KI?

Matthias Göhler: Die Zukunft des Kundenservice wird zweifellos von KI dominiert sein. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren vier von fünf Kundenanfragen vollautomatisch gelöst werden können. Dabei geht es nicht darum, den Menschen zu ersetzen, sondern um eine optimale Zusammenarbeit zwischen KI und menschlichen Mitarbeitern. Die Sprachverarbeitung wird immer natürlicher, das Kontextverständnis immer besser. Der große Trend geht eindeutig in Richtung hochpersonalisierter Kundeninteraktion – und genau diese wird in Zukunft über den Erfolg im Kundenservice entscheiden.

 

Matthias Göhler

ist CTO EMEA bei Zendesk.