Sind software-definierte Fahrzeuge bald die Regel?
Einer IBM-Studie zufolge gehen 74 Prozent der Führungskräfte in der Autoindustrie davon aus, dass das Gros der Neuwagen bis 2035 KI-gesteuert sein wird.
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Beispielsweise sollen dann vier von fünf Neufahrzeugen zumindest teilweise über einen elektrifizierten Antriebsstrang verfügen. Zudem geben drei von vier Befragten an, dass softwaredefinierte Benutzererfahrung das Herzstück des Markenwerts bilden wird. Entsprechend versuche die Automobilbranche, ihr Geschäftsmodell vom einmaligen Autoverkauf auf ein nachhaltiges Umsatzmodell mit kontinuierlichen Einnahmen aus digitalen Dienstleistungen und Produkten umzustellen, so die Studie weiter.
Die Studie ist eine datengestützte Analyse der Entwicklungen in der Automobil- und Mobilitätsbranche in den nächsten 10 Jahren und basiert auf 1230 Interviews mit leitenden Angestellten von Automobilherstellern, Zulieferern und umliegenden Branchen in 9 Ländern.
„Die Umstellung auf softwaredefinierte Fahrzeuge (Software Defined Vehicles, SDVs ) wurde von der Mehrheit der Führungskräfte der Branche als Schlüssel für die zukünftige Markenentwicklung genannt“, sagte Jeff Schlageter, Automotive Industry General Manager bei IBM. „Es wird angedeutet, dass der Wert eines Fahrzeugs nicht mehr nur auf die Grundausstattung und Funktionalität beschränkt ist, sondern dass er über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs hinweg durch die kontinuierliche Bereitstellung besserer Kundenerfahrungen mit neuen Anwendungen und abonnementbasierten Diensten für die Fahrer verdient wird.”
Sand im Getriebe
Die Studie unterstreicht, dass sich die Branche darauf vorbereitet, tiefer gehende, stärker personalisierte Nutzererfahrungen anzubieten, die durch digitale Fähigkeiten ermöglicht werden. Derzeit werden laut IBM nur 21 Prozent der Forschungs- und Entwicklungsbudgets für Software und digitale Entwicklungen aufgewendet, aber die Befragten erwarten, dass sich dieser Anteil bis 2035 auf 58 Prozent fast verdreifachen wird.
Die Untersuchung zeigt allerdings auch, dass SDV-Entwicklungen derzeit ins Stocken geraten sind. Der traditionelle Ansatz der Fahrzeugarchitektur – bei dem die Software für einen einzelnen Bereich (zum Beispiel Bremsen) getrennt von einem anderen Bereich (etwa Airbags) über einzelne elektronische Steuergeräte bereitgestellt wird – sei für das SDV-Zeitalter nicht mehr praktikabel, so die Diagnose der Studienautoren.
Um eine Zukunft zu erreichen, in der Autos durch und durch digitale Produkte sind, müssten Autohersteller die aktuellen Elektro- und Softwarearchitekturen grundlegend überarbeiten. Die technische Herausforderung der Trennung von Software- und Hardware-Ebene wird auch von den Studienteilnehmern aktuell als größte Herausforderung angesehen. 77 Prozent der befragten Führungskräfte geben an, dass sie mit einem Mangel an Softwareentwicklungswerkzeugen und -methoden konfrontiert sind. Hinzu kommt, dass 74 Prozent der Befragten sagen, dass eine stark mechanisch geprägte Kultur die Umstellung auf eine softwaregesteuerte Produktentwicklung erschwert.
Schlageter sieht jedoch Licht am Horizont: „Durch die Bündelung der Leistungsfähigkeit der Cloud in Kombination mit KI können Autohersteller neue Ideen erforschen, verschiedene Softwarekonfigurationen testen und wertvolle Erkenntnisse sammeln, um die Entwicklung innovativer SDV-Funktionalitäten voranzutreiben. Durch den Einsatz von KI zur Analyse großer Datenmengen, zur Identifizierung von Mustern und zur Erstellung von Prognosen können Autohersteller SDV-Verbesserungen beschleunigen und personalisierte Kundenerlebnisse schaffen.“
Methodik der Studie
Das IBM Institute for Business Value (IBM IBV) hat in Zusammenarbeit mit Oxford Economics im dritten Quartal 2024 1.230 Führungskräfte aus der Automobilindustrie in neun Ländern befragt. 40 Prozent der Stichprobe vertraten OEM- und EV-Unternehmen der Automobilindustrie, 40 Prozent Automobilzulieferer und 20 Prozent Akteure des Ökosystems. Die komplette Studie findet sich hier.