DeepSeek: Risiko oder Chance?

DeepSeek heizt die KI-Diskussion an. Während die Befürworter die Leistungsfähigkeit sowie das Kostenthema hervorheben, warnen die Gegner vor undurchsichtigen Datenschutzregeln.

Der Hype um KI hat mit DeepSeek einen neuen Höhepunkt erreicht. Das Unternehmen hat im Januar 2025 sein KI-Model “DeepSeek R1” vorgestellt, das mit namhaften KI-Systemen wie ChatGPT oder Claude konkurriert. DeepSeek wird vom chinesischen Hedgefonds High-Flyer finanziert.

Die Medien überschlagen sich mit Nachrichten über die KI aus China. “Deutsche Datenschützer wollen DeepSeek prüfen”, titelt tagesschau.de. “Datenleck bei chinesischem KI-Start-up entdeckt”, warnt das Handelsblatt. “Klaute die neue China-KI massenhaft bei ChatGPT?”, schreibt Bild.de oder SR.de schreibt: “DFKI warnt vor Risiken von chinesischer KI DeepSeek”. Und Sascha Lobo schreibt in seiner Spiegel-Kolumne: “DeepSeek, die beste KI-Nachricht für uns seit ChatGPT.”

Die Leistungsfähigkeit des DeepSeek-KI-Modells bei gleichzeitig niedrigeren Kosten hat sogar zu einem Rückgang bekannter Technologieaktien geführt. Deren Börsenwerte fielen zeitweise um bis zu 30 Prozent, darunter die Chiphersteller Nvidia oder Broadcom. In den USA sprang im Januar 2025 die App von DeepSeek auf Platz 1 der am meisten heruntergeladenen iPhone-Apps.

Wie bewerten IT-Unternehmen das neue KI-Angebot von DeepSeek?

Robert Blumofe, CTO Akamai
Unternehmen benötigen für die meisten Anwendungsfälle keine riesigen Allzweck-LLMs. Schon vor DeepSeek gab es eine erkennbare Verschiebung hin zu kleineren, stärker spezialisierten Modellen, die auf spezifische Geschäftsanforderungen zugeschnitten sind. Mit dem Aufkommen weiterer KI-Anwendungsfälle in Unternehmen geht es zunehmend um Inferenz – also darum, die Modelle tatsächlich zur Wertschöpfung einzusetzen. In vielen Fällen wird dies am Rande des Internets geschehen, nahe bei den Endnutzern. Kleinere Modelle, die für den Einsatz auf Standardhardware optimiert sind, werden langfristig mehr Wert schaffen als überdimensionierte LLMs.

Dominic Rizzo, Portfoliomanager bei T. Rowe Price
“Während es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, dass R1 aufgrund der Ausgabenoptimierung negativ für die KI-Infrastruktur sein könnte, sind die Auswirkungen des Modells von DeepSeek auf mittlere Sicht noch nicht klar. US-KI-Labore könnten theoretisch viele der von DeepSeek entwickelten Recheneffizienzen integrieren, um die Leistung zu verbessern und gleichzeitig das aktuelle Ausgabenniveau beizubehalten und drastische Leistungsverbesserungen zu erzielen. Die Kosten von DeepSeek V3 in Höhe von 5,6 Millionen US-Dollar schließen verschiedene andere Ausgaben aus, und es besteht Unsicherheit darüber, ob chinesische Labore mehr GPUs haben als angegeben. In einem Auftritt auf CNBC erwähnte der CEO eines US-amerikanischen KI-Unternehmens, dass DeepSeek rund 50.000 H100-GPUs habe. Allein dies entspricht geschätzten Ausgaben in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar. Darüber hinaus würden diese GPUs eine “Sourcing-Prämie” beinhalten.”

Satnam Narang, Senior Staff Research Engineer, Tenable
“Das Release von DeepSeekv3 und der leistungsstärkeren Version DeepSeek-R1 als Open Source macht LLMs praktisch jedem auf der Welt zugänglich. Das Problem bei der Sache: Im Gegensatz zu Closed-Source-Modellen, die innerhalb gewisser Leitplanken operieren, sind Open Source LLMs anfälliger für Missbrauch. Wir wissen noch nicht, wie schnell Cyberkriminelle die DeepSeek-Modelle für ihre Zwecke instrumentalisieren. Doch wenn frühere Entwicklungen ein Indikator sind, hat der Wettlauf längst begonnen.”

Chester Wisniewski, Global Field CTO, Sophos
„Deutlich dringender für Unternehmen ist die Tatsache, dass DeepSeek aufgrund seiner Kosteneffizienz wahrscheinlich von verschiedenen Produkten und Unternehmen adaptiert wird, was potenziell erhebliche Risiken für den Datenschutz birgt. Wie bei jedem anderen KI-Modell ist es für Unternehmen entscheidend, eine gründliche Risikobewertung vorzunehmen, die sich auch auf Produkte und Zulieferer erstreckt, die DeepSeek oder ein künftiges LLM einsetzen könnten. Unternehmen müssen mit gesichertem Fachwissen fundierte Entscheidung treffen können.“

Ismet Koyun, CEO und Gründer, KOBIL Gruppe
“Das KI-Modell Deepseek zeigt: Was bis dato landläufige Meinung war, stellt das chinesische Startup auf den Kopf. Rechenleistung ist bei KI nicht alles, worauf es ankommt. Denn Deepseek ist nicht nur offen verfügbar für alle, sondern bringt auch eine Leistung, die mit etablieren KI-Modellen wie ChatGPT vergleichbar ist, bei viel weniger benötigter Rechenpower. Dass Unternehmen in Europa niedrigere Budgets zur Verfügung stehen als den KI-Giganten aus den USA, wie bislang immer die Ausrede war, kann also nicht der Grund sein, warum die KI-Fortschritte den Vereinigten Staaten vorbehalten waren. China beweist das Gegenteil und zeigt: Die Volksrepublik entwickelt Spitzentechnologie, die wir sehr ernst nehmen müssen. 

Darren Guccione, CEO und Co-Gründer von Keeper Security”
Die Nutzung von KI-Plattformen, wie beispielsweise DeepSeek, mögen ein Schritt nach vorn sein, Unternehmen müssen die Risiken aber sorgfältig abwägen – vor allem, wenn es um Plattformen geht, bei denen der Datenzugriff und die Überwachung weniger transparent sind. Die Eingabe sensibler Unternehmensdaten in derartige Systeme könnte kritische Daten der staatlich kontrollierten Überwachung oder dem Missbrauch aussetzen und so ein trojanisches Pferd für ein Unternehmen und alle seine Mitarbeiter sein. Das hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit von BYOD (Bring Your Own Device) und die Benutzerebene, da Mitarbeiter diese Anwendung auf ihr persönliches Gerät herunterladen könnten, das dann für Transaktionen auf der Website, in Anwendungen und Systemen des Unternehmens verwendet werden kann. Ein Risiko, dass sich exponentiell auf den Datenschutz und die Sicherheit auswirken kann, wenn es nicht richtig gehandhabt wird.”

Adrianus Warmenhoven, Cybersicherheits-Experte bei NordVPN
„Die Datenschutzrichtlinie von DeepSeek, die auf Englisch verfügbar ist, macht deutlich, dass Benutzerdaten, einschließlich Unterhaltungen und generierte Antworten, auf Servern in China gespeichert werden. Dies gibt Anlass zur Sorge, nicht nur wegen der beschriebenen Datenerfassung – von vom Benutzer geteilten Informationen bis hin zu Daten aus externen Quellen –, sondern auch wegen der potenziellen Risiken, die mit der Speicherung solcher Daten in einem Land mit anderen Datenschutz- und Sicherheitsstandards verbunden sind. Nutzer müssen sich darüber im Klaren sein, dass alle Daten, die mit der Plattform geteilt werden, gemäß den chinesischen Gesetzen zur Cybersicherheit, die vorschreiben, dass Unternehmen auf Anfrage von Behörden Zugang zu Daten gewähren müssen, dem Zugriff durch die Regierung unterliegen können.“

Dan Schiappa, Chief Product and Services Officer bei Arctic Wolf
“Viele Menschen sind darüber besorgt, auf wie viele Daten Social-Media-Plattformen Zugriff haben, wie die jüngsten Urteile zu TikTok gezeigt haben. Besorgniserregend ist hierbei vor allem, welche Risiken u.a. durch das Training chinesischer Foundation Models bestehen, also große KI-Modelle, die mit einer immens hohen Anzahl an Datensätzen trainiert und für zahlreiche Aufgaben genutzt werden. Wenn man bedenkt, dass das chinesische KI-Modell DeepSeek bereits seine Registrierungen aufgrund eines Cyberangriffs einschränkt, muss man sich fragen, ob das Unternehmen über angemessene Sicherheitsvorkehrungen und Richtlinien verfügt, um die Privatsphäre der User zu schützen. Ebenso könnte China den Trend fortsetzen, geistiges Eigentum zu stehlen und US-amerikanische und europäische Technologien nachzuahmen.”

Marc Benioff, CEO Salesforce

„Deepseek ist jetzt die Nummer 1 im AppStore und hat ChatGPT überholt – ohne NVIDIA-Supercomputer oder 100 Millionen Dollar. Der wahre Schatz der KI liegt nicht in der Benutzeroberfläche oder dem Modell – sie sind zu einer Handelsware geworden. Der wahre Wert liegt in den Daten und Metadaten, dem Sauerstoff, der das Potenzial der KI antreibt. Der Reichtum der Zukunft? Es liegt in unseren Daten. Deepgold.“

Gavin Baker, CIO & Managing Partner, Atreides Management
“DeepSeek r1 ist real mit wichtigen Nuancen. Am wichtigsten ist die Tatsache, dass r1 so viel billiger und effizienter als o1 ist, und zwar nicht wegen der 6 Mio. $ für das Training. r1 kostet 93 % weniger für die *Nutzung* als o1 pro API, kann lokal auf einer High-End-Workstation ausgeführt werden und scheint nicht an irgendwelche Ratengrenzen gestoßen zu sein, was wild ist. Eine einfache Rechnung besagt, dass jeder 1b aktive Parameter im FP8 1 gb RAM benötigt, so dass r1 37 gb RAM benötigt. Batching senkt die Kosten massiv und mehr Rechenleistung erhöht die Token/Sekunde, so dass die Inferenz in der Cloud immer noch Vorteile bietet. Ich möchte auch anmerken, dass hier eine echte geopolitische Dynamik im Spiel ist, und ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass dies direkt nach „Stargate“ herauskam. RIP, 500 Milliarden Dollar – wir haben dich kaum gekannt….”

 

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