SAP: Cloud First oder Cloud Only?

SAP will innovative Funktionen künftig hauptsächlich für Cloud-Versionen von S/4HANA bereitstellen, was sich auf die IT-Strategien der SAP-Kunden auswirkt, sagt Tim Schlömp von abat.

Die Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre bisherigen Investitionen in On-Premises-Systeme zu bewerten und ihre zukünftige IT-Strategie neu auszurichten. Besonders betroffen sind jene, die kürzlich auf S/4HANA On-Premises migriert sind oder dies planen. Die Sorge, dass SAP ihre Kunden zu einer reinen „Cloud Only“-Strategie zwingt, hat zu Unsicherheiten geführt. Diese betreffen nicht nur die strategische Ausrichtung, sondern auch Fragen zur Kontrolle über Daten und den Umfang zukünftiger Investitionen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch ein differenzierteres Bild.

Was bedeuten Cloud First und Cloud Only?

Die Begriffe „Cloud First“ und „Cloud Only“ sind zentral für das Verständnis der aktuellen SAP-Strategie. „Cloud First“ bedeutet, dass neue Innovationen vorrangig für die Cloud entwickelt und bereitgestellt werden, während On-Premises-Optionen weiterhin existieren, jedoch mit möglicherweise eingeschränkten Funktionalitäten. „Cloud Only“ hingegen impliziert, dass bestimmte Funktionen ausschließlich in der Cloud verfügbar sind.

Offiziell verfolgt SAP eine „Cloud First“-Strategie, doch die schrittweise Einschränkung von On-Premises-Optionen deutet darauf hin, dass das Unternehmen langfristig stärker auf „Cloud Only“ setzt. Diese Ausrichtung hat bei vielen Unternehmen Bedenken hinsichtlich der Abhängigkeit von externen Anbietern, Lizenzkosten und insbesondere der Datensicherheit hervorgerufen. Die Tatsache, dass die meisten Hyperscaler, bei denen SAP-Lösungen gehostet werden, ihren Hauptsitz außerhalb der EU haben, verstärkt diese Sorgen. Besonders für europäische Unternehmen, die unter die strengen Datenschutzregelungen der DSGVO fallen, stellt dies ein Risiko dar, selbst wenn SAP und die Hyperscaler versichern, dass Daten in europäischen Rechenzentren verbleiben.

Cloud- und On-Premises-Systeme

Ein zentraler Aspekt in dieser Diskussion ist die Unterscheidung zwischen der klassischen On-Premises-Variante und den Cloud-Angeboten von SAP. On-Premises-Systeme sind häufig das Ergebnis jahrelanger Anpassungen und Investitionen. Die Public Cloud bietet standardisierte Services, die einfach skalierbar, aber weniger anpassbar sind. Die Private Cloud kombiniert die Vorteile der Cloud mit einem höheren Maß an Kontrolle und Anpassbarkeit, was insbesondere für Unternehmen mit spezifischen Compliance-Anforderungen attraktiv ist. Technologisch gesehen unterscheidet sich die Private Cloud kaum von einem klassischen On-Premises-System, da beide Ansätze ähnliche Erweiterungs- und Customizing-Optionen bieten. Diese Hybridmodelle gewinnen in der SAP-Community zunehmend an Bedeutung, da sie es Unternehmen ermöglichen, die Vorteile beider Welten zu nutzen.

RISE und GROW: Pakete mit Potenzial

In diesem Kontext spielen RISE with SAP und GROW with SAP eine entscheidende Rolle. Oft missverstanden, sind diese Konzepte keine eigenständigen Produkte, sondern Vertragskonstrukte, die es Unternehmen ermöglichen, S/4HANA-Lizenzen mit zusätzlichen Services zu kombinieren. Sie bieten Zugang zu wichtigen Technologien wie der Integration Suite oder der Analytics Cloud, die Unternehmen dabei unterstützen, Cloud-Anwendungen in bestehende On-Premises-Systeme zu integrieren.

Die Integration Suite beispielsweise ersetzt die klassische PI/PO-Lösung und zeigt, wie SAP versucht, Unternehmen schrittweise in die Cloud zu führen, ohne sie dazu zu zwingen. Die Debatte, ob SAP ihre Kunden bewusst in eine „Cloud Only“-Strategie drängt, lässt sich daher nicht eindeutig beantworten. Dennoch wirft die Komplexität der Vertragsmodelle Fragen auf, wie etwa die langfristigen Lizenzkosten und den Grad der Flexibilität, den diese Lösungen tatsächlich bieten. Schlussendlich priorisiert SAP die Cloud, doch hybride Modelle bleiben eine valide Option.

SAP Business Technology Platform als Integrationsbrücke

Ein Schlüssel zu diesen hybriden Szenarien ist die SAP Business Technology Platform (BTP). Sie ermöglicht es Unternehmen, Cloud-Lösungen wie die Digital Manufacturing Cloud oder die Analytics Cloud nahtlos mit On-Premises-Systemen zu verbinden. Die Integration erfolgt über Technologien wie beispielsweise den SAP Cloud Connector, der eine sichere Verbindung zwischen Cloud- und On-Premises-Systemen schafft. Auch die Nachfolgelösung für den Solution Manager, Cloud ALM, kann über die BTP in bestehende Landschaften eingebunden werden.

Dies zeigt, dass SAP bewusst darauf setzt, Brücken zwischen Cloud und On-Premises zu bauen, um den Übergang für Unternehmen zu erleichtern. Dennoch ist der Schritt in die Cloud mit Herausforderungen verbunden. Neben technischen Fragen zur Integration gibt es auch strategische Überlegungen, die Unternehmen berücksichtigen müssen. Dazu zählen Aspekte wie langfristige Lizenzkosten, Sicherheitsanforderungen und die Geschwindigkeit, mit der neue Innovationen eingeführt werden können.

Innovationen und die Rolle der Cloud

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Entwicklungsgeschwindigkeit. Die Cloud ermöglicht SAP eine schnellere Einführung neuer Funktionen, da Updates zentralisiert und regelmäßig ausgerollt werden können. On-Premises-Systeme hingegen sind in dieser Hinsicht langsamer, da Unternehmen selbst für die Implementierung neuer Releases verantwortlich sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass On-Premises-Lösungen vollständig von Innovationen ausgeschlossen sind. Über die BTP können auch On-Premises-Nutzer von neuen Technologien profitieren, etwa durch die Integration moderner Analyse-Tools oder KI-gestützter Anwendungen.

Die langfristige Entscheidung zwischen einer reinen Cloud-Strategie und einem hybriden Ansatz erfordert eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile. Für viele Unternehmen stellen Sicherheitsbedenken einen zentralen Faktor dar. Obwohl die großen Hyperscaler umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen bieten, bleibt die Kontrolle über Daten ein sensibles Thema, insbesondere in stark regulierten Branchen wie dem Finanz- oder Gesundheitswesen. Andererseits bieten hybride Ansätze die Möglichkeit, bestehende Investitionen in On-Premises-Systeme zu schützen und gleichzeitig von den Innovationen der Cloud zu profitieren. Unternehmen, die sich für diesen Weg entscheiden, sollten jedoch beachten, dass die Verwaltung einer hybriden Landschaft zusätzliche Anforderungen an die IT-Abteilung stellt.

BTP spielt eine zentrale Rolle

Die Zukunft der SAP-Strategie zeigt eine klare Ausrichtung auf die Cloud, doch hybride Ansätze bleiben für viele Unternehmen eine gangbare Lösung. Der Erfolg hängt von genauer Analyse und Planung ab, die sowohl technische als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Lösungen wie die BTP spielen hierbei eine zentrale Rolle, da sie den Weg in die Cloud ebnen und gleichzeitig bestehende Investitionen schützen. Unternehmen, die diesen Übergang erfolgreich gestalten, können von den Vorteilen der Cloud profitieren, ohne ihre bisherigen Systeme vollständig aufgeben zu müssen. Dies zeigt sich insbesondere bei der Integration neuer Technologien, die ausschließlich in der Cloud verfügbar sind, wie etwa fortschrittliche Analyse- und IoT-Lösungen.

Die Entscheidung, ob „Cloud First“ oder „Cloud Only“ der richtige Weg ist, bleibt letztlich eine Frage der individuellen Anforderungen und Ziele. SAP bietet die Werkzeuge und Strategien, um beide Ansätze zu unterstützen. Wichtig ist, dass Unternehmen diese Chancen nutzen, um ihre digitale Transformation voranzutreiben und sich für die Zukunft zu rüsten. Die Cloud ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um Innovation, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Unternehmen, die diese Potenziale erkennen und gezielt umsetzen, werden langfristig erfolgreich sein.

Tim Schlömp

ist Senior Consultant bei der abat AG.

 

 

 

 

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