Categories: GastbeitragKISoftware

KI-Strategie: Klarna schafft 1.200 SaaS-Dienste ab

Seit mehr als einem Jahrzehnt gilt SaaS als das Nonplusultra unter den Geschäftsmodellen für Software. Doch inzwischen wird zunehmend hinterfragt, ob dieses Modell die hohen Erwartungen tatsächlich erfüllt. Ein Faktor, der zum möglichen Rückgang von SaaS beiträgt, ist die Kommodifizierung von Software.

Mit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz und leichter zugänglichen Entwicklungstools ist die Erstellung komplexer Software-Lösungen einfacher denn je. Anstatt zum Beispiel für SaaS-Dienste von Drittanbietern zu zahlen, können Unternehmen nun eigene, maßgeschneiderte KI-Lösungen entwickeln, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, und mit den Anforderungen mitwachsen.

Datenqualität entscheidend

Ein aktuelles Beispiel für diese Technologiewende ist Klarna. Das schwedische FinTech hat im letzten Jahr seine Adoption von KI-Technologien einen großen Schritt vorangebracht. Im Herbst wurde bekannt, dass das Unternehmen unter anderem das Salesforce CRM mit einem eigenen KI-System auf Basis von OpenAI ersetzt hat, kombiniert unter anderem mit dem KI-nativen Tool Cursor AI. Der KI-gestützte Kundenservice-Bot übernimmt seitdem die Arbeit von 700 Vollzeitkräften und soll Kosten von 40 Millionen US-Dollar jährlich einsparen.

Tatsächlich hat Klarna nicht nur den Vertrag mit Salesforce gekündigt, sondern insgesamt rund 1.200 SaaS-Dienste abgeschafft. Das Ende von Salesforce oder gar SaaS sei damit jedoch nicht eingeläutet, wie Klarna-CEO Sebastian Siemiatkowski selbst in einem Post auf X erklärte. Demnach fing das Unternehmen früh an, das Potenzial von KI und LLMs, insbesondere ChatGPT, zu erforschen. Zudem tauchte Klarna nach eigener Aussage tief in die “schöne Welt der Graphen ein“, um unterschiedlichste Datenquellen, Dokumente und PDFs zu verknüpfen und KI-tauglich zu machen.

Datensilos vs. Datenkontext

Die Datenqualität bleibt auch im KI-Zeitalter ein entscheidender Faktor und die universelle Wahrheit der Datenwissenschaft „Garbage in, garbage out“ gilt mehr als je zuvor. Die führenden LLMs von OpenAI, Anthropic oder Google bieten eine gute Grundlage. Wie leistungsstark die KI konkret ist, hängt jedoch von der Fähigkeit der sie nutzenden Unternehmen ab, die Modelle mit ihren eigenen Datensätzen zu verknüpfen und anzureichern. Wer dabei lediglich auf fragmentierte und inkonsistente Daten zurückgreifen kann, erhält selbst mit dem besten KI-Modell nur schlechte Ergebnisse.

SaaS kann zu diesen Datensilos in Unternehmen beitragen. Teilweise ist das interne Wissen auf eine Vielzahl von Anwendungen verteilt, von CRM- und ERP-Systemen über Kanban-Boards bis zu Präsentationsfolien. Für die KI relevantes Hintergrundwissen, wie der Kontext und Zweck eines Dokuments, und Metadaten, beispielsweise Nutzer, sind nicht automatisch ersichtlich.

In der Regel folgen die SaaS-Anwendungen ihrer jeweils eigenen Logik, unabhängig vom Gesamtkontexts des Unternehmens. Um im unübersichtlichen Datennetz zu navigieren, ist deshalb fast immer unternehmensspezifisches Know-how gefragt. GenKI-Systeme erfordern jedoch das Gegenteil: Sie müssen die Unternehmensdaten quer über verschiedenen Datenspeicher hinweg verstehen, um im Kontext aller Informationen antworten und arbeiten zu können.

Technologielandschaft mit Graph und KI

Graphtechnologie hat sich in den letzten Jahren als zentraler Baustein im KI-Umfeld etabliert. Knowledge Graphen beispielsweise repräsentieren unstrukturierte Daten so, dass LLMs sie als Kontext verstehen können. Im Kontext von GraphRAG dienen sie zudem als zusätzliche, externe Datenquelle für LLMs und verbessern damit die Aktualität, Relevanz und Genauigkeit der Sprachmodelle. Eine ähnliche Einschätzung nahm auch Gartner vor. Das Analystenhaus geht davon aus, dass Graphtechnologie bis 2025 bei 80 Prozent der Daten- und Analyse-Innovationen zum Einsatz kommen – im Vergleich zu nur 10 Prozent im Jahr 2021.

Auch Klarna entschied sich für Graphtechnologie, einschließlich Datenmodellierung, Ontologien, Vektoren und Retrieval-Augmented Generation (RAGs). Das Unternehmen baute sich eine neue Technologielandschaft, in der die Unternehmensdaten konsolidiert wurden und die interne KI auf dieses Wissen zugreifen kann. Das Ergebnis: Dank der standardisierten und einheitlichen Wissensbasis werden viele SaaS-Dienste schlicht nicht mehr länger benötigt.

Blueprint für den KI-Einsatz

Diese Neuausrichtung von KI lässt sich von anderen Unternehmen als Blaupause für die KI-Integration nutzen. „Die Google-Suche und -KI werden mit einem Knowledge Graph betrieben. Wikipedias ,gesammeltes Wissen der Menschheit´ ist ein Knowledge Graph. Jetzt ist auch das organisatorische Wissen von Klarna ein Knowledge Graph.

Drei Schritte sind seiner Meinung nach für den Erfolg dieser Strategie entscheidend: Zunächst eine organische Einführung von KI-Tools im Unternehmen, die von der Chefetage gefördert und unterstützt, aber nicht erzwungen wird. Daran anschließend eine Datenkonsolidierung, um sich von fragmentierten Silos zu befreien und das Wissen der Organisation in einer vernetzten Datenstruktur – sprich Knowledge Graph – abzubilden. Im letzten Schritt können Unternehmen dann auf diesem Graphen KI-fähige Anwendungen mithilfe von GraphRAG und nativen KI-Tools aufbauen.

Als Herzstück der nächsten Generation von GenAI-Stacks könnten Knowledge Graphen in einer von Agentic AI geprägten Zukunft so auch traditionelle SaaS mehr und mehr in den Hintergrund drängen. Während viele Technologien auf die Lösung spezifischer Anwendungsfälle ausgerichtet sind, basiert Graphtechnologie auf grundlegenden Prinzipien, die einen breiteren Einsatz erlauben. Diese Prinzipien bilden nicht nur die Grundlage für erste Anwendungen im KI-Bereich, sondern schaffen auch die Voraussetzungen für zukünftige Entwicklungen, die auf dem Potenzial vernetzter Daten aufbauen.

Heiko Schönfelder

ist Head Of Sales DACH bei Neo4j.

Roger Homrich

Recent Posts

Öffentliche Hand forciert Cloud-Transformation

Lünendonk-Studie: 54 Prozent der befragten Verwaltungen wollen den Cloud-Anteil ihrer Anwendungen bis 2028 auf 40…

17 Stunden ago

Telematik: Neue Baustellenwarner für Deutschlands Autobahnen

Der Wiener Verkehrstechnikspezialist Kapsch TrafficCom nutzt C-ITS-Lösungen, um Autobahnbaustellen besser abzusichern.

17 Stunden ago

KI im Aufsichtsrat – Blindflug hält vielerorts an

Deloitte-Studie: Künstliche Intelligenz ist für knapp ein Drittel aller Boards weltweit nach wie vor kein…

18 Stunden ago

Deutsche Bank beschleunigt digitale Transformation mit IBM

Deutsche Bank erweitert Zugang zu den Softwarelösungen von IBM, um Innovationen zu beschleunigen, Betriebsabläufe zu…

19 Stunden ago

Krebsforschungszentrum will Grenzen der Krebsforschung KI-gestützt erweitern

The Royal Marsden NHS Foundation Trust hat gemeinsam mit NTT DATA und der KI-Plattform CARPL.ai…

2 Tagen ago

Rossmann entscheidet sich für Microsoft Azure Red Hat OpenShift

Drogeriekette will Anwendungen flexibel auf Infrastrukturen on-premises und in der Cloud bereitstellen, um Flexibilitäts- und…

2 Tagen ago